Die Lage der Bundesliga – Teil 1

Tobi Trenner 20.01.2016

Die Diskussionen rund um die Qualität der Bundesliga wurden zuletzt immer lauter und häufiger. Wir haben zahlreiche Argumente gesehen, gelesen und gehört. Einige suchen die Schuld bei den Vereinen an der Spitze, die ihr eigenes Wachstum auf Kosten des gerechten Wettbewerbes beschleunigen. Besonders der FC Bayern ist hier eine häufig verwendete Zielscheibe. Wie ein Kannibale soll der Verein den Rest der Liga finanziell und folglich auch sportlich zerstören, um die eigenen Taschen noch weiter zu füllen.

Andere hingegen sagen, dass zu viele Vereine bereits aufgegeben haben und inzwischen lieber ein Leben im Mittelmaß akzeptieren als nach der Erfüllung ihres Potenzials zu streben.

Im Fußball wie fast überall im Leben regiert das Geld. Um die finanzielle Situation der Bundesliga zu bewerten, müssen wir interne wie externe Faktoren beachten. Gibt es in der Liga eine theoretische Chancengleichheit oder ist die Geldverteilung eine große Ungerechtigkeit? Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob die Bundesliga international wettbewerbsfähig ist. Leistet die DFL genug, um die Liga international attraktiv zu gestalten, was das Spielniveau anheben würde?

Es gibt drei Haupteinnahmequellen für Vereine, die nicht direkt, aber doch indirekt mit aktuellem Erfolg verbunden sind und somit auch hilfreiche Zahlen für einen genauen Vergleich darstellen.

Spieltagseinnahmen

Die erste Einnahmequelle sind die Einnahmen, die am Spieltag erzielt werden. Stark vereinfacht lässt es sich als die Einnahmen aus dem Ticketverkauf bezeichnen. Diesen Faktor kann die Liga nur bedingt beeinflussen. Sie kann die Vereine dazu auffordern oder anregen, in die Infrastruktur des Stadions zu investieren. Sie kann sogar die Attraktivität erhöhen, aber letztendlich wird dieser Faktor durch zahlreiche Dinge beeinflusst, einige davon auf der makroökonomischen Ebene.

Wie ist die Infrastruktur der Region? Wie wohlhabend sind die jeweiligen Fans (hier sollte man sie eher Kunden nennen), wie viele der jungen Menschen in der Region (die Zielgruppe) sind arbeitslos? Erlaubt die wirtschaftliche Situation riesige, fragwürdige Investitionen wie den Bau eines neuen Stadions? Welche Marke möchte der Verein darstellen, was für einen Ruf haben Verein und Liga? Wenn wir diese und noch viele weitere Fragen nehmen, daraus Angebot und Nachfrage basteln, dann erreichen wir irgendwann eine halbwegs plausible Erklärung für Ticketpreise und Zuschauerzahlen.

Das macht die Spieltagseinnahmen so seltsam und frustrierend. Sie sind meist stark abhängig von der Ligenzugehörigkeit, jedoch kann die Liga kaum Einfluss nehmen, abgesehen von einer guten Vermarktung. Vereine aus der Premier League können riesige Summen für Tickets verlangen, da die Nachfrage so stark ist, dass der Verlust einiger zahlungsschwacher Fans kaum auffällt. Man könnte sagen, dass man es in England geschafft hat sich das Publikum so zu erziehen, dass es weniger aktiv und loyal ist, aber dafür klaglos zahlt.

In Italien oder Spanien hat diese Umwandlung noch nicht stattgefunden. Aufgrund der unterschiedlichen volkswirtschaftlichen Voraussetzungen ist sie sogar weniger wahrscheinlich. Von den Zugpferden (Real Madrid, Barcelona, Juventus) abgesehen, ist eine Maximierung der Spieltagseinnahmen nahezu unmöglich. Italien ist hierfür das beste Beispiel: in der Saison 2013/14 war Juventus (84%) der einzige Verein der Serie A, der mehr als 70% der Tickets verkaufen konnte. Im Vergleich dazu verkaufte Burnley mit der schlechtesten Auslastung der Premier League 77% der Tickets.

Deutschland liegt hier in einer seltsamen Position in der Mitte. Die ökonomischen und strukturellen Faktoren sind ein großer Vorteil für deutsche Vereine – die Hälfte der Stadien wurde im 21. Jahrhundert gebaut – es gibt jedoch starke Proteste gegen Preiserhöhungen. Wie schon die zahlreichen Proteste und Aktionen gezeigt haben, ist für den deutschen Durchschnittsbürger der Besuch eines Bundesligaspiels ein Grundrecht, für welches gekämpft werden muss.

