Kommentar: Der FC Bayern München hat ein Führungsproblem – Meister ohne Stil!

Justin Trenner 27.05.2023

Gerade stehen die Spieler noch im Kreis auf dem Platz und schauen auf einzelne Smartphones. In Dortmund läuft das Spiel noch. Der BVB lag 0:2 gegen Mainz 05 zurück, erzielte im zweiten Durchgang zunächst den Anschlusstreffer und ganz spät den Ausgleich durch Niklas Süle. Ein paar Sekunden noch, vielleicht noch ein Angriff. Dortmunder Hoffnung auf das Wunder.

Es blieb aus und die Bayern-Spieler jubelten. Eine turbulente Saison geht doch noch mit einem Titel zu Ende. Doch was bleibt, ist eben nicht dieser Titel, sondern das Chaos. Vor allem in der Führungsetage. Schon während der Partie in Köln machten Gerüchte die Runde, dass Oliver Kahn entlassen wird.

Der Titan war nicht mitgereist. Zunächst hieß es, er sei krank. Später schrieb er in den sozialen Netzwerken, dass der Club ihm untersagt habe, mitzukommen. Im zweiten Durchgang und vor allem nach dem Kölner Ausgleich hieß es plötzlich, dass auch Hasan Salihamidzic seinen Hut nehmen müsse.

FC Bayern München: Meister? Das Vorstandsbeben bestimmt

Über den Titel spricht derzeit kaum noch jemand. Das Beben im Vorstand bestimmt die Schlagzeilen. Man wollte den Fußball in den Vordergrund stellen, sagte Herbert Hainer in Köln. Deshalb sei erst heute die Entscheidung mitgeteilt worden, die man bereits gestern getroffen habe. Doch genau jener Fußball rückt abermals in den Hintergrund.

Der FC Bayern ist ein kommunikatives Desaster. Nicht zum ersten Mal schaffen es die Verantwortlichen nicht, eine tiefgreifende Entscheidung souverän über die Bühne zu bringen. Schon bei Julian Nagelsmann war das der Fall. Wochenlange Unruhe allein dadurch, dass es den Bossen nicht gelang, den Deckel auf die Thematik zu drücken.

Salihamidzic und Kahn sind mitverantwortlich dafür. Allein deshalb ist inhaltliche Kritik berechtigt. Ein Klub wie der FC Bayern ist nach einer solchen Saison verdammt dazu, jeden Stein umzudrehen und zu analysieren. Der Sportvorstand und der Vorstandsvorsitzende haben sich verzockt. Erst im vergangenen Sommer auf dem Transfermarkt und später mit der Entscheidung, Nagelsmann auszutauschen. Denn kurzfristig führte diese fast dazu, dass die Münchner titellos bleiben.

FC Bayern München: Die Führungskultur ist kaputt

Die Konsequenz kann also einerseits richtig sein. Auf der anderen Seite ist die Art und Weise aber ein weiterer Beleg dafür, dass etwas in der Führungskultur innerhalb des Clubs nicht stimmt. Auch wenn es schwer erscheinen mag, eine Entscheidung mit dieser Tragweite respekt- und stilvoll zu kommunizieren, so ist es nicht unmöglich.

Den Stil lässt der FC Bayern aber schon länger vermissen – und das betrifft auch Kahn und Salihamidzic selbst. Zuletzt wurde keine Gelegenheit ausgelassen, die Mannschaft zu kritisieren und fast schon anzugreifen. Nur selten übernahmen die Führungskräfte selbst die Verantwortung, nur selten stellten sie sich schützend vor das Team oder den Klub.

Gute Führungskräfte zeichnet aus, dass sie in Zeiten der Krise vorweg gehen und sich in Zeiten des Erfolgs zurücknehmen. Stattdessen war das Krisenmanagement oft laut und chaotisch. Teils waren die Strategien der Protagonisten sogar widersprüchlich. „FC Bayern Ahead“, aber ohne klares Ziel – was kommunikativ vorgelebt wurde, sah man letztendlich auch auf dem Platz.

Insofern kann es nicht die Abberufung an sich sein, der für Aufregung sorgt. Kahn und Salihamidzic haben ihren Anteil an diesem Wandel. Sie bekommen nun das zu spüren, was sie zuvor andere spüren ließen. Einen FC Bayern, der im Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an vielen Stellen kalt geworden ist.

FC Bayern München: Auch Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sind schuldig

Eine Entwicklung, die besorgniserregend ist. Es verwundert daher kaum, dass es immer wieder Leute gibt, die Informationen nach außen geben. Die Abberufung von Kahn und Salihamidzic wird diese Stimmung nicht allein reparieren können.

Zumal mit Herbert Hainer jemand viel Macht innerhalb des Klubs hat, der insbesondere im Umgang mit Fans oft genug bewiesen hat, dass ihm solche Themen nicht wichtig sind. Für viele Fans ist er das Gesicht für den Verlust des „Mia san mia“ in den vergangenen Jahren. Jemand, den man nicht wirklich greifen kann, dessen Interviews oft kühl, emotionslos, teils sogar nichtssagend sind. Wofür steht Hainer und was hat er in seiner Amtszeit Positives bewirkt? Eine Antwort darauf zu finden, fällt schwer.

Nun sieht es so aus, als würden Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß zurückkehren. Wobei Hoeneß nicht zurückkehren muss. Der Patriarch hatte auch nach seinem vermeintlichen Rückzug das letzte Wort innerhalb des FC Bayern. Auch das ist womöglich Teil des Problems. „Die wichtigste Aufgabe aller Führungskräfte ist es, ihre eigenen Nachfolger zu finden, zu begleiten und dann loszulassen“, schrieb Kommentator Jonas Friedrich auf Twitter: „Dabei haben Uli Hoeneß und KHR versagt. Es ist in letzter Linie ihr Scheitern.“

Auch das ist ein Teil der Wahrheit, des Führungsproblems des Rekordmeisters. Die Deutsche Meisterschaft hätte das ein Stück weit überdecken können. Doch selbst im einzigen Moment des Triumphes in dieser Saison schaffen es die Bayern, andere Themen in den Vordergrund zu rücken.



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