EM-Blog Tag 26: Mon dieu, la France & gracias, España

Katrin Trenner 10.07.2024

Spätestens seit der Debatte um den Wolfsgruß und die darauffolgende Sperre des türkischen Spielers Merih Demiral sowie der Solidaritätsbesuch von Erdogan in Berlin zum Spiel der Türkei gegen die Niederlande wird wohl auch den letzten Zweifler*innen klar gewesen sein: Fußball und Politik sind untrennbar miteinander verbunden. Diese EM ist da keine Ausnahme.

Mbappé vs. Le Pen

Auch die französischen Spieler, allen voran Kylian Mbappé, aber auch Marcus Thuram, Ousmane Dembélé und Jules Koundé hatten sich bereits zu Beginn des Turniers politisch geäußert und klar Stellung gegen Rechts bezogen, denn in Frankreich fanden jüngst die Neuwahlen statt, die Präsident Macron nach dem Erfolg der Ressemblement National bei der Europawahl einberufen hatte.

Fußballer*innen, die sich politisch äußern, werden oft belächelt oder mit einem Augenrollen und Kommentaren wie “konzentriert euch lieber aufs Fußballspielen” abgefertigt (Leon Goretzka kann ein Lied davon singen), was natürlich lächerlich ist, denn a) wieso sollten Fußballspieler*innen keine politische Meinung haben und b) werden sie oft genug bei Pressekonferenzen nach eben dieser gefragt. 

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Während viele Athlet*innen eher zurückhaltend sind, wenn es darum geht, sich zu gesellschaftspolitischen Themen zu äußern, ist es für andere wiederum wichtig, ihre Plattform und Reichweite zu nutzen, um auf bestimmte Situationen aufmerksam zu machen. Kylian Mbappé ist der größte Star in der französischen Nationalmannschaft und hat seinen Status dazu genutzt, einen Appell an die vor allem jüngere Generation in Frankreich zu richten. Es sei „dringend notwendig, nach den katastrophalen Ergebnissen“ des ersten Wahlgangs wählen zu gehen, sagte Mbappé, man könne das Land „nicht in die Hände dieser Leute legen“.

Der Rechtsruck im eigenen Land war offensichtlich ein Dauerthema in der französischen Nationalmannschaft; das ging auch nicht an Marine Le Pen nicht vorbei, die in einem CNN-Interview Mbappé angriff und konterte, die Franzosen und Französinnen hätten es satt, „sich Moralpredigten und Wahlanweisungen geben zu lassen“.

Nach dem zweiten Wahlgang am vergangenen Sonntag, in dem die drohende Gefahr eines Wahlsieges der Rechten noch einmal abgewendet werden konnte, vermutet man anderes. Die Erleichterung in der französischen Nationalmannschaft war groß. Wie groß ihr Einfluss tatsächlich war, lässt sich wohl kaum feststellen, aber wer gewinnt, hat Recht. Das ist nicht nur im Fußball so, sondern auch in der Politik.

Spanien – Frankreich 2-1

„Wer uns langweilig findet, darf gerne ein anderes Spiel schauen“, war die Reaktion von Trainer Didier Deschamps auf Kritik an der französischen Nationalmannschaft und deren glanzlose, aber effektive Spielweise. Sehr witzig, Didier, was für ein Spiel soll ich mir denn heute sonst anschauen? Aber ich bin ja froh, dass ich es gesehen habe, denn es ging, zumindest in der ersten Halbzeit, ziemlich rund.

Spanien übernahm in gewohnter Manier sofort das Zepter, aber trotzdem waren es „Les Bleus“, die in der 9. Minute nach einem Kopfballtor von Kolo Muani (nach schöner Vorarbeit von Mbappé) in Führung gingen. Mon dieu, ein Tor aus dem Spiel heraus? Kaum zu glauben, aber wahr. Doch es dauerte nicht lange, und Spanien drehte das Spiel innerhalb von vier Minuten: Erst mit einem Traumtor von Wunderkind Lamine Yamal, dann mit einem (abgefälschten) Treffer von Deutschland (und Bayern)-Schreck Dani Olmo in der 21. und 25. Minute. Mit diesem Ergebnis ging es auch in die Pause.

