FC Bayern – Bayer Leverkusen 3:0 (1:0)
Falls ihr es verpasst habt:
Bei den Münchnern stellte sich nach der Verletzung von Benatia und der Sperre von Boateng (jeweils aus dem Spiel gegen Hoffenheim) die Frage, wie Bayern-Coach Pep Guardiola seine Abwehr formieren würde. Mit dem wechselwilligen Dante begann der einzige etatmäßige Innenverteidiger im Kader auf der Bank. Neben ihm nahm Amateure-Verteidiger Philipp Steinhart als weitere Absicherung Platz. Bernat und Thiago rückten erstmals in dieser Saison in die Startelf. Thiago begann im zentralen Mittelfeld. Bernat neben Alaba und Lahm in einer ziemlich spektakulären Mischung aus Dreier- und Viererkette, die von Alonso unterstützt wurde.
Guardiola setzte auf eine Mischung aus Dreier- und Viererkette.
Leverkusen reiste nach der überzeugenden Qualifikation für die Champions League gegen Lazio Rom unter der Woche mit viel Schwung nach München. Leverkusens Coach Roger Schmidt, der noch auf Neuzugang Kevin Kampl verzichten musste, setzte auf die gleiche Startformation wie unter der Woche. Mehmedi erhielt so erneut den Vorzug vor Julian Brandt.
Die erste Chance im Spiel entstand aus einem schnell ausgeführten Freistoß von Thomas Müller, der Robben schickte. Thiago schoss den Querpass des Niederländers aus 18 Metern knapp über die Latte (11.). In der darauffolgenden Viertelstunde entwickelte sich ein temporeiches Kräftemessen ohne große Torszenen. Erneut war es Douglas Costa, der mit einer sehenswerten Einzelaktion den Bann brach. Der Brasilianer spielte sich nach einem Diagonalball des erneut sehr starken Alonso an Roberto Hilbert vorbei und bediente in der Mitte mustergültig Thomas Müller, der nur noch einschieben musste (26.). Die Führung hatte sich zu diesem Zeitpunkt nicht gerade abgezeichnet, war aber auch nicht unverdient. Kurz darauf hätte Costa beinahe auf 2:0 erhöht, als er nach einem sehenswerten Konter und einer Hereingabe von Robben nur die Latte traf.
Auf der Gegenseite ermöglichte Vidal dem brandgefährlichen Calhanoglu eine Freistoß-Situation. Der türkische Nationalspieler hämmerte den Ball an die Latte (36.). Bis zur Pause passierte danach nichts mehr.
In der Halbzeit brachte Schmidt Brandt für den schwachen Mehmedi (nur 12 Ballaktionen). Der Youngster brachte direkt Bewegung in die Partie und spielte Kießling frei, der aus spitzem Winkel an Neuer scheiterte. Bayern brauchte fünf Minuten, um wieder Tempo aufzunehmen. Robben und Lewandowski konnten zwei gute Chancen jedoch nicht nutzen (52., 54.). Kurze Zeit später dann die Vorentscheidung: Hilbert schubste nach einem Alonso-Freistoß Vidal ziemlich plump im Strafraum und Schiedsrichter Meyer zeigte folgerichtig auf den Punkt. Wie so häufig war es Müller, der mit seinem sicheren Strafstoß auf 2:0 erhöhte (60.).
Die Moral der Leverkusener war damit gebrochen. Auch das kräftezehrende Spiel unter der Woche kam jetzt eindeutig zur Geltung. Bayern hatte ab der 60. Minute wenig Mühe und spielte seinen Stiefel sehr souverän herunter. Vor allem Robben (7 erfolgreiche Dribblings) nutzte die zusätzlichen Freiheiten für die ein oder andere gefährliche Aktion. Weil Hilbert bei einer Flanke den Ball sehr ungeschickt mit der Hand spielte, gab es in der 71. Minute erneut Elfmeter. Robben schnappte sich dieses Mal den Ball und verwandelte wie Müller zuvor eiskalt. 3:0.
Kurz danach brachte Guardiola Dante (bei dem irgendwie alles nach Abschied aussieht) und ermöglichte so wohl einen letzten Einsatz im Bayern-Trikot. Bayern hätte durchaus noch auf 4:0 erhöhen können, Keeper Leno parierte jedoch zwei Mal stark.
Am Ende war es ein beeindruckender Sieg der Münchner gegen einen über 60 Minuten sehr, sehr starken Gegner. Die Guardiola-Elf belohnte sich für eine enorm disziplinierte und konzentrierte Vorstellung, die die Personalprobleme in der Defensive zu einem Randthema werden ließ. Neun Punkte aus drei Spielen – mehr geht für den Moment nicht.
