Max Eberls offene Baustellen beim FC Bayern

Georg Trenner 09.09.2024

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Am 1. März 2024 übernahm Max Eberl den Posten des Sportvorstands beim FC Bayern München, einem der bedeutendsten Manager-Jobs im europäischen Fußball. Die Erwartungshaltung war von Anfang an hoch: Eberl, der sich bei Borussia Mönchengladbach über Jahre einen exzellenten Ruf erarbeitet hatte, sollte die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen. 

Eberl übernahm das Vorstandsamt, kurz nachdem der Club die Trennung von Trainer Thomas Tuchel zum Saisonende beschlossen hatte. Entsprechend wenig Zeit blieb ihm, sich in der Rolle zu akklimatisieren. Eberl musste schnell erste Ergebnisse in Form eines neuen Trainers liefern. 

Auf die sportliche Restsaison konnte er in seiner Funktion kaum eingreifen. Er konnte aber zusehen, als Bayer Leverkusen die Bundesligameisterschaft einfuhr – und seine Schlüsse für die notwendigen Maßnahmen rund um die sportliche Planung ziehen.

Mittlerweile ist Max Eberl sechs Monate im Amt, hat ein neues Trainerteam verpflichtet und seine erste Transferperiode absolviert. Miasanrot blickt auf sieben Aspekte, bei denen es für Max Eberl noch Luft nach oben gibt.

Die Trainersuche: ein chaotischer Prozess

Die Trainersuche des FC Bayern unter Eberls Führung lief nicht zufriedenstellend. Spätestens nachdem sich die Option Xabi Alonso zerschlagen hatte, glich die Trainersuche einem Zickzack-Kurs. Zurück zu Nagelsmann oder gar van Gaal? Oder doch mit Tuchel weitermachen? Wie wäre es mit Rangnick? 

Kandidaten wurden in der Öffentlichkeit diskutiert. Der FC Bayern und Max Eberl wagten sich bei Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick weit vor, nur um düpiert zu werden.

Auch wenn Eberl nicht der Auslöser für alle Leaks und Wendungen war, so trug er doch die Gesamtverantwortung für den Prozess.

Am Ende fiel die Wahl auf Vincent Kompany, der mit seinem Trainerteam bisher zu gefallen weiß und sogar das Potenzial zum Glücksfall hat. Doch der Weg dorthin war alles andere als stringent.

Zusammenspiel zwischen Sportvorstand und Aufsichtsrat

Die Kommunikationsprobleme zwischen Eberl und dem Aufsichtsrat beschränkten sich nicht nur auf die Trainersuche. Auch im Transferfenster wurde in der Öffentlichkeit immer wieder das Bild gezeichnet, das Eberl will, aber nicht kann, weil der Aufsichtsrat ihm Steine in den Weg lege. 

Der Aufsichtsrat hatte nach den Verpflichtungen von Michael Olise, João Palhinha und Hiroki Itō zunächst Verkäufe gefordert, bevor Eberl weiter einkaufen durfte. Es entwickelte sich ein Narrativ, als stünde Eberl kurz vor Einigungen, etwa mit Jonathan Tah oder Xavi Simons, allein die Sturheit des Aufsichtsrats verhindere die Durchführung der Transfers.

Dabei ist es ein normaler Vorgang, dass Aufsichtsgremien Budgets freigeben, dass Aufsichtsräte über strategische Entscheidungen mitbestimmen. Einschränkungen, die für fast alle Fußballclubs und auch sonstige Wirtschaftsunternehmen gelten. 

Entweder hat Max Eberl es nicht geschafft, den Aufsichtsrat von seinen strategischen Plänen zu überzeugen, die höhere Investitionen erfordert hätten. Oder Eberl hat das Gremium falsch eingeschätzt. Beides spräche nicht für sein “Gremien-Management”. Bisher profitiert Max Eberl davon, dass die Öffentlichkeit in erster Linie die Verantwortung für das verbesserungsfähige Zusammenspiel beim Aufsichtsrat sieht.

Verschwiegenheit bei Transferplänen: überschaubarer Fortschritt

Max Eberls Vorgänger Hasan Salihamidžić wurde oft vorgeworfen, dass zu viele Details über Transferpläne frühzeitig an die Öffentlichkeit gelangten. Man erwartete, dass Eberl dies diskreter handhaben würde. 

Und tatsächlich glückten Eberl und seinem Team einige Achtungserfolge. Die Transfers von Itō und Olise wurden relativ schnell abgewickelt und die Gerüchte entstanden erst, als die Transfers weit fortgeschritten waren.  

