Viel Pils, wenig Qualität: FC Bayern – Viktoria Pilsen 4:2
Falls Ihr es verpasst habt
Die Aufstellung
Verletzungs- und Coronabedingt musste Julian Nagelsmann einige Wechsel vornehmen. Sven Ulreich stand zwischen den Pfosten, vor denen nach langer Zeit erstmals wieder Benjamin Pavard zentral verteidigen durfte. Außen spielten Stanišić und Mazraoui. Zentral spielte die einstige Doppelsechs bestehend aus Kimmich und Goretzka. Das Offensivquartett bildeten Coman, Müller, Sané und Mané.
1. Halbzeit
Wie schon eine Woche zuvor begannen die Bayern das Spiel mit einem Doppelpack in der Anfangsviertelstunde. Zunächst traf Mané nach einfachem Doppelpass mit Goretzka trotz eines Stockfehlers (Pilsens Keeper weigerte sich einfach partout aus seinem Tor zu kommen). Vier Minuten später konnte Coman flach und scharf in die Mitte flanken, wo Müller zum Volley bereitstand.
Rund 10 Minuten später erhöhte Goretzka auf 3:0. Müllers Hereingabe ließ Sané geistesgegenwärtig durch, Goretzka ließ sich vom Rand des Strafraums nicht bitten. Müller quittierte seine exzellente Scorer-Ausbeute mit einem vorzeitigen Feierabend. Er ging direkt in die Kabine, für ihn kam Mathys Tel.
Goretzkas Torhunger war indes noch nicht gestillt. Sané schickte ihn steil und Goretzka packte frei im Eins-gegen-Eins den Lupfer aus – mutmaßlich den ersten seiner Karriere.
Mathys Tel bekam noch einen sogenannten „Hundertprozenter“, scheiterte aber im Privatduell an Pilsens mittlerweile wirklich tapferen Keeper. Es ging mit 4:0 in die Pause.
2. Halbzeit
Pilsen wechselte dreifach zur Pause, Julian Nagelsmann jedoch nur einmal. Einzig Eric-Maxim Choupo-Moting kam für Kingsley Coman. Schockierenderweise blieb Ryan Gravenberch weiterhin auf der Ersatzbank. Befremdlich war der Wechsel auch, weil Coman ja am Sonntag ohnehin sich mit seiner Gelb-Roten-Karte gegen den BVB frei genommen hat. In der 56. Minute kam der junge Niederländer dann doch endlich. Leon Goretzka ging vom Feld.
Der FC Bayern wäre aber nicht der FC Bayern, wenn er nicht auch gegen ein solch unterlegenes Team sich Chancen und Gegentore einfangen würde. Nach einer kurzen Druckphase der Gastgeber belohnte Vlkanova die Tschechen mit einem großartig angeschnittenen Volley. Wie alle Offensivaktionen startete auch dieser Angriff auf Bayerns linker Seite (62.).
Julian Nagelsmann wechselte nun final und brachte Sabitzer für Sané. Sein letzter Wechsel war jedoch wirklich spannend: Paul Wanner kam an sein Champions-League-Debüt und das als Linksverteidiger! Für ihn wich Upamecano, Stanišić rückte ins Zentrum.
Pilsen gelang tatsächlich noch ein weiterer Treffer und auch dieser war spektakulär: Abermals von Bayerns linker Seite segelte der Ball in die Mitte, Klement hatte gut einen halben Meter zu viel Raum, nahm die Kugel rückwärtsgewandt an, drehte sich und schoss ins Eck (75.). Tel traf postwendend die Doppellatte. Mehr Tore fielen nicht mehr, der FC Bayern zieht in die nächste Runde ein. Am Sonntagabend empfängt der Rekordmeister den SC Freiburg.
Dinge, die auffielen
1. Jugend forscht nicht
Mit neun Punkten im Rücken hätte man erwarten können, dass Julian Nagelsmann sich durchringt Ryan Gravenberch, Mathys Tel oder gar Paul Wanner von Beginn an zu bringen. Doch in der Startelf fand sich keiner wieder. Gebeutelt von Ausfällen scheute sich der Trainer offenkundig davor, den Bogen zu überspannen, er musste auch so genug wechseln. Das ist absolut verständlich und nachvollziehbar. Und doch muss man notieren, dass damit ein weiteres mögliches Rotationsspiel nicht genutzt wurde um gerade Ryan Gravenberch ruhig zu stellen. Während der Länderspielpause meldete sich dieser bereits zu Wort und ruhiger wird er nicht mehr.
Bei Noussair Mazraoui hatte der Trainer bislang immenses Glück, dass dieser kalt mit kaum Spielzeit direkt überzeugen konnte, doch das kann man eigentlich nicht von all seinen Spielern erwarten. Wird in der Crunch-Time Gravenberch dann doch irgendwann gebraucht, kann man so nur hoffen, aber eben nicht erwarten, dass er direkt überzeugt. Die Leistung Pilsens an diesem Abend gab indes Nagelsmann auch rückwirkend nicht Recht, so vorsichtig aufzustellen.
2. Außerhalb der Wertung
Die sportliche Leistung dieser Partie lässt sich nicht analysieren, weil sie aufgrund des Qualitätsunterschieds aus jedweder Wertung fällt. In jedem Erstrunden-Pokalduell der letzten Jahre wurde der FC Bayern mehr gefordert als von Viktoria Pilsen in der ersten Hälfte dieses Abends.
Dribblings wurden gewonnen, wo eigentlich Endstation hätte sein müssen. Schüsse gezogen, als der Ball schon versprungen war. Pässe gelangen, obwohl der Gegner am Mann war. Kurzum, Pilsen war völlig überfordert.
Die einzige Analyse, die sich hier lohnt, ist eine sportpolitische. Doch egal ob man nun Florentino Perez’ Predigt zur Super League oder nun die der Kurven nach besserer Verteilung folgt, an diesem Spiel ändert das nichts und eine solche Analyse würde hier den Rahmen sprengen.
Freilich kam Pilsen nochmal zurück und das Endergebnis liest sich nüchtern betrachtet nicht einmal sonderbar, doch der FC Bayern war hier nie auch nur ansatzweise in Gefahr. Hatte noch ein halbes dutzend nicht genutzter Großchancen und schonte sich in der zweiten Spielhälfte. Dazu stammen beide Treffer Pilsens aus der Kategorie Traumtore. Das 2:4 ist extrem schmeichelhaft für die Tschechen.
3. Stanišić fällt ab
Es klingt ein wenig unfair, wenn man bei solch einem Leistungsunterschied einen Spieler negativ herausgepickt und außerordentlich schlecht war Josip Stanišić ja auch nicht. Doch bei Stanišić merkte man an diesem Abend dann doch, dass er kein Linksverteidiger ist. Wenn Viktoria gefährlich wurde, insbesondere in der Druckphase vor dem ersten Tor, dann nur über links. Doch Stanišić ließ sie fast immer flanken, konnte seine Seite einfach nicht dicht machen. Womöglich kosteten ihm diese Fehler dann auch das Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wodurch er sein schwaches Spiel auch ins Zentrum mitnahm und fehlerhaft blieb.
Normalerweise muss sich der FC Bayern auf der linken Verteidigerseite keine Sorgen machen. Der mittlerweile formverbesserte Alphonso Davies und Lucas Hernández bilden klar internationale Spitzenqualität. Doch sollten dann doch einmal beide ausfallen, wie es aktuell der Fall ist, scheint Josip Stanišić nicht die Antwort zu sein.
Pfiffig vom Trainer also, dass er das nominelle Mittelfeldtalent Paul Wanner ausgerechnet als linken Außenverteidiger Spielzeit gab. Der Trainer scheint das Problem ebenfalls erkannt zu haben.