Vorschau: 1. FC Nürnberg – FC Bayern München

Justin Trenner 27.04.2019

Neun Punkte Vorsprung hatte Borussia Dortmund in der laufenden Saison bereits. Ein Polster, das in der Geschichte der Bundesliga noch keine Mannschaft verspielte. Dann folgte in der Rückrunde aber eine Phase mit drei Unentschieden, einer Niederlage und nur einem Sieg aus fünf Spielen. Einer der Tiefpunkte war sicherlich das 0:0 beim 1. FC Nürnberg.

Die Nürnberger stehen aktuell mit nur 18 Punkten auf Platz 17. Im Schneckenrennen mit Hannover und Stuttgart kämpfen sie um die Teilnahme an der Relegation – 3 Punkte trennen sie im Moment davon. Obwohl die Ergebnisse nicht für den Club sprechen, haben sie in dieser Saison aber eine fußballerische Entwicklung vollzogen.

Waren sie in der vergangenen Saison noch eines der spielstärksten Teams der 2. Liga, hatten sie nach dem Aufstieg damit zu kämpfen, sich an das höhere Niveau anzupassen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Am offensichtlichsten dürfte die fehlende individuelle Qualität im Kader sein.

Das Bewusstsein über den Rückstand

Durch die vielen Jahre in der 2. Liga hat der Club den finanziellen Anschluss nach oben verloren. 13 der aktuellen Bundesligisten waren seit Nürnbergs Abstieg 2014 durchgängig erstklassig. Die anderen Mannschaften sind Freiburg, Leipzig, Mitaufsteiger Düsseldorf, Hannover und Stuttgart.

Mit einem geschätzten Marktwert von rund 52 Millionen Euro liegt der Kader des FCN aber 15 Millionen hinter Düsseldorf und weitere 56 Millionen hinter Freiburg, deren Mannschaft mit 108 Millionen Euro vom Portal transfermarkt.de am geringsten unter den restlichen Bundesligisten bewertet werden.

Diese Zahlen sind natürlich nur fiktiv und sie sind gewissermaßen nur eine Spielerei. Sie zeigen aber trotzdem, dass die Voraussetzungen beim 1. FC Nürnberg im Vergleich zu anderen Bundesligisten ungleich schwerer sind, will man die Klasse am Ende halten.

Der Club will sich zunächst zwischen den Ligen etablieren

Deshalb ist auch eine Bewertung der bisherigen Leistungen schwierig. Einerseits ist man als absoluter Underdog bereits mit dem Wissen in die Saison gegangen, dass es sehr eng werden würde. Vor der Saison erzählte uns Florian Zenger von Clubfans United, dass sich das auch in der finanziellen Strategie des Klubs gezeigt hätte: “Insgesamt erscheint es so, als ob die Vereinsführung die Saison in der Bundesliga eher zur finanziellen Konsolidierung nutzt und keine großen Risiken geht, was man eben auch am Transferbudget sieht.”

“Das Dasein als Verein im unteren Drittel der Bundesliga oder oberen Drittel der Zweiten Liga” sei das realistische Ziel für die kommenden Jahre und deshalb erschien es auch nur logisch, dass der Club sich nicht mit aller Macht finanziell überwarf, um dann eventuell trotzdem abzusteigen und in der Folge durchgereicht zu werden.

Andererseits hat sich der Club aber spielerisch weiterentwickelt und gezeigt, dass ein Erhalt der Klasse keinesfalls utopisch sein muss. Nicht zuletzt bedingt durch den Trainerwechsel haben die Nürnberger in der Rückrunde mehrfach auf Augenhöhe mit einigen Bundesligisten agieren können. Waren es in der Hinrunde noch 8 Spiele, die der Club mit 2 oder mehr Toren Unterschied verlor, sind es in der Rückrunde bisher erst 3 gewesen. Die restlichen 5 Niederlagen hätten häufig auch einen anderen Ausgang haben können.

Mutige Spielweise

Der Club muss sich den Vorwurf gefallen lassen, aus engen und offenen Partien zu wenig mitgenommen zu haben. Es fehlt an Kaltschnäuzigkeit in den entscheidenden Momenten. Vielleicht spielt hier auch die Erfahrung eine Rolle. Nur 9 der 27 eingesetzten Spieler in dieser Saison sind älter als 25 Jahre, nur 4 von ihnen sind 30 oder älter. Zum Vergleich: Bei Konkurrent Düsseldorf sind 14 der 26 eingesetzten Spieler älter als 25 – 7 von ihnen 30 oder älter. Insgesamt ist das nur als Feststellung und nicht als Kritik zu betrachten. Nürnbergs Weg ergibt insgesamt Sinn, will man sich auf Dauer zwischen den Plätzen 15 und 21 in Deutschland etablieren.