Demgegenüber stehen Namen wie Xavi Simons, Désiré Doué und Jonathan Tah. Bayerns Interesse an diesen Spielern sickerte früh und kaum dementiert durch, obwohl Transfers letztlich nicht zustande kamen. Ähnlich sah es bei Verkaufskandidaten wie Noussair Mazraoui und Matthijs de Ligt sowie Kingsley Coman oder Leon Goretzka aus. 

Nun ist der FC Bayern 2024 in gewisser Weise nicht nur Fußballclub, sondern auch Medienunternehmen. Der FC Bayern lebt auch von der Berichterstattung über den FC Bayern. Denn genau für diese Berichterstattung und die damit verbundene Reichweite zahlen ihm viele Partner hohe Sponsoringbeträge. 

Solange Transfergerüchte für vielgeklickte Berichte sorgen, solange wird der FC Bayern ein Interesse an Berichterstattung zu Bayern-Transfers haben. Vielleicht wäre es an der Zeit, das zu akzeptieren, statt mehr Diskretion anzukündigen.

Neuzugänge: Reicht das für die Ziele?

Ein enttäuschendes sportliches Abschneiden hinter sich und mit dem “Champions League”-Finale 2025 in München, dem Finale dahoam 2.0, die größtmögliche Karotte vor der Nase: Die Marschrichtung des FC Bayern sollte klar sein. Im Vorjahr hatte AG-Vorstand Jan-Christian Dreesen den Kane-Transfer als “ein bisschen All-in” bezeichnet. Würde 2024/25 das richtige All-in kommen?

Mit Blick auf die sportlichen Probleme der jüngeren Vergangenheit kombiniert mit der seltenen Chance auf den Heim-Triumph in der Champions League – es wäre der erste seit Inter Mailands Triumph im San Siro 1965 und der erste für den FC Bayern überhaupt – sprachen die Vorzeichen für einen bayerischen Großangriff auf dem Transfermarkt. 

Er blieb aus. Unterm Strich sind Olise, Palhinha, Itō sowie Leih-Rückkehrer Josip Stanišić neu im Kader, während de Ligt, Mazraoui und Eric Maxim Choupo-Moting den Verein verlassen haben. Mazraouis Abgang macht die Rechtsverteidiger-Position zu einer potenziellen Baustelle, und de Ligts Abgang trägt zunächst nicht zur Stabilisierung der anfälligen Defensive bei

Itō und Stanišić bringen flexible Optionen für die Defensive, Palhinha hat das Potenzial, ein wichtiges Puzzlestück zu werden, und Olise hat bereits angedeutet, dass er ein Unterschiedsspieler werden kann. In Summe wirkt der Kader verstärkt, leicht verstärkt. Ob die Verstärkungen für die großen Ziele reichen, bleibt abzuwarten. 

Umbruch bisher sehr sanft

Max Eberl ist nicht nur mit dem Plan angetreten, den Kader in der Spitze bereit fürs Finale dahoam zu machen, er sollte auch einen größeren, vielleicht seit einigen Jahren überfälligen Umbruch einleiten. So hieß es teils direkt von Eberl, teils in den Medien

Ein größerer Umbruch lässt sich nicht in einer Transferperiode umsetzen, das hatte Eberl auch klar gesagt. Aber gemessen an den geweckten Erwartungen kann der Transfersommer 2024 kaum als erfolgreicher Auftakt zum Kaderumbruch gesehen werden. 

So wurde die Gruppe der 1995 und 1996 geborenen Spieler als Abgangskandidaten ausgemacht: Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Serge Gnabry, Leroy Sané und Kingsley Coman. Alle stehen kurz vor der Vollendung des 30. Lebensjahres und sind damit dem Karriereende näher als dem Karrierebeginn. Keiner der fünf wurde verkauft. 

Nun hatten diese fünf Spieler kein Interesse an einem Vereinswechsel, insofern waren Eberl ein Stück weit die Hände gebunden. Aber Spielraum hat ein Verein dennoch, und sei es mit Mitteln wie Abfindungen, niedrigen Ablösesummen oder Beteiligungen der Spieler an der Ablöse. Umbrüche sind oft schmerzhaft und teuer. Max Eberl scheute diese Trennungsschmerzen.

Strategisches Dilemma: zwischen Umbruch und „Last Dance“

Einerseits ein All-in, einen Last Dance fürs Finale dahoam, andererseits ein harter Umbruch? Es sind kaum miteinander vereinbare strategische Richtungsentscheidungen. Wer von Max Eberl beides fordert, fordert die Quadratur des Kreises.