In der zweiten Halbzeit plätscherte das Spiel mehr oder weniger aufregend vor sich hin, und da war es wieder, das Frankreich, das alle im Vorfeld so kritisiert hatten. Behäbig und ideenlos. Sie mussten jetzt liefern, man erwartete einen Ansturm auf das spanische Tor, doch auch wenn die Franzosen ein Chancen-Plus zu verzeichnen hatten, waren ihre Aktionen nicht zwingend genug.

Selbst in der eigentlichen heißen Phase, in den letzten zehn Minuten des Spiels, in denen es heißen müsste „alles oder nichts“, sahen die Franzosen in keinem Moment so aus, als würden sie sich den Hintern aufreißen, damit sie um jeden Preis ins Finale kommen. Am Ende blieb die zweite Halbzeit torlos, und Spanien setzte sich ohne große Gegenwehr der Franzosen mit 2-1 durch. Der schöne Fußball hat gesiegt.

Eigentlich ist es verwunderlich, dass Frankreich überhaupt so weit in diesem Turnier gekommen ist, und wenn der Fußballgott gerecht ist, dann wird er morgen auch endlich die Engländer nach Hause schicken.

Was sonst noch auffiel:

  • Tore, Tore, Tore: Es ist nicht nur eine EM mit extrem vielen Eigentoren, sondern auch eine mit noch nie so vielen Jokertoren: Insgesamt gab es schon 20 davon. Außerdem: Die Bundesliga wird ja gemeinhin als „Farmer’s League“ verspottet, aber vor den Halbfinalspielen stand fest: Die meisten Tore dieser EM erzielten Spieler, die in der Bundesliga kicken, nämlich 23.
  • Let it go: Bei jeder Ballberührung wurde der spanische Außenverteidiger Cucurella, dessen Handspiel im Halbfinale gegen Deutschland bekanntermaßen nicht zu einem Elfmeter geführt hatte, gnadenlos ausgepfiffen. (Ich nehme an, von den wenigen deutschen Fans, die sich in die Allianz Arena verirrt hatten?) Ich frage mich, warum? Was hätte er denn machen sollen? Zum Schiedsrichter gehen und sagen, „hey, hör mal, das war ein klarer Elfmeter für Deutschland, überprüfe das bitte“? Keinem Spieler – außer vielleicht Miroslav Klose – würde sowas im Traum einfallen. Ich finde das unsportlich und irgendwie peinlich. Zeigt einfach nur, dass wir schlechte Verlierer sind.
  • Touched by greatness: Scrollt man momentan durch das soziale Netzwerk seiner Wahl, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man früher oder später auf ein Foto stößt, das einen sehr jungen Lionel Messi mit einem Baby auf dem Arm zeigt. Wie sich herausgestellt hat, ist dieses Baby kein Geringerer als Lamine Yamal, der 16-jährige Starboy aus Spanien – der jüngste Spieler aller Zeiten, der je bei einer Europameisterschaft auf dem Feld stand. Das Foto, das von Yamals Vater auf Instagram mit dem Text „der Beginn zweier Legenden“ geteilt hatte. Entstanden ist das Bild im Jahr 2007 im Camp Nou in Barcelona. Damals posierten Spieler des FC Barcelona im Rahmen einer jährlichen Wohltätigkeitsaktion der Lokalzeitung Diario Sport und der UNICEF mit Kindern und ihren Familien für einen Kalender. Messi wurde mit der Familie von Yamal zusammengebracht. Damals hätte wohl noch niemand gedacht, dass Baby Yamal es ebenfalls in die Profimannschaft des FC Barcelona und so früh in die spanische Nationalmannschaft schaffen würde – ein großartiger Fund und ein großartiges Foto.
  • Christoph Kramer, Bestsellerautor?: In einem Interview mit dem SPIEGEL verrät Fußballer und Fernsehexperte Christoph Kramer, dass er sich einen Lebenstraum erfüllt und einen Roman geschrieben hat. In dem geht es aber nicht um Fußball, sondern um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens, die Liebe zum Beispiel. Christoph Kramer als großer Romanschreiber? Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, aber wenn er so unterhaltsam schreibt wie er im Fernsehen Spiele analysiert, dann sage ich mal: Ich würd’s mir kaufen.

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