Sowohl absolute als auch prozentuale Zuschauerzahlen zeigen, dass die Nachfrage nach Bundesligatickets stark genug ist, um eine Preiserhöhung zu verkraften. Hier sind die durchschnittlichen Zuschauerzahlen für die Saison 2014/15:

  • Bundesliga – 43,579 (93.1% Auslastung)
  • Premier League – 36,056 (93.9% Auslastung)
  • La Liga – 26,792 (68.8% Auslastung)
  • Ligue 1 – 22,109 (67.6% Auslastung)
  • Serie A – 19,890 (48.3% Auslastung)

Hier wird deutlich, dass die Auslastung in Deutschland trotz der größeren Stadien so hoch ist wie in England. Jedoch gelingt es nicht, diesen Vorteil in Geld umzuwandeln, wie die vom Guardian in 2013 vorgenommene Preisanalyse zeigte. Im Durchschnitt kostete ein Bundesligaticket nur 40% des höchsten Durchschnitts – die günstigste Kategorie kostete in der BL im Schnitt nur 37% vom Preis der Premier League, die teuerste Kategorie nur 39% vom Preis der spanischen La Liga.

Selbstverständlich kommt hier eine wichtige Frage auf: Wären solch hohe Zuschauerzahlen auch mit Preisen möglich, die dem internationalen Durchschnitt entsprechen? Würden die Fans trotz Empörung ins Stadion gehen oder hat die Bundesliga den optimalen Preis gefunden, wo sämtliche Erhöhungen (von inflationären Anpassungen abgesehen) eine Massenflucht verursachen würden? Die vergangenen Jahre haben in England gezeigt, dass man Fans durchaus verlieren kann – trotz Vereinstreue wird Fußball irgendwann zum Luxusgut – man benötigt nur einen Ansturm neuer Kunden, die auch höhere Preise zahlen wollen. Gibt es diese Bereitschaft in der Bundesliga? Das ist eine Frage für die echten Volkswirte.

Ein volles Stadion, aber billige Tickets – deshalb sind die deutschen Spieltagseinnahmen durchschnittlich bis akzeptabel. Zum Beispiel sind Dortmunds „Einnahmen pro Ticket“ eher auf dem Niveau von Milan als von Juventus. Dortmund verkauft nur einfach viel mehr Tickets. Hier sind die Zahlen für die 20 reichsten Vereine Europas (2014), veröffentlicht von Deloitte:

Matchday RevenueDie Bundesligavereine (rot markiert) sind bei den Ticketeinnahmen genau im Mittelmaß.

Die drei deutschen Vertreter sind eher durchschnittlich. Bayern hängen ca. 25 Mio. €, also etwa ein Viertel hinter den vier Giganten dieser Kategorie, obwohl in 2013/14 der Zuschauerschnitt mit 71.008 und die Auslastung mit 100% ausgezeichnet waren. Dortmund, regelmäßig einer der führenden Vereine Europas in Sachen Zuschauer (80.361 pro Spiel in 2013/14), nimmt lediglich die Hälfte der Führenden ein und wird sogar von Manchester City und PSG überboten, die im Vergleich mit dem BVB nur 65% bzw. 63% der Tickets verkauften. Mit höheren Ticketpreisen könnte diese Kategorie von deutschen Vereinen dominiert werden. Gebremst werden sie vor allem von Tradition oder der fehlenden Geldgier.

Innerhalb der Liga ist es nur schwer möglich, eine weitere Chancengleichheit sicherzustellen. Der Besuch eines Spieles von Bayern oder Dortmund kostet nicht mehr als ein Ticket in Hannover. Wenn man dabei beachtet, welch eine Nachfrage es für bestimmte Tickets gibt, dann erscheint einem dies fast als Wahnsinn. Der Kampf um eine Karte für die Dortmunder Südtribüne oder die Münchner Südkurve gleicht einem Bürgerkrieg, und dennoch kostet ein solches Ticket immer noch nicht mehr als ein Platz im Berliner Olympiastadion, der dank Einsamkeit unerwartete Beinfreiheit bietet.

Wer erhält welche Summen von Sponsoren, wo setzt sich der FCB vom Rest der Liga ab? Mehr zum Thema auf Seite 2!