4 Fragen vor dem Hinrunden-Endspurt des FC Bayern
Der FC Bayern hat sich in den vergangenen Wochen in Liga und Champions League eine gute bis ausgezeichnete Ausgangsposition herausgespielt. Fünf Punkte Vorsprung auf Borussia Dortmund sind gut, wenn auch nicht so komfortabel wie sie in den letzten Wochen in einer Diskussion über die angeblich langweilige Bundesliga gemacht wurden.
In den abschließenden fünf Spielen der Hinrunde warten drei Teams aus den Top-6 der Tabelle. Gegen Schalke und die wiedererstarkten Mönchengladbacher muss die Elf von Pep Guardiola dabei auswärts antreten. Kein Selbstläufer also. In der Champions League kann im Heimspiel gegen Piräus in der kommenden Woche bereits alles klar gemacht werden. Zudem steht das Pokalspiel gegen Darmstadt kurz vor Weihnachten auf dem Plan. Für uns ein guter Zeitpunkt, um auf die wichtigsten Themen für die Hinrunden-Schlussphase zu blicken.
Wer ersetzt Thiago?
Mal wieder macht das Knie des spanischen Edeltechnikers sorgen. Auch wenn sich die schlimmsten Befürchtungen nach seiner Verletzung im Test der Nationalelf gegen England nicht bestätigt haben – in diesem Jahr wird Thiago auf Grund einer Kapselverletzung wohl nicht mehr auf den Platz zurückkehren. Thiago stand in dieser Saison in jedem wichtigen Spiel von Beginn an auf dem Feld. Dabei wechselten sich Gala-Auftritte in der Champions League (5:1 gegen Arsenal, 5:0 gegen Zagreb) mit eher soliden Leistungen in der Bundesliga ab. Thiago ist einer der Schlüsselspieler für die Umsetzung der Spielidee von Pep Guardiola gerade gegen stärkere Mannschaften, die in der Lage sind Bayern im Zentrum herauszufordern.
Auch wenn die 6er und 8er Räume in denen der 24-Jährige meist sein Unwesen treibt durch Bayerns direkteres Spiel etwas weniger wichtig geworden sind als in den Vorjahren, sind Thiagos Stärken im Kader eins zu eins nur schwer zu ersetzen. Thiago ist durch seine technischen Fähigkeiten in der Lage jede Drucksituation ohne Ballverlust zu lösen. Das hilft allen Aufbauspielern um ihn herum aber vor allem seinem Landsmann Xabi Alonso, der durch Thiagos Präsenz deutlich gefestigter wirkt als in weiten Teilen der Rückrunde. Fast 4 erfolgreiche Dribblings bei einer Quote von über 80 Prozent sind laut whoscored.com der höchste Wert aller zentralen Mittelfeldspieler in der Bundesliga. Auch bei den Torschussvorbereitungen liegt er mit rund 2 pro 90 Minuten in den Top-5. In der Champions League liegen seine Werte nochmal deutlich höher. Vor allem diese Fähigkeiten machen ihn so wichtig.
Thiagos erneute Verletzung wäre eine große Chance gewesen den im Grundsatz ähnlich veranlagten Mario Götze in einer zentraleren Rolle zu testen. Auch der deutsche Nationalspieler fällt allerdings für den Rest es Jahres aus. Die naheliegende Variante für Guardiola wäre auf lediglich zwei Mittelfeldspieler zu setzen (Vidal, Kimmich/Alonso) und davor die komplette Offensivpower mit Costa, Coman, Müller, Robben und Lewandowski auf den Platz zu bringen. So wie zuletzt beim 4:0 gegen den VfB Stuttgart. Vidal, der bisher vor allem auf die kleinen Dinge konzentrierte käme so eine deutlich wichtigere Rolle zu als zuletzt.
Wer Guardiola beobachtet hat, weiß jedoch auch, dass er auswärts meist weniger risikoreich agiert als zu Hause. Es bleibt also fraglich, ob er es in den schweren Auswärtsspielen gegen Schalke und Gladbach mit dieser Variante versucht. Sollte der Coach auswärts auf mehr Stabilität setzen, könnten Kimmich und/oder Lahm als Ergänzung neben Alonso und Vidal ein balldominanteres Mittelfeld bilden. Vor allem für Kimmich könnte Thiagos Verletzung zu einer echten Bewährungschance werden. Der erste Eindruck des jungen Neuzugangs war sehr positiv. Erst vier Startelfeinsätze lassen aber auch nur begrenzte Rückschlüsse zu. Für ihn steigen nun die Chancen auf mehr Spielzeit. Wohler fühlt er sich jedoch eindeutig auf der 6.