Beide Ansätze wären plausibel: Thomas Müller, Manuel Neuer, Harry Kane und die genannten 95er/96er-Jahrgänge werden nicht mehr viele Chancen auf einen Champions-League-Sieg haben. Es wäre nachvollziehbar gewesen, hier anzusetzen und mit drei, vier Investitionen in die Spitze den Kader entsprechend aufzustellen. Ein erfolgreiches All-in wäre auch der perfekte Schlussakkord, bevor sich die langjährigen Vereinslenker Rummenigge und Hoeneß endgültig an den Comer See und Tegernsee zurückziehen. 

Auch der angekündigte große Umbruch wäre nachvollziehbar. Man kann durchaus argumentieren, dass der Kader seit dem Sextupel 2020 sukzessive schwächer wurde und große Veränderungen und ein Neuaufbau nötig sind. Veränderungen, die Zeit brauchen würden. Und eine Rückendeckung und entsprechende Kommunikation. Die oben erwähnten harten Einschnitte für einen Umbruch, gleichzeitig die klare Ausrichtung auf eine Zukunft rund um Eckpfeiler wie Jamal Musiala, wären mögliche Elemente gewesen.

Max Eberl aber versucht sich bisher an genau dem unmöglichen Spagat zwischen Last Dance und Umbruch. Eberl hat es vermieden, hier eine Richtungsentscheidung zu treffen und Farbe zu bekennen. Eberls Weg ist kommunikativ der einfache Weg, er muss niemandem auf die Füße treten. Für die Zukunft des FC Bayern ist es ein gefährlicher Spagat. 

Verträge von Davies, Kimmich, Sané und Musiala: Die Uhr tickt

Am 30. Juni 2025 laufen die Verträge von Alphonso Davies, Joshua Kimmich und Leroy Sané aus, ein Jahr später der von Jamal Musiala. Die vier Spieler zusammen haben laut “Transfermarkt” einen geschätzten Marktwert von 300 Millionen Euro. Ihre auslaufenden Verträge bedeuten ein finanzielles und sportliches Risiko für den FC Bayern.

Spieler ablösefrei zu verlieren, gehört im Fußball dazu. Der FC Bayern profitiert auch von ablösefreien Neuzugängen. In jüngerer Vergangenheit wechselten etwa Konrad Laimer, Raphaël Guerreiro und Noussair Mazraoui ablösefrei zum FC Bayern. Gleich vom ablösefreien Verlust vier so wertvoller Spieler bedroht zu sein, ist jedoch eine Situation, in die sich Top-Vereine nur selten manövrieren. 

Insbesondere die Vertragslaufzeit Musialas fällt im Vergleich anderer Weltstars auf. Von den fünfzehn wertvollsten Fußballern haben bis auf Musiala und Lamine Yamal alle eine Laufzeit bis mindestens 2027. Als Minderjähriger durfte Yamal bisher noch keinen langfristigen Vertrag abschließen. Bei Musiala gibt es für den FC Bayern keine Ausreden. 

Dass die Verträge nicht frühzeitig verlängert wurden, ist nicht Eberls Schuld. Das Versäumnis geht mindestens bis zur übergangsweise arbeitenden Transferkommission zurück, wenn nicht noch länger. Und doch ist es eine der wichtigsten Aufgaben von Max Eberl, wenn nicht die wichtigste. In den ersten sechs Monaten ist es ihm nicht gelungen, einen der vier Verträge zu verlängern oder einen der Spieler für ein adäquates Schmerzensgeld zu veräußern. 

Fazit und Ausblick

Max Eberl ist angekommen beim FC Bayern. Die Säbener Straße ist nach einer turbulenten Phase dabei, zur Ruhe zu kommen. Der Verein wirkt strukturell gut aufgestellt, und Eberl scheint das Team hinter den Kulissen weiter zu stabilisieren. Sportlich läuft es. Die öffentliche Wahrnehmung von Max Eberl in seiner neuen Rolle als Sportvorstand ist positiv. Dafür gebührt Max Eberl Anerkennung. 

Doch noch ist nicht alles Gold, was Eberl beim FC Bayern angefasst hat. Die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat und vor allem die Kommunikation darüber wird sich einpendeln. Der Umbruch dauert vielleicht etwas länger und die Chance auf den Finalsieg dahoam ist vielleicht 5% niedriger als wäre der FC Bayern all-in gegangen.

Die bisherigen Probleme sind lösbar, sodass die kritische Betrachtung von Eberls ersten 150 Tagen weniger als Generalkritik zu verstehen ist, sondern vielmehr als ein Zwischenfazit.

Max Eberl muss sich der Baustellen annehmen, dann wird das Ganzjahreszeugnis besser ausfallen. Er sollte mit der Musiala-Verlängerung beginnen.  

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