Während Düsseldorf aber beispielsweise einige Punkte holte, die dem Spielverlauf weniger entsprachen, hat Nürnberg häufig Punkte verschenkt. In der Expected-Goals-Tabelle von understat hat keine Mannschaft eine so große Deskrepanz zwischen den realen und den erwarteten Punkten wie der FCN (31,17 xPTS und 18 tatsächliche Punkte). Düsseldorf steht mit 33,63 xPTS mit nur knapp 2 Punkten mehr auf Platz 13 dieser fiktiven Tabelle. In der Realität trennen beide Mannschaften 19 Punkte.

Exemplarisch dafür war das 1:1 in Stuttgart, wo der Club aus einer guten Partie nicht den nötigen Ertrag mitnahm. Dieser Aspekt sorgt letztendlich dann vielleicht doch für ein wenig Ärger in Nürnberg, sollte man wieder absteigen. Es ist aber bemerkenswert, dass die Nürnberger auch im Oberhaus ihren fußballerischen Prinzipien treu geblieben sind. Trotz des Qualitätsunterschieds sind sie darum bemüht, strukturiert und mit Kurzpässen aus der Defensive herauszukombinieren.

Mit Positionswechseln den Qualitätsunterschied ausgleichen

Oft nutzen sie dafür unterschiedliche Positionswechsel, die den eigenen Spielern ein paar Sekunden mehr Zeit bei ihren Entscheidungen geben sollen. Gegen Stuttgart ließ sich Löwen als Achter zum Beispiel diagonal auf die defensive Außenposition fallen, während Außenverteidiger Bauer die Linie hochschob. Stuttgart verlor dadurch mehrfach den Zugriff auf den Gegner und Nürnberg bekam ein paar Räume, um die Pressinglinie zu überspielen und zwischen die Linien zu kommen.

Durch clevere Positionswechsel erarbeitet sich Nürnberg einen zeitlichen Vorteil, der die fehlende individuelle Klasse gegen Mannschaften wie Stuttgart ausgleichen kann.

Vorne haben sie zudem mit Ishak und Pereiera zwei Spieler, die zuletzt überzeugen konnten. Sie sind schnell, beweglich und trauen sich mit dem Ball viel zu. Die vielleicht größte Veränderung zur Hinrunde ist aber, dass die Nürnberger eine bessere Balance aus Offensive und Defensive gefunden haben.

Liefen sie zunächst noch zu oft ins offene Messer, schaffen sie es jetzt, auch bei Ballverlusten genügend Spieler hinter dem Ball zu haben. Auch gegen die Münchner wird Nürnberg versuchen, sich aus den Drucksituationen mit kreativen Lösungen zu befreien. Zwar ist damit zu rechnen, dass es deutlich mehr Situationen geben wird, in denen der Club das Mittelfeld überbrücken muss, so sind sie trotzdem eine Mannschaft, die in Umschaltsituationen und eigenen Ballbesitzphasen Fußball spielen will und kann.

Bayern ist gewarnt

Die Frage danach, wie der FC Bayern den 1. FC Nürnberg schlagen kann, ist letztendlich aber trotzdem nicht schwer zu beantworten: Es braucht keine großen taktischen Kniffe oder einen strategischen Vorteil, um den 17. der Bundesliga zu besiegen. Dafür braucht es „lediglich“ den nötigen Respekt für den Gegner und eine gute Einstellung.

Die individuelle Klasse des FC Bayern ist ungleich höher als die des Gegners. Doch Nürnberg kann die großen Teams der Liga ärgern. Im eigenen Stadion gab es in dieser Saison bereits ein 0:0 gegen Dortmund, ein 1:1 gegen Frankfurt, ein 1:1 gegen Leverkusen, ein 1:1 gegen Bremen und eine knappe 0:1-Niederlage gegen Leipzig. Auch Hoffenheim biss sich in der Rückrunde die Zähne am Club aus und gewann durch ein spätes Tor in der 78. Minute „nur“ mit 2:1.

Für den FC Bayern sollte all das Warnung genug sein. Wer am Ende Deutscher Meister werden will, muss gegen die Mannschaften von unten souverän punkten. In den letzten Jahren war das der große Unterschied zur Konkurrenz. Die Bayern nahmen diese Spiele ernst und holten gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte konsequent gute Ergebnisse. In dieser Saison patzten sie gegen Augsburg, Freiburg (2x) sowie Düsseldorf und ließen so 8 Punkte liegen.

Das Restprogramm der beiden Titelanwärter

Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass der Meisterschaftskampf noch spannend ist. Und vermutlich wird er das auch bis zum Schluss bleiben. Wer sich das Restprogramm des BVB und der Bayern ansieht, wird sich mit einer Prognose schwer tun.

Mit Nürnberg (A) und Hannover (H) spielt der amtierende Meister zunächst gegen die beiden Schlusslichter der Liga. Bei allem Respekt vor den Gegnern sind das Pflichtsiege. Dortmund hat im direkten Vergleich die schwereren Aufgaben. Das Heimspiel gegen Schalke 04 sollte ebenfalls ein Pflichtsieg sein. Auch wenn das Derby häufig seine eigenen Gesetze hat, gibt es derzeit nur wenig, was unvorstellbarer wäre