FC Bayern – Miasanrot-Adventskalender, Nummer 42: Jamal Musiala
Ein Gastbeitrag von Manuel Veth.
Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2022 ist Geschichte, und mit ihr könnte auch das letzte Kapitel der Karriere von Lionel Messi geschrieben worden sein. Die Lücke, die Messi nach seinem Abschied von der großen Bühne hinterlässt, wird teilweise von Kylian Mbappé gefüllt. Der Franzose führte sein Team ins Finale und sorgte mit drei Toren dafür, dass Frankreich es nur um Haaresbreite verpasste, als erste Nation seit Brasilien 1958 und 1962 den Titel zu verteidigen.
Wer wird der Cristiano von Mbappé?
Da Messis Tage möglicherweise gezählt sind, wird die Bühne für Mbappé sich zu präsentieren natürlicherweise größer. Aber in der Geschichte des Fußballs hatte der Größte immer einen fast genauso großen Sidekick. Die Debatte darüber, ob Cristiano Ronaldo oder Messi der Größte ihrer Generation ist, wird zweifellos auch nach dem Rücktritt beider weitergehen. Aber wer wird Mbappés Cristiano sein, wenn er Messis Platz einnehmen wird?
Einige mögen auf Erling Haaland verweisen. Doch während Haaland in der Premier League und bestimmt bald in LaLiga einen Rekord nach dem anderen aufstellen wird, könnte ihm seine norwegische Nationalität die entscheidenden Momente im Scheinwerferlicht des Weltfußballs rauben.
Ich plädiere daher für einen anderen Spieler: Jamal Musiala. Es mag komisch klingen, nach dem erneut enttäuschenden Abschneiden Deutschlands bei der Weltmeisterschaft an dieser Stelle Musiala zu erwähnen. Tatsächlich sucht die einst stolze Fußballnation nach einer Identität und einem Weg zurück an die Spitze des Fußballolymps.
Kann Musiala der Herausforderer von Mbappé werden?
Das gegenwärtige Gefühl der Enttäuschung nach dem frühen Ausscheiden bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 hat auch ein Gutes. Erstens war Deutschland schon einmal hier: Auf den Triumph 1990 in Rom folgten zwei enttäuschende Weltmeisterschaften 1994 und 1998. Zweitens verfügt Deutschland mit Musiala über einen Spieler, der Mbappé im kommenden Jahrzehnt ernsthaft den Rang als bester Spieler der Welt streitig machen könnte.
Der erst 19-jährige Musiala hat in 100 Spielen in allen Wettbewerben für Bayern München bereits 27 Tore erzielt und 17 Vorlagen gegeben. Vor allem die Statistiken dieser Saison sind beeindruckend: In 22 Spielen erzielte er 12 Tore und 10 Vorlagen in allen Wettbewerben.
Aber das ist noch nicht alles! Laut Wyscout hat Musiala, obwohl er nur drei Spiele bei der WM bestritten hat, die drittmeisten Dribblings aller Spieler des Turniers (57). Nur Messi (59) und Mbappé (64) hatten mehr Versuche.
Das ist eine unglaubliche Zahl für einen 19-jährigen Spieler, der zum ersten Mal an einer Weltmeisterschaft teilnimmt. Und vielleicht wäre die ganze Diskussion darüber, welchen Platz Musiala im Pantheon des Weltfußballs einnimmt, ganz anders verlaufen, wenn Spanien am dritten Spieltag gegen Japan gewonnen hätte.
Denn während der gesamten Gruppenphase konnte man das Gefühl haben, dass Musiala nur einen Moment davon entfernt war, der deutschen Mannschaft seinen Stempel aufzudrücken und sie so zu tragen, wie es Superstars wie Mbappé, Messi und Cristiano Ronaldo bei diesem Turnier oder in der Vergangenheit getan haben.
Wie dieses Tragen aussehen könnte, haben diejenigen gesehen, die Bayern München in dieser Saison regelmäßig verfolgen. Musiala führte den Rekordmeister durch die schwierige Phase im Herbst, als die Bayern vier Spiele in Folge kein Bundesligaspiel gewinnen konnten, und zeigte beim 4:0-Sieg gegen Leverkusen eine Meisterleistung, die auch noch die Durststrecke des Teams beendete.
Musialas Leistungen in der Bundesliga in dieser Saison sind in der Tat erstaunlich. Musiala führt die Liga mit 16 Scorerpunkten (9 Tore und 7 Assists) an. Laut Wyscout führt Musiala auch bei den Pässen in die Tiefe mit 31, ist Vierter mit 13 „key passes“ und hat, obwohl er keine klassische Nummer 9 ist, die viertmeisten Ballkontakte im Strafraum (72).
Bambi tanzt über das gesamte Spielfeld
Diese nüchternen Zahlen unterstreichen die Bedeutung von Musiala für die Bayern. Aber es ist auch die Art und Weise, wie er spielt. Der Spitzname „Bambi“ kommt von der Art und Weise, wie Musiala über das Spielfeld zu taumeln scheint mit unorthodoxen und manchmal anatomisch paradox wirkenden Beinbewegungen, die unberechenbar für Verteidiger sind.
Musiala zuzuschauen ist in der Tat so, als würde man einen Tänzer beobachten, der sich seinen Weg über die Tanzfläche bahnt und die Zuschauer mit offenem Mund staunen lässt. Es hat in der Tat etwas Faszinierendes, Musiala bei der Ballbehandlung zuzusehen und wie er aus dem Nichts Räume kreiert – eine Eigenschaft, wie man sie seit dem jungen Thomas Müller nicht mehr gesehen hat. Aber Musiala, auch wenn sein Spiel viele Charakteristika des jungen Müller aufweist, ist viel eleganter.
Was die beiden verbindet, und das bringt uns auch zu Mbappé zurück, ist der direkte Zug zum Tor im Strafraum. Musiala geht gerne direkt in die Spitze, und obwohl sein Torschuss bei der Weltmeisterschaft nicht überragend war, hat er vor einiger Zeit begonnen, mit Spezialisten zu arbeiten, um sein Finish in den entscheidenden Momenten zu verbessern.
Es ist schon beängstigend, wenn man bedenkt, dass Musiala noch nicht annähernd am Ende seiner Entwicklung angekommen ist. Manchmal meint man, Verbesserungen schon innerhalb eines Spiels sehen zu können, denn Musiala scheint in Echtzeit zu lernen und umzusetzen. Auch das ist eine unglaubliche Fähigkeit, die ihn ohne Zweifel in den Kreis der besten Spieler der Welt führen wird.
So oder so: Musiala ist die Zukunft, sowohl für Bayern als auch für Deutschland. Für Deutschland könnte er eine ganze Generation prägen und einer der besten Spieler werden, die jemals das Trikot der Nationalmannschaft getragen haben. Die Aufgabe des DFB besteht nun darin, eine Mannschaft um Musiala herum aufzubauen und die Bühne dafür zu bereiten, der Welt einen Gegenspieler zu Kylian Mbappé zu präsentieren.