FC Bayern – Miasanrot-Adventskalender, Nummer 2: Sandro Wagner
Was ist, wenn sich Robert Lewandowski mal verletzt? Diese Frage war in der vergangenen Dekade eine der am häufigsten diskutierten. 2015 beispielsweise verletzte sich der Pole in der entscheidenden Saisonphase. Gegen den FC Barcelona lief er im Halbfinale der Champions League mit einer Gesichtsmaske auf.
FC Bayern: Die Rückkehr des verlorenen Sohnes
Mit seinen Toren machte sich Lewandowski unverzichtbar. Fehlte er, wurde es eng für Bayern. Im Winter 2018 hatte der Klub dann ein Einsehen: Thomas Müller ist keine Nummer 9. Sandro Wagner kam zurück nach München. Der verlorene Sohn, von dem der FC Bayern lange gar nicht wusste, dass er tatsächlich ein Verlust sein könnte.
Wagners Karriere ist bemerkenswert. Aus der Jugend des FC Bayern führte sein Weg ihn nach Duisburg, Bremen, Kaiserslautern, Berlin, Darmstadt und schließlich Hoffenheim. Dort traf der Angreifer auf Julian Nagelsmann. Der heutige Bayern-Trainer transformierte einen durchaus talentierten Fußballer schließlich zu einem achtfachen Nationalspieler (fünf Tore).
Wagner galt lange als jemand, der lediglich große Reden schwingt und dessen Selbstvertrauen deutlich größer ist, als das, was seine Beine zu leisten in der Lage sind. Deshalb kam sein Durchbruch bei der TSG für viele auch überraschend – trotz zuvor guter Leistungen bei Darmstadt 98. Doch Nagelsmann packte Wagner offenbar genau richtig an. Bis heute haben beide einen guten Draht zueinander.
Im Sturm war der gebürtige Münchner auf den ersten Blick ein krasser Gegensatz zu dem, was Hoffenheim auf den Platz brachte. Doch mit seiner Robustheit und seinem guten Spielverständnis wurde Wagner zumindest kurzzeitig zum besten Wandspieler der Bundesliga. Steil-Klatsch erlebte in Hoffenheim eine Renaissance. Wagner machte die Bälle fest, verteilte sie klug weiter und tauchte im Strafraum rechtzeitig wieder auf, um selbst Tore zu erzielen. Er war damit der Dreh- und Angelpunkt eines aufstrebenden Hoffenheimer Teams.
Ein Scorerpunkt pro 90 Minuten, mehr als solide
Fast schon folgerichtig kam er also zurück zum FC Bayern – und knüpfte dort an seine Leistungen an. Für seinen Herzensklub war er alle 87 Minuten direkt an einem Tor beteiligt. Natürlich war er nicht der Weltklassestürmer, der Lewandowski war. Aber er war ein adäquater Ersatz. Eine echte Option, wenn der Pole doch mal fehlte oder eine Pause benötigte.
In der Rückrunde 2018 traf Wagner in der Bundesliga achtmal. Zwei Torvorlagen kamen oben drauf. Dass er anschließend nicht für die Weltmeisterschaft nominiert wurde, ist auch rückblickend eine sehr fragwürdige Entscheidung. Argumentiert wurde damals viel mit seinem Charakter.
Allein dass sein Durchbruch so lange auf sich warten ließ, zeigt, dass Wagner als Typ nicht immer einfach zu coachen war. Gleichzeitig ist es bemerkenswert, dass mit Nagelsmann der jüngste Trainer der Bundesliga-Geschichte in der Lage war, ihn auf allen Ebenen richtig zu fordern und zu fördern. Sein fast schon beleidigt wirkender Rücktritt vom DFB-Team passte ins Bild des “schwierigen” Sandro Wagners. Vielleicht hätte das Team damals aber genau so einen Typen gebraucht.
Mit seinem Selbstbewusstsein, seiner lockeren Art und dem einen oder anderen Spruch einerseits, vor allem aber mit seinen Leistungen andererseits spielte er sich in die Herzen vieler Bayern-Fans. Vor allem aber zeigte er, dass er sich dem Teamgedanken auch unterordnen kann. Als er 2019 schon wieder Richtung China ging, um sein Konto aufzufüllen, wurde er hier und da schmerzlich vermisst. Bayern war erneut ohne Backup.
Heute haben sie Eric Maxim Choupo-Moting. Einen anderen Spielertypen als Wagner – und doch auf vielen Ebenen ähnlich. Es wäre wohl fair zu sagen, dass Wagner einen Maßstab beim FC Bayern gesetzt hat.
Auch nach der aktiven Karriere blieb er sich treu
Wagner bleibt ein umstrittener Typ. Heute wird über ihn als TV-Experten diskutiert – wo er ein ebenso ambivalentes Bild abgibt wie als Spieler. Einerseits seine fachlichen Qualitäten, wenn er Spielzüge präzise analysiert, und seine lockere, nicht selten witzig-charmante Art. Auf der anderen Seite Momente, in denen er überdreht und sich zu wenig Gedanken über mögliche Auswirkungen seiner Worte und Taten macht.
Geschichten im Fußball werden oft über die ganz Großen gedreht. Oft sind es aber die Gesichter hinter den großen Namen, die zum Erfolg des Teams nicht minder beitragen. Wagner gehört, auch wenn er nicht lange Teil des Teams war, sicher dazu.