Holger Badstuber: Eine Geschichte mit gutem Ende?
Alles beginnt am 01.12.2012. Samstag, 18.30 Uhr, Topspiel. Borussia Dortmund zu Gast in München, die Chance in der Tabelle davonzuziehen ist da. Holger Badstuber verteidigt neben Dante – Sie sollen in der Zukunft das Innenverteidigerduo beim Rekordmeister bilden. Doch dazu kommt es 2012 und 2013 nicht. Denn in der 32. Minute reißt nach einer missglückten Grätsche das Kreuzband im rechten Knie und gibt der Karriere des jungen Bayern die folgenschwere Wendung. Schon zwei Tage darauf wird er in Augsburg bei Dr. Boenisch operiert und beginnt mit der Reha. Unterstützung kommt von allen Seiten, die Mannschaft hält vor dem Spiel gegen Lille ein Trikot mit der Nummer 28 in die Kameras, Trainer Heynckes stellt sich hinter ihn, auch Bundestrainer Löw versichert ihm, er plane mit ihm für die kommenden Jahre. Die Südkurve schickt ihm Anfang Januar ein großes Plakat mit Unterschriften. Die Reha läuft gut und die Physios sprechen von einem Comeback noch in der Saison. Nach der Verpflichtung von Pep Guardiola Anfang Januar setzt der FC Bayern im Februar ein weiteres Zeichen und verlängert mit Badstuber bis 2017. Pep plant also mit Holger.
Verletzt mitten in der Triple-Saison
Währenddessen spielt die Mannschaft den wohl besten Fußball der Vereinsgeschichte, die beste Rückrunde der Bundesliga-Historie und Dante gilt als bester Innenverteidiger in der Bundesliga. Neben ihm entwickelt sich Jerome Boateng zu einer festen Größe und stellt seine Flüchtigkeitsfehler immer mehr ab. Erst bei der Meisterschaftsfeier am 12. Mai rückt Badstuber wieder in den Fokus. Die Fans feiern ihn am Rathausbalkon, als hätte er die Rückrunde nicht auf der Tribüne, sondern auf dem Platz verbracht. Was dann passiert, nennt die Medizin Re-ruptur, eine selten auftretende Komplikation mit dem Kreuzband-Transplantat. Kurz: Ein erneuter Kreuzbandriss. Und schnell wird aus gutem Heilungsverlauf eine Diskussion über das Karriereende. Aber Badstuber gibt sich kämpferisch, auch wenn weitere 2 Operationen vor ihm liegen. Bei der ersten werden noch im Mai zwei Bohrlöcher gesetzt, die erst zuwachsen müssen, bevor bei der zweiten ein neues Band eingesetzt werden kann. Die Ärzte prognostizieren eine Ausfallzeit von 10 Monaten, die WM 2014 wird ohne ihn stattfinden.
Jetzt, im Dezember 2013, läuft die Reha weiter. Man will sich gar nicht vorstellen, was es für einen Fußballer bedeutet, ein Jahr lang keinen Ball berühren zu dürfen. Ein Jahr lang Reha zu machen, Tag ein, Tag aus, und dabei der eigenen Mannschaft zuzuschauen, wie Sie es sich auf Europas Thron gemütlich macht. Eine unglaubliche psychologische Willensleistung. Und allein deshalb wird Holger Badstuber seine Chance bekommen, sich zur nächsten Saison in die Mannschaft zurück zu kämpfen. Denn Guardiola wird seinen Spielstil mögen, dass frühe Attackieren des Gegners an der Mittellinie, seine Schnelligkeit und vor allem sein Offensivspiel. Geprägt von unwahrscheinlich präzisen, langen Bällen auf die Außenstürmer, genauso wie Pep Sie von den Innenverteidigern fordert.
Schwächelt die Konkurrenz?