3 Dinge, die auffielen:
1. Guardiolas Kalkül geht auf
Es war schon ein spektakuläres Experiment, das Pep Guardiola gegen Bayer Leverkusen wagte. Wohl zum ersten Mal in der Geschichte des FC Bayern begannen die Münchner ohne gelernten Innenverteidiger. Auf dem Feld sah die Aufteilung so aus: Bernat und Lahm bildeten zusammen mit Alaba als zentralem Verteidiger eine Dreierkette. Xabi Alonso positionierte sich leicht vorgerückt im 6er-Raum und kippte bei Bedarf (vor allem bei langen Leverkusener Bällen und auch immer wieder im Spielaufbau) ab, um eine Viererkette zu bilden.
Dieses Wechselspiel verlangte den Defensivakteuren eine enorme Konzentrationsleistung ab, da sie immer wieder, je nach Situation, zusammen- oder auseinander rücken mussten. Vor allem Lahm und Alonso waren hier als Partner gefordert. Wie gut dieses Wechselspiel funktionierte, unterstreicht die herausragende Spielintelligenz der beiden Routiniers. Wenn Alonso abkippte orientierte sich Defensiv-Freigeist Vidal zudem direkt auf die 6er-Position und übernahm seinerseits den Raum von Alonso. Es war in der Tat spektakulär mit anzusehen.
Guardiolas Kalkül auf eine so spielstarke Defensive zu setzen, ging insofern auf, als dass Leverkusens Pressing zwar jederzeit unangenehm war, aber keine (tor)gefährliche Wirkung entfaltete. Unkontrollierte lange Bälle waren selten. Ballverluste in der eigenen Hälfte noch seltener. Lediglich Bernat hatte in der Anfangsphase zwei kleinere Wackler. Bayern bemühte sich, die Kugel gerade nach Ballgewinn sehr schnell auf die beiden Flügelpositionen zu bringen, um mögliche Eins-gegen-Eins-Situationen (Costa vs. Hilbert/Robben vs. Wendell) zu provozieren. Gelang dies nicht direkt, störte insbesondere Alonso durch seine Pendelbewegungen das Leverkusener Pressingsystem und machte es so immer wieder möglich, dass die erste Welle des Gegenpressings ausgespielt werden konnte. Gelang dies, wurde es ohnehin leichter, da Leverkusen den Druck in der Folge ein wenig verringerte.
Deutlich war Bayerns Unterlegenheit im Kopfballspiel, die Guardiola aber offenbar in Kauf nahm. Leverkusen gewann 24 der 38 direkten Duelle. Allein Kießling kam in der Luft 8 Mal an den Ball – immer im Bereich zwischen Strafraum und Mittelkreis. Auffällig war jedoch, wie die Münchner den Raum um Kießling herum bei einem hohen Ball direkt zustellten, um Weiterleitungen oder die Eroberung von zweiten Bällen zu verhindern. So blieb Bayers Luftüberlegenheit wirkungslos. Auch hier zeigte sich die einmal mehr exakte Vorbereitung der Mannschaft auf das Spiel.
Trotz des sehr positiven Eindrucks des Leverkusen-Spiels wird Guardiola in Zukunft sicher nicht auf Jerome Boateng verzichten, wenn dieser zur Verfügung steht. Seine individuelle Qualität im Zweikampf ist zu herausragend, um auf sie zu verzichten. Gleichzeitig ist sein Aufbauspiel so gut, dass es im Vergleich zur Aufstellung vom Samstag-Abend keinen Qualitätsverlust gäbe. Möglich ist aber, dass sich der Trend zu nur einem echten Innenverteidiger verfestigt. Guardiola hat immer wieder mal (verletzungsbedingt oder aus freien Stücken) auf spielstarke Varianten mit Rafinha oder Alaba als Ergänzung von Boateng gesetzt. Gerade bei einer Dreierkette ist dies eine sehr ernsthafte Option. Das erklärt auch warum die Münchner recht gelassen auf die Verletzungen von Martinez, Badstuber und nun erneut Benatia reagiert haben und wohl sogar bereit sind, Dante ziehen zu lassen. Es gibt genügend Varianten, die funktionieren, wenn sie richtig und konzentriert ausgeführt werden. Das hat der Sieg gegen Leverkusen eindrucksvoll bewiesen.
2. Rückkehrer mit Anpassungsproblemen
Es war ein Startelfdebüt für zwei Spanier in dieser Bundesliga-Saison. Bernat und Thiago brauchten lange, um richtig ins Spiel zu finden. Vor allem Bernat, der im Vorjahr nach Neuer die meisten Einsatzminuten sammelte, war das fehlende Timing durch mangelnde Spielpraxis deutlich anzumerken. Nachdem er in den Anfangsminuten mehrfach zu spät gekommen war und auch früh eine gelbe Karte kassierte, fing sich der Spanier zusehends und kämpfte sich in die Partie. Dass Schmidt zur Pause den bis dahin wirkungslosen Bellarabi auf die linke Seite beorderte, um den etwas langsameren Lahm zu bearbeiten, kann durchaus als Kompliment für Bernat gewertet werden. Der junge Spanier war sehr bemüht, Fehler und Risiko zu vermeiden, was insgesamt gelang. Große Akzente setzte Bernat nicht, unterstrich jedoch insgesamt, dass auch in dieser Saison auf ihn Verlass ist, wenn er gebraucht wird.
