4:2 Debakel in Bochum.

Georg Trenner 12.02.2022

Nur scheinbar. Denn der VFL, der bei der deutlichen Niederlage in der Allianz Arena noch wie ein designierter Absteiger wirkte, hat sich seitdem zu einem grundsoliden Bundesligisten entwickelt und sich ins Mittelfeld der Tabelle hochgearbeitet. 

Mit dem heutigen Spiel und der klaren Niederlage war dennoch nicht ansatzweise zu rechnen. Mit 4:2 schickt der VFL Bochum den FC Bayern zurück an die Isar. 

Falls Ihr es verpasst habt

Aufstellungen

Die Gastgeber wechselten im Vergleich zum Spiel gegen die Hertha auf vier Positionen. Für den an Corona erkrankten Manuel Riemann rückte Michael Esser zwischen die Pfosten. Außerdem standen Anthony Losilla, Patrick Osterhage und Christopher Antwi-Adjei für Robert Tesche, Takuma Asano und den Ex-Münchner Miloš Pantović neu in der Startelf. Mit Antwi-Adjei und Holtmann auf außen setzte Trainer Thomas Reis auf schnelle und dribbelstarke Außenstürmer – ein klares Vorzeichen seines Matchplans.

Auch Bayerntrainer Julian Nagelsmann musste auf seinen Stammkeeper verzichten und schickte sein Team in einem 4-1-4-1 auf den Platz. Benjamin Pavard, Niklas Süle, Dayot Upamecano und Lucas Hernández bildeten eine Viererkette vor Schlussmann Sven Ulreich. Eine Reaktion auf die Neuer-Verletzung?

Vor der Abwehr besetzte einzig Joshua Kimmich den Sechserraum hinter Thomas Müller und Leroy Sané, während Serge Gnabry, Kingsley Coman und Robert Lewandowski die Offensive komplettierten. Der zuletzt formstarke Corentin Tolisso nahm zunächst auf der Bank Platz. 

1. Halbzeit

Der VFL begann mutig und lief die Bayern-Verteidiger und Ulreich aggressiv an. Das frühe Pressing führte zu einigen kleineren Chancen der Bochumer in den ersten fünf Minuten – und zu vielen Befreiungsschlägen auf Seiten der Bayern. 

Entgegen des Spielverlaufs waren es dann aber doch die Gäste, die in der neunten Minute Führung gingen. Ausgehend von einem in der eigenen Hälfte getretenen Kimmich-Freistoß konnte Bochum den Ball nicht klären, Müller spielte zu Coman und dessen Flanke verwandelte Robert Lewandowski, der den Ball mit unnachahmlicher Ball- und Körperbeherrschung an Esser vorbei spitzelte. 

Der VFL ließ sich von dem Rückstand nicht entmutigen. Nur fünf Minuten später kamen sie nach einem Spielzug nach Plan zum Ausgleich. Locadia passte zu Holtmann in Pavards Rücken, der unbedrängt in die Mitte zu Antwi-Adjei passen konnte, der ebenfalls mit viel Platz den Ball annehmen und an Süle vorbei im Eck platzieren konnte. In der Entstehung des Tores konnten Kimmich und Upamecano Locadia nicht am Pass zu Holtmann hindern.

Zehn verrückte Minuten vor Ende der Halbzeit machten aus dem 1:1 ein 4:1 für den VFL Bochum. Zunächst wehrte Upamecano eine Flanke an der Strafraumgrenze per Hand ab – Locadia verwandelte den Elfmeter (38.). 

Danach gelangen den Bochumern zwei Traumtore. Cristian Gamboa traf von halbrechts nach Hacke und Tunnel in den linken Winkel und Gerrit Holtmann vollendete von halblinks per Schlenzer in den rechten Winkel. 

4:1. Eine Halbzeit, wie die Bayern sie lange nicht erlebten. 

2. Halbzeit

Julian Nagelsmann brachte Tolisso für Upamecano und stellte auf Dreierkette um. 

Wer mit einer Aufholjagd der Bayern rechnete, wurde getäuscht. Erneut hatte Bochum gute Chancen zu Beginn der Halbzeit – und der FC Bayern Glück, dass gleich zwei potentielle Bochumer Treffer wegen knapper Abseitsentscheidungen nicht zählten. 

In der Folge war den Bayern der Willen zu einer Aufholjagd deutlich anzumerken. Sie verschafften sich ein optisches Übergewicht und schafften es, die Bochumer immer weiter nach hinten zu drücken, der Anschlusstreffer wollte jedoch nicht fallen. 

Erneut bedurfte es einer Standardsituation, um zu treffen. In der 75. Minute köpfte der Bochumer Osterhage einen Freistoß von Kimmich genau vor die Füße von Lewandowski, der direkt zum 2:4 abschloss.

Mit den Wechseln von Eric Maxim Choupo-Moting für Thomas Müller (64.) und Marcel Sabitzer für Kingsley Coman (75.) versuchte Julian Nagelsmann noch einmal, personelle Impulse zu setzen, an der Niederlagen konnten die beiden jedoch nichts mehr ändern.

So blieb es nach 93 Minuten beim verdienten Sieg für den VFL Bochum.

Dinge, die auffielen

1. Süle, Salzburg, Stromausfall?

Verschiedene Dinge mögen den Bayern im Vorfeld der Partei durch den Kopf gegangen sein. Vom viel diskutierten Wechsel Süles zum Rivalen nach Dortmund über die anstehende K.O.-Runde in der Champions League bis zum Stromausfall im Bochumer Stadion kurz vor Anpfiff. 

Eine Erklärung für diesen Auftritt können sie nicht sein. Das Spiel der Bayern war von Beginn an gekennzeichnet durch viele Ballverluste im Aufbau. Teils durch gutes Bochumer Pressing erzwungen, oft aber durch einfache Fehler oder Missverständnisse. Die Fehler und Missverständnisse zogen sich dabei quer durch die Mannschaft. 

Neben den individuellen Fehlern fehlte es an einer Idee, Abwehr und Sturmreihe zu verbinden. Müller und Sané ließen sich fallen, die Außenverteidiger rückten nach innen neben Kimmich – wenn auch nicht mehr so radikal, wie zu Saisonbeginn – aber nichts davon half. Die  Abwehrreihe und die fünf Offensivspieler waren voneinander isoliert. So blieben als Mittel im eigenen Spielaufbau nur vertikale Bälle, die der VFL jedoch einfach verteidigen konnte, und Ballgewinne, von denen es in aussichtsreichen Positionen zu wenige gab.

2. Defensive Probleme

Die heutige Niederlage markiert die zweite Niederlage im fünften Spiel im Jahr 2022 und insgesamt die vierte Saisonniederlage im 22. Bundesligaspiel. Dazu kommt die weitere Klatsche im Pokal gegen Mönchengladbach. 

Erstmals seit 1976 kassieren die Bayern vier Gegentore in der ersten Halbzeit und damit nun neun Gegentore in fünf Spielen 2022. 

Es knarzt beim FC Bayern. Die Niederlage war eine bezeichnende im letzten Spiel mit Klub-Weltmeister-Wappen auf der Brust. Denn aktuell wirkt der FC Bayern nicht mehr wie ebendieser. 

Während die Offensive insgesamt weiterhin beeindruckt – selbst heute gelangen nicht zuletzt dank der individuellen Klasse zwei Tore -, wartet Arbeit auf Nagelsmann. Er muss die Defensive stabilisieren. Viel zu einfach war es heute für die Bochumer, immer wieder mit den gleichen Mitteln über die schnellen Holtmann und Antwi-Adjei im Rücken der Bayernabwehr durchzubrechen oder Pavard und Hernández schlicht zu überlaufen.

3. Quo vadis FC Bayern 2022?

Gelingt es Nagelsmann nicht, die Defensive zu stabilisieren, werden spätestens die Spiele gegen die großen Gegner in der Champions League zum Vabanquespiel. 

Wobei auch und gerade die konterstarken Salzburger mit einer solchen Leistung nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten. 

Die Reaktion in der Champions League wird spannend. Eine Bewährungsprobe für Trainer und Team.

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