Badstubers Glück ist, dass seine Konkurrenz, im Vergleich zum Mittelfeld, noch relativ gering ist. Als gesetzt gilt mittlerweile Jerome Boateng, der in der aktuellen Saison nochmal einen großen Sprung nach vorne machen konnte und seine Antritts- und Zweikampfstärke verbessert hat, während er kaum noch Patzer einstreut. Dante, der Held der Triple-Saison, konnte sein Niveau leider nicht ganz halten. Er ist immer noch einer der besten in der Bundesliga, jedoch entwickelt sich seine Leichtfüßigkeit aus dem vergangenen Jahr immer mehr zu einer Leichtsinnigkeit in den Zweikämpfen, was in den Spielen gegen offensivstarke Mannschaften besonders zu sehen ist. Zudem ist er mit 30 auch nicht mehr der Jüngste. Das bei beiden Spiele auch vollkommen daneben können, zeigt das Vorrunden-Rückspiel gegen Manchester City. Boateng schlägt über den Ball, Dante mit vielen passiven Aktionen und oftmals gedanklich zu langsam. Insgesamt eines der schwächsten Spiele der Innenverteidigung in den letzten zwei Jahren.
Daniel van Buyten, die belgische Felswand, erfüllt auch dieses Jahr wieder die Erwartungen, wenn er gebraucht wird. Gut möglich, dass er ein weiteres Jahr bleibt, dann aber als absoluter Joker. Jan Kirchhoff wird sein Gap-Year beim FCB genießen um dann wieder zu einem Bundesligaverein im Mittelfeld zurückzukehren. Die Intensität ist ihm doch spürbar zu hoch, aber im Lebenslauf macht sich das Engagement sicher gut. Javi Martinez wird unter Guardiola wohl weiter im Mittelfeld aufgeboten werden, solange sich Dante und Boateng nicht verletzen. Im Gegensatz zu del Bosque in der spanischen Nationalmannschaft sieht Pep in ihm zu viel Offensivpotential, lässt ihn sogar auf der 8 spielen.
Man sieht also, die Konkurrenzsituation ist für Badstuber nicht aussichtslos. Trotzdem ist abzuwarten, ob er sein Niveau aus der Zeit vor der Verletzung wieder erreichen kann. Nicht nur, dass die Eingewöhnungsphase im Mannschaftstraining dauern wird, auch ist abzuwarten, ob er seinem rechten Knie die volle Belastung wieder zutraut. Viele Fußballer belasten nach schweren Verletzungen automatisch und unbewusst mehr das andere, nicht verletze Bein. Dass man mit zu wenig Vertrauen in seinen Körper und eventuell auftretenden Schmerzen nicht auf hohem Niveau spielen kann, zeigt das Beispiel Bastian Schweinsteiger.
Es ist wirklich tief beeindruckend, Badstuber auf dem Weg zu seinem Comeback zu beobachten. Ganz unabhängig davon, mit welchem Erfolg er in die Mannschaft zurückkehren wird, zeigt sich sein Kampfgeist, der belohnt werden sollte. Es ist fast ironisch zu sagen, dass der 24-jährige Glück im Unglück hatte, aber wenn Kreuzbandrisse etwas Positives an sich haben, dann dass Sie keine bleibenden Langzeitschäden hinterlassen. Denn wenn junge Karrieren wegen Verletzungen beendet werden mussten, dann wegen Infektionen (Sammer), Knorpelschäden (Hargreaves) oder Knochenproblemen (Ismael). Man kann Holger also nur raten, sich Zeit zu lassen und die Saisonvorbereitung auf 2014/15 voll mitzugehen. Ob er dann schon wieder eine tragende Rolle in der Mannschaft spielen wird, kann man nicht voraussagen. Aber fußballerische Qualität und die Kombination aus Talent und Fleiß hat sich am Ende immer durchgesetzt. Hoffen wir, dass es in diesem Fall genauso kommt.
Dieser Beitrag von Felix erschien zuerst auf SPOX.com als „Gastblog des Monats“.