Auch David Alaba wäre übrigens eine Option für die Mittelfeldzentrale, da weitere Alternativen in der Innenverteidigung zurückkehren. Durch die Verletzung von Bernat fehlt allerdings ein Backup für die Linksverteidiger-Position in der Viererkette. Rafinha, der ab und an dort auhelfen musste, ist hier nur eine Notlösung, was eine Abordnung Alabas ins Mittelfeld zusätzlich erschwert. Vidal und/oder Kimmich sind so die ersten Kandidaten für mehr Spielzeit und Einfluss.
Was wird aus Rode?
Sebastian Rode war so etwas wie die positive Überraschung der Vorsaison. Viel sprach dafür, dass der ehemalige Frankfurter seine Rolle als Einwechselkönig und Mann für besondere Aufgaben fortsetzen würde. Bisher bleibt jedoch festzuhalten, dass die Saison völlig an ihm vorbei lief. Rode zeigte in seinem einzigen Startelf-Einsatz gegen Darmstadt Anfang September eine richtig starke Leistung. Dies blieb aber bis jetzt der letzte von gerade einmal zwei Einsätzen in dieser Saison. Eine hartnäckige Sehnenreizung setzte ihn lange außer Gefecht. In den letzten Tagen wurden Abwanderungsgedanken öffentlich. Kein Wunder, denn Rode würde in 16 von 18 Bundesliga-Mannschaften in fast jedem Spiel auf dem Platz stehen. Auch das kolportierte Interesse von Bayer Leverkusen überrascht nicht, weil Rode stilistisch exzellent zu Roger Schmidts Spielidee passen könnte.
Noch ist aber sicher keine Entscheidung gefallen. Rode ist zuletzt ins Mannschaftstraining zurückgekehrt. Auch er könnte wie zuvor bei Kimmich beschrieben von Thiagos Verletzung profitieren – vor allem dann wenn Guardiola aus einem stabileren Zentrum heraus agieren will.
Es bleibt jedoch unabhängig davon eher unwahrscheinlich, dass der 25-Jährige in naher Zukunft ein fester Bestandteil der Startelf des FC Bayern werden wird. Als Rotationsspieler passt er perfekt. Gerade als Einwechselspieler gibt er Guardiola mit seiner Aggressivität und Zweikampfstärke eine herausragende Option auf unterschiedliche Spielverläufe zu reagieren. Die Frage war immer, ob ihm diese Rolle ausreicht. Zu verdenken wäre es ihm nicht, wenn er schon in diesem Winter den Absprung wagen würde. Es ist absurd, dass ein Spieler seiner Qualität bisher kein einziges Länderspiel absolviert hat. Das liegt weniger an seinen Fähigkeiten, als an seiner Rolle in München. Es ist deshalb nur logisch, dass er und sein Umfeld sich mit seiner Zukunft beschäftigen – auch wenn er sich öffentlich immer zum Rekordmeister bekannte.
Es spricht viel dafür, dass dieser Saisonendspurt richtungsweisend für Rodes Zukunft in München sein wird.
Wer erspielt sich den Platz neben Boateng?
Erstmals in dieser Saison kann Pep Guardiola in der Innenverteidigung aus dem vollen Schöpfen. Jerome Boateng, Javi Martínez, Holger Badstuber, Medhi Benatia und sogar Jan Kirchhoff. Alle sind zurück und spielfähig. Guardiola muss sich nun überlegen welche Kombination in welchem Spiel die richtige ist. Boateng ist in wichtigen Spielen gesetzt. Neben ihm entstehen bei Dreier- oder Viererkette eine oder zwei Planstellen, die zu besetzen sind.
Bei einer Dreierkette wird weiter David Alaba in den Gedankenspielen des Coaches eine gewichtige Rolle spielen. Zu einzigartig und zu wenig ausrechenbar ist seine Interpretation des linken Halbverteidigers. Bliebe trotzdem eine weitere Position, die ausgefüllt werden muss. Die Innenverteidiger haben alle ein hohes Niveau, aber auch gewisse individuelle Stärken, die es zu berücksichtigen gilt. Für Martínez spricht das Kopfballspiel, für Badstuber der Aufbau und für Benatia das direkte Zweikampfverhalten. Martínez hat im Moment sicher einen Vorsprung weil er schon länger wieder im Spielrhythmus ist, als seine Kollegen.
Der FC Bayern hat in 12 Bundesliga-Spielen 11 Tore weniger kassiert als der Konkurrent aus Dortmund und lässt mit knapp über sechs Torschüssen pro Partie die wenigsten aller Bundesligisten zu. Die stabile Defensive ist dabei mehr als nur das individuelle Zusammenwirken der Defensivspieler, sondern auch ein Produkt der dominanten Spielweise, die den Großteil der gegnerischen Angriffe bereits früh erstickt oder durch wenige eigene Ballverluste gar nicht erst zulässt.
