Serie: Was von Sammer zu erwarten ist – Teil 3 Mentalität
Nach Teil 1 zur Jugendarbeit und Teil 2 zur Transferpolitik blickt Der Bayern Blog im dritten und letzten Teil der Serie„Was von Sammer zu erwarten ist“ auf die Mentalität des neuen Sportchefs, die er nun zum FC Bayern tragen will.
Als Trainer am Anspruchsdenken gescheitert
Viel ist geschrieben worden in den vergangenen Wochen über den Hitzkopf Sammer. Den Mann, der wahrscheinlich auch in der DFB-Zentrale am Schreibtisch, oder im Untergrund wie es Sammer selbst nennt, mit hochrotem Kopf wild gestikulierend über Fußball und Strukturen diskutiert hat. Mia san Mia und Sammer – das passt auf den ersten Blick. Dabei ist er kein Magier kein Hexer, kein Motivationskünstler, dem seine Anhänger entschlossen hinterherlaufen wie es früher Christoph Daum und heute am ehesten Jürgen Klopp verkörpern. Er lebt ein Anspruchsdenken vor, dass es Spielern und Mitstreitern oft schwer macht diesem gerecht zu werden. Jens Lehmann sagte einmal über den Trainer Sammer: „Er hat uns auch schon Mal gelobt. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, wann das zuletzt der Fall war.“ Unvergessen auch wie sich der Trainer Sammer im Jahr 2005 während eines Spiels der Stuttgarter gegen Hannover 96 wildgestikulierend mit den eigenen Fans auf der Haupttribüne anlegte und sich später dafür entschuldigen musste. Abnutzungserscheinungen und Reibereien gerade mit jungen Spielern wie Kevin Kuranyi und Alexander Hleb waren auch der Grund warum Sammer am Ende als Trainer vor allem beim VfB Stuttgart scheiterte. Vielleicht ist die Rolle als Sportdirektor deshalb auch die richtige für Sammer, der so einem ganzen Verein sein Anspruchsdenken eher strukturell einverleiben kann und nicht, wie früher als Trainer, mit seinen Anspruchsdenken in jedem Training, in jedem Spiel, in jeder Kabinenansprache auf die alltägliche Wirklichkeit einer neuen Spielergeneration prallt. Mit Jupp Heynckes hat er zumindest einen Trainertypen als Puffer zwischen sich und Team, der es mit seiner Autorität und Erfahrung versteht eine Mannschaft zu führen.
Sammer hat schon in den ersten Wochen seit dem Amtsantritt die Marschroute vorgegeben. Keine Ausreden für die Nationalspieler, die spät ins Training einsteigen und eine neue Deutlichkeit in der Ansprache an die Mannschaft. Auf einer Pressekonferenz im Trentino sagte Sammer: „Einzelschicksale spielen einfach keine Rolle mehr und wer sich auf Dauer damit nicht abfinden will, der kann den Verein dann auch liebend gern wieder verlassen.“ Ein Satz, der unter seinem Vorgänger Christian Nerlinger, der sich bis zuletzt und in jeder Situation voll und ganz vor die Mannschaft gestellt hat, wohl nicht denkbar gewesen wäre. Sammer will die letzten 3 bis 4 Prozent aus der Mannschaft, aus dem Verein herauskitzeln, die seiner Meinung nach in den vergangenen Jahren gefehlt haben.
Neuer Anspruch an die inhaltliche Arbeit des Vereins
Wer Sammer dabei genau zuhört, der versteht, dass es bei seinem Anspruchsdenken um mehr geht als die bloße Parole Titel zu gewinnen, auf die er in vielen Medien verkürzt wird. Für den FC Bayern München zählen ohnehin nur die höchsten Ziele, wie der Umgang insbesondere mit den beiden zweiten Plätzen in der Liga in den vergangenen Jahren zeigt. Sammers Anspruch ist viel mehr eine neue Fokussierung auf fußballerische Inhalte, die von Trainerteam und Mannschaft in aller Konsequenz umgesetzt werden sollen und die dann in der Folge zu Titeln und Meisterschaften führen sollen. Alles Unwesentliche soll beiseite geschoben werden. Auch deshalb lobte Sammer auf die Frage eines Journalisten nach den Pfiffen gegen Arjen Robben im vergangenen Jahr für dessen intensive und professionelle Trainingsarbeit, die er „in der Form selten gesehen hat“. Unwichtiges beiseite – die tägliche professionelle Arbeit in den Mittelpunkt.
Schon als DFB-Sportdirektor vertrat Sammer diese Maxime mit Leidenschaft. Auf einer bemerkenswerten Pressekonferenz zu einem Trainer-Lehrgang in der Hennes-Weisweiler-Akademie redete sich Sammer im Hinblick auf das Abschneiden der U17 bei der Weltmeisterschaft in Rage. „Nach dem U17-Sieg gegen England schreiben viele von Ihnen: ‚Sie jubeln wie die „Bruchweg-Boys“‚. Da habe ich einen Wutanfall bekommen… Erstens sind die Bruchwegboys nur Fünfter geworden. Und sollten wir nicht darüber reden, wie diese Spieler dort hingekommen sind, was sie dafür gemacht haben, wie sie gearbeitet haben?“ Und mit Blick auf die Halbfinal-Niederlage der U17 gegen Mexiko nach einer Standartsituation fügte Sammer an: „Und der, der dort stehen sollte, den haben wir auch gelobt – der hat auch gejubelt wie die Bruchweg-Boys – der hat am Ende seine Position verlassen und so sind wir ausgeschieden.“
Diese konsequente Fokussierung auf den Erfolg und die bedingungslose Umsetzung von Trainingsinhalten und individuellen Aufgaben im Spiel ist der Maßstab, der für Sammer gilt. Trainer Heynckes griff diesen Faden in jüngst ebenfalls auf. „Es ist nicht so, dass alles negativ war. Aber ich finde, dass wir die Siegermentalität wieder herauskramen müssen und da muss man mehr für tun als normal“, betonte der Coach. „Das hat auch die EM gezeigt: Man darf sich nie zu sicher sein, darf sich nie zufriedengeben, muss immer eine Schippe drauflegen und das müssen unsere Spieler.“
Spannend wird zu beobachten sein wie sich Sammers Mentalität auf einzelne Spieler auswirkt. Klar ist, dass sich Spieler wie Toni Kroos oder Jerome Boateng, denen man als Zuschauer in manchen Situationen ein wenig mehr Biss und Konsequenz und ein Stück weniger Selbstzufriedenheit wünschen würde, genau wie alle anderen Teammitglieder an das neue Anspruchsdenken gewöhnen und anpassen müssen. Die Breite des Kaders wird dies eher noch verschärfen. Für das Ziel wieder Titel nach München zu holen kann all das nur gut sein. Sammer wird in der öffentlichen Darstellung jedoch die notwendige Balance zwischen motivierendem Provokateur und demonstrativem Schutzschirm der Mannschaft finden müssen, wenn er die Spieler auf der Strecke nicht verlieren will. Gelingt dies wird Sammers Mentalität auch dem FC Bayern auf Dauer zu Gute kommen.