Thiago wurde von uns schon nach dem Hoffenheim-Spiel als eines der Sorgenkinder benannt. Auch gegen Leverkusen lief das Spiel etwas an ihm vorbei. Um nicht missverstanden zu werden: Er machte keine großen Fehler, aber er setzte auch keine wesentlichen Akzente. Das hat viel mit der etwas veränderten Spielweise der Münchner zu tun, in der die 8er und 10er Räume deutlich weniger Bedeutung haben. Thiago spielte 37 Pässe – kaum mehr als Manuel Neuer – und brachte davon durchschnittliche 80% an den Mann, den Großteil davon allerdings im Niemandsland. Ein Pass führte zu einem Torschuss, zwei Mal schoss er selbst aus der Distanz. Viel mehr war nicht. Erst als Leverkusen nach dem 0:2 nachließ, war auch Thiago deutlich präsenter. Insgesamt blieb er aber eher Mitläufer als Spielgestalter.
Wichtig ist trotzdem, dass Guardiola ihm 80 Minuten gab, um Rhythmus aufzunehmen. Es werden Gegner kommen, die deutlich weniger Pressing spielen als Hoffenheim oder Leverkusen. Dann werden auch die Räume im zentralen Mittelfeld wieder wichtiger im Kombinationsspiel. Gerade gegen tiefstehende Kontrahenten werden Thiagos Fähigkeiten gebraucht. Momentan ist ein wenig Geduld gefragt.
3. Der Wert von Arturo Vidal
Der Chilene brauchte eine halbe Stunde, um sich an die Geschwindigkeit, die zu Beginn vor allem die Leverkusener vorgaben, zu gewöhnen. Bis dahin war er ziemlich beeindruckt vom Pressing-Tempo der Gäste und nicht immer auf der Höhe. Der ein oder andere Ballverlust und manch verlorener Zweikampf stachelten den Neuzugang jedoch sichtlich an. Zwischen 50. und 75. Minute – in der Phase also, in der Bayern die Partie entschied, war er der dominierende Spieler auf dem Feld. Seine Griffigkeit, sein defensiver Aktionsradius und seine „no-nonsense“-Attitüde tun dem Münchner Spiel sehr gut. Vidal führte insgesamt 41 (!) Zweikämpfe, überwiegend im Defensivbereich, und gewann davon 46%.
Auch die Duelle, die er nicht gewann, sind dabei wichtig für Bayerns Spiel, weil sie den Gegner beschäftigen und zermürben. Das so hervorragend praktizierte Wechselspiel der Defensive mit Alonso wäre ohne ihn ebenfalls nicht möglich gewesen. Vidal gewann die meisten Zweikämpfe, eroberte die meisten Bälle und lief die zweitmeisten Kilometer. Es gab eine Phase in der Hinrunde der Vorsaison, in der Xabi Alonso der dominante Taktgeber in Bayerns Offensivspiel war. Gegen Leverkusen übernahm Vidal eine ebenso dominante Rolle als defensiver Taktgeber. Dass er zudem auch immer wieder in der Offensive für Unruhe beim Gegner sorgt, ist gewissermaßen das Plus oben drauf. Vidal ist in dieser Saisonphase nicht wegzudenken.
3.1 David Alaba
Was für ein Glücksfall für den FC Bayern. Alaba interpretierte die Rolle als zentraler Verteidiger herausragend. Robust im Zweikampf, klar in seinem Passspiel. Es war nach dem 7:1 gegen Rom im Vorjahr das zweite Meisterwerk des 23-Jährigen auf ungewohnter Position. Alaba ist heute einer der besten Allrounder im europäischen Fußball. Er ist neben Müller die mittlere Zukunft des FC Bayern. Der Verein sollte alles daran setzen ihn über einen langen Zeitraum zu binden. Irgendwann werden mit Sicherheit auch bei ihm die Real Madrids und Manchester Citys dieser Welt mit dem ganz dicken Geldbeutel winken.
3.2 Danke Dante
Einfach mal so.
FC BAYERN – BAYER LEVERKUSEN 3:0 (1:0) | |
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FC Bayern | Neuer – Lahm, Alonso, Alaba, Bernat (73. Dante) – Vidal, Thiago (82. Rode) – Robben (78. Götze), Müller, Douglas Costa – Lewandowski |
Bank | Ulreich, Kimmich, Steinhart, Rafinha |
Bayer Leverkusen | Leno – Hilbert, Tah, Papadopoulos, Wendell (78. Boenisch) – Kramer, Bender – Bellarabi, Calhanoglu (60. Kruse), Mehmedi (46. Brandt) – Kießling |
Bank | Kresic, Ramalho, Ryu, Donati |
Tore | 1:0 Müller (26.), 2:0 Müller (60., FE), 3:0 Robben (71., HE) |
Karten | Gelb: Bernat, Thiago / Wendell, Kramer |
Zuschauer | 75.000 (ausverkauft) |
Schiedsrichter | Florian Meyer (Burgdorf) |