Guardiola wird sich sehr genau überlegen wie viel Risiko er mit den verletzungsanfälligen Rückkehrern Benatia und Badstuber in dieser Saisonphase gehen will. Klar ist, dass auch der seit zwei Jahren beinahe omnipräsente Boateng endlich auch die ein oder andere Erholungspausen bekommen wird. Zu Bedenken ist dabei, dass der Faktor Eingespieltheit auf den defensiven Positionen einen Tick wichtiger ist, als in anderen Bereichen. Auch deshalb wird das Thema spannend.
Jan Kirchhoff, der einem vor allem auf Grund seiner vielen Verletzungen Leid tun kann, wird übrigens bei den Amateuren aushelfen, um Spielpraxis zu sammeln und sich so wohl auch für mögliche Interessenten zu empfehlen.
Was macht Guardiola?
Ja, auch dieses Thema wird uns in den kommenden Wochen weiter beschäftigen. Wenn es nicht doch noch eine Überraschung bei der Jahreshauptversammlung Ende November gibt sollen in der Winterpause die entscheidenden Gespräche geführt werden. Ja, die ständigen Fragen nach Guardiolas Zukunft nerven. Aber schiebt man dies beiseite ist schon festzuhalten, dass für den Verein mit der Personalie Guardiola eine richtungsweisende Entscheidung ansteht.
Guardiola ist methodisch einer der besten Trainer der Welt. Die taktische Weiterentwicklung der Mannschaft und jedes einzelnen Spielers seit 2013 ist nicht hoch genug zu bewerten. Dass kleinere Fehler von Guardiola mit dazu beigetragen haben, dass der FC Bayern unter seiner Regie zwei Mal im Champions League-Halbfinale gegen personell besser besetzte Mannschaften scheiterte, ist auch hier im Blog dokumentiert. Das ändert aber nichts an der enormen Weiterentwicklung der Mannschaft, die vor allem in der nie dagewesenen Dominanz in der Bundesliga zum Ausdruck kam.
Sollte sich Guardiola dazu entscheiden den Verein zu verlassen wäre dies schon ein gewaltiger Einschnitt. Die Bayern-Verantwortlichen müssten dann einen Trainer finden, der in der Lage ist eine Mannschaft, die gespickt ist mit Champions League-Siegern und Fußball-Weltmeistern intellektuell und taktisch herauszufordern, um weiter Top-Leistungen aus ihr herauszukitzeln. Dass bei der aufkommenden Diskussion um einen möglichen Nachfolger eigentlich nur der Name Ancelotti fällt zeigt wie ausgedünnt der Trainermarkt bei den Ansprüchen der Münchner zur Zeit ist.
Auch Guardiolas Wirkung auf potenzielle Neuzugänge darf nicht unterschätzt werden. Der FC Bayern wird in einem weiter aufgeheizten Markt um neue Spieler werben müssen. Finanziell wird er dabei vor allem gegen Vereine aus England meist das Nachsehen haben. Guardiola ist ein Pfund, dass die Bayern-Verantwortlichen bei Verhandlungen mit Spielern noch einmal oben drauf packen können. Das gilt auch für anstehende Vertragsverlängerungen mit umworbenen Akteuren wie Alaba, Thiago oder Boateng.
Der FC Bayern wird seinem Coach einen goldenen Teppich ausrollen, weil er weiß wie viel ein herausragender Trainer im modernen Fußball wert ist. Auch Guardiola weiß, dass er kaum bessere Bedingungen als in München vorfinden wird. Er hat in den letzten Jahren auch gesehen, dass der Verein bereit ist Geld in den Kader zu investieren, um dauerhaft um den Champions League-Titel mitspielen zu können. Guardiolas Entscheidung hängt deshalb mehr von seinem eigenen Energielevel ab, als der dritten Kommastelle auf dem Gehaltszettel oder der Farbe des Dienstwagens. Er wird in sich hinein hören und die Entscheidung treffen müssen, ob der Funke, den er für seine Arbeit braucht auch in den nächsten Jahren noch da sein wird.
Der Zeitplan mit endgültigen Gesprächen kurz vor Weihnachten lässt dem Verein auch bei einer Absage Guardiolas genügend Zeit sich mit einem Nachfolger zu beschäftigen und Weichen zu stellen. Es sollte auch nicht überraschen wenn der Fall der Fälle im Hintergrund bereits vorbereitet wird. Der FC Bayern hat eine gewisse Tradition darin früh Planungssicherheit auf der Trainerposition zu schaffen. Sowohl Jürgen Klinsmann als auch Guardiola selbst wurden Anfang Januar – lange vor dem Start der neuen Saison als Trainer präsentiert. Besser wäre es trotzdem wenn es dazu nicht kommen müsste.