1:3 im „Finale“ – FC Bayern München gibt die Meisterschaft aus der Hand
Die Aufstellung
Zum wohl entscheidenden Meisterschaftsspiel überraschte Thomas Tuchel nicht beim gewählten Personal, wohl allerdings mit einer personellen Umstellung. Leon Goretzka rückte zurück in die Elf, Musiala war nun wieder dezidiert der Zehner in Tuchels 4-2-3-1. Vor ihm stürmte jedoch nicht Serge Gnabry, sondern Thomas Müller, Gnabry kam über links.
Die Leipziger mussten auf Timo Werner verzichten, an Nkunkus Seite startete der physisch präsentere Silva.
1. Halbzeit
Von Beginn an waren die Rollen klar verteilt: Der FC Bayern musste gewinnen und drückte auf die Führung, RaBa Leipzig mochte den BVB zwar vielleicht nicht ausstehen, doch die Vorstellung eines anderen Meisters gefiel ihnen offenbar. Schon in den Anfangsminuten kam es zu ersten zaghaften Zeitspielversuchen.
Motor der allermeisten Angriffe zu diesem frühen Zeitpunkt der Partie war Joao Cancelo, der über links kommend praktisch jeden Zweikampf gewann und eine präzise Flanke nach der anderen ins Zentrum brachte. Nur logisch, dass er auch seine Aktien am Führungstor hatte. Über den Portugiesen kam der Ball auf Müller, der den freien Gnabry mitnahm. Der nach innen ziehende Außenstürmer ging diagonal noch ein paar Meter, ehe er satt, aber völlig beabsichtigt mit dem Vollspann die Kugel an den Innenpfosten und von dort ins Tor rammte (25.).
Offensiv erwachte das Tor den Pokalfinalisten aus dessen Dornröschenschlaf. Innerhalb knapp 120 Sekunden musste Yann Sommer dreimal entscheidend abwehren. Bayern wurde passiver, es blieb beim 1:0.
2. Halbzeit
Die Bayern wechselten nicht zur Halbzeit. Leipzig legte fortan noch eine Schippe drauf, wurde aktiver, kam jedoch nicht mehr zu den Abschlüssen aus Halbzeit eins.
In der 65. Minute änderte sich das. Auf eine Ecke Kimmichs folgte ein Konter Leipzigs, an deren Ende am Ende vier Leipziger auf einen einsamen Cancelo mit Vollsprint zurannten. Ausgerechnet Neu-Bayer Konrad Laimer egalisierte für Leipzig.
In dieser Phase verlor der FC Bayern vollständig den Kopf und die Meisterschaft. Schon vor Leipzigs Treffer spielten die Münchener kaum auf ein zweites Tor, das rächte sich nun umso mehr, denn Leipzig machte es: Pavard stellte 16 Meter vor dem Tor Nkunku das Bein, Aytekin entschied berechtigt auf Strafstoß. Der Gefoulte blieb cool (74.).
Sané und Gravenberch, wenig später auch Tel kamen für Gnabry, Goretzka und Coman.
Doch der FC Bayern stand nicht wieder auf. Nein, es kam noch schlimmer: Nach einer Ecke spielte Mazraoui den Ball mit der Hand, erneut gab es Elfmeter, diesmal verwandelte Szoboszlai (85.). Tuchel warf noch mal Upamecano und Mané für die beiden Außenverteidiger, doch die Messe war gelesen. Der FC Bayern verlor das Spiel und die Meisterschaft.
Dinge, die auffielen
1. Die Meisterschaft aus der Hand gegeben
30 Minuten lang schwebte der FC Bayern über den Dingen. Man hatte einen Auftrag zu erledigen und das spürte jeder im Stadion auch. Der Herr des Hauses war rot. Oder Weiß. Oder Weiß-Rot mit komischem Schriftzug. Jedenfalls kam er aus München und nicht Leipzig.
Doch dann passierte merkwürdiges. Mit Führungstor im Rücken wurde der FC Bayern immer passiver. Leipzigs Chancen vor Halbzeitwechsel rüttelte den Noch-Meister nicht auf, es bestärkte ihn scheinbar in seiner Passivität.
Natürlich gibt es auch fußballerische Gründe für das Ganze. Der FC Bayern kam gar nicht mehr durch das Pressing durch. Spielte in den ersten 45 Minuten noch Cancelo alle schwindelig, wurde das Problem durch Benjamin Henrichs weitgehend gelöst.
Nicht zum ersten Mal in der Saison muss sich der FC Bayern die Frage stellen, ob er derzeit über genügend spielerischer Klasse verfügt. Goretzka brillierte in den ersten 30 Minuten mit toller Kampf- und Sprintleistung, baute allerdings mit zunehmender Spieldauer immer mehr ab. Gerade spielerisch gelang ihm am Ende gar nichts mehr.
“Sie haben es nicht gewollt” ist eine verhasste Floskel, die nichts mit der Realität auf dem Fußballfeld zu tun hat. Auch in diesem Spiel konnte man den Spielern nicht die Willenskraft absprechen, wohlan jedoch den Angriffswillen.
Speziell nach dem Seitenwechsel wirkte die Mannschaft doch all zufrieden mit der knappen Führung, der Ausbau dieser schien ihnen nicht nötig. Dabei hatte man Leipzig und mehr noch, die deutsche Meisterschaft nach 30 Minuten am Haken. Das Spiel entglitt ihnen fortan nicht, viel mehr gab man es bewusst mit deplatzierter Selbstzufriedenheit her, ehe sie nicht mehr zu retten war.
2. Glückwunsch nach Dortmund
Der FC Bayern wird sich nun an den allerletzten Strohhalm binden und beschwören, man werde bis zur letzten Sekunde kämpfen, doch ist dies ein fehlgeleitetes Unterfangen. Gewiss muss man das in gewisser Weise auch tun, doch Hoffnung ist eine Illusion. Sollte der BVB gegen die biederen Augsburger morgen wie erwartet siegen, ist der Meisterschaftskampf entschieden. Nächste Woche spielen sie gegen den FSV Mainz 05 und die wiederum höchstwahrscheinlich um die goldene Ananas.
Seit Wochen lief alles darauf hinaus, dass die Meisterschaft im Duell mit Leipzig entschieden wird. Der FC Bayern hat dieses Finale verloren. Zum ersten Mal seit 2012 wird man gänzlich ohne Titel bleiben.
Ich nehme an dieser Stelle die nächsten sieben Tage vorweg und sage ganz ernst gemeint: Glückwunsch nach Dortmund. Und vielleicht auch ein wenig Glückwunsch an den Rest der Republik, ein neuer Meister wird dem Land und womöglich sogar dem FC Bayern wahrscheinlich ganz gut tun.