Ein Saisonstart mit Tücken
Von Robert Heusel
„Das Rückgrat unserer Mannschaft sollten Corey Walden, Vlado Lucic und Othello Hunter sein“, beschreibt Andrea Trinchieri die Struktur seiner Mannschaft. Die beiden Neuzugänge Walden, der Wunschspielmacher des Italieners, und Hunter, ein Veteran, der im europäischen Basketball bereits alles erlebt hat, fielen die finale Phase der Vorbereitung aus. Lucic, das Herzstück der Mannschaft, wurde von Corona erwischt und war sogar die ersten Saisonspiele zum Zuschauen verdammt. „Wie soll sich die Mannschaft finden, wenn dieses Rückgrat die wichtigste Phase der Vorbereitung nicht mitmachen kann?“, fragt Trinchieri.
Dementsprechend holprig starteten die Bayern in die Saison. Trotz teils ansprechender Leistungen gingen die ersten vier Partien in Europas Königsklasse allesamt verloren. Genau wie der Bundesliga-Auftakt gegen Ulm. Im nationalen Wettbewerb kam erschwerend dazu, dass vor allem deutsche Akteure das Lazarett füllten oder noch immer füllen. Paul Zipser arbeitet nach seiner Hirn-OP individuell an seinem Comeback. Leon Radosevic plagen noch immer die Nachwehen seiner Sprunggelenksverletzung aus den Finals der letzten Saison. Kapitän Nihad Djedovic war anfangs genau so verletzt wie Gavin Schilling und zu allem Überfluss fing sich mit Andi Obst ein weiterer deutscher Spieler das Virus ein.
„Uns fehlten die ersten fünf Spieler der deutschen Rotation! Fünf! Andere Teams wären vielleicht gar nicht angetreten“, konstatiert Trinchieri. In Anbetracht, dass in der Bundesliga lediglich sechs der zwölf Kaderplatz an ausländische Spieler vergeben werden dürfen, eine gewaltige Hypothek.
Mittlerweile hat sich die Ausfallliste zumindest etwas geleert: Djedovic, Schilling, Obst und besonders Lucic sind zurück und haben massiv zu den ersten wichtigen Siegen in der EuroLeague beigetragen. Besonders der schmerzlich vermisste Lucic brachte das Siegergen zurück. Mit kaum Training führte er sein Team zu drei internationalen Siegen in Serie: In Kaunas und Berlin sowie zuhause gegen Mitfavorit Mailand gab es drei Erfolge ehe am vergangenen Freitag das Starensemble von Real Madrid einen knappen Sieg aus dem Audi Dome entführen konnte.
„Wir müssen durch diese schwierigen Zeiten navigieren, denn Zeit für Training bleibt kaum“, beschreibt Trinchieri sein aktuelles Dilemma. Kurz zur Orientierung der Spielrhythmus Ende Oktober, Anfang November: Sonntag, Dienstag, Donnerstag, Sonntag, Dienstag, Freitag, Sonntag. Sieben Spiele binnen 14 Tagen.
Auch ein Grund dafür, dass Trinchieri die volle Tiefe seines Kaders noch nicht ausschöpft. In der EuroLeague tragen die Hauptverantwortung die ausländischen Profis. Auch in der BBL müssen die etablierten Kräfte mächtig Minuten abreißen. Die Balance zwischen dem Integrieren der Rekonvaleszenten und dem Erfolgsdruck ist nicht einfach zu finden. „Es gibt neue Spieler, die offenbar noch nicht ganz verstanden haben, was gefordert ist, um in diesem Verein zu spielen“, sendet der Cheftrainer deutliche Worte an die vermeintlich zweite Garde, die bislang nicht die gewünschte Entlastung bringen kann.
Diesen Ritt auf der personellen Rasierklinge wird Trinchieri meistern müssen, denn er wird die Stärke seines gesamten Kaders brauchen, um die Herausforderungen der nächsten Wochen zu meistern. Allein im November stehen neun Pflichtspiele auf dem Plan. Und durch den tückischen Saisonstart ist man besonders in der EuroLeague gefragt, wenn man an den Erfolg der Vorsaison anknüpfen möchte. Das Rückgrat der Mannschaft ist dafür – zumindest Stand heute – in jedem Fall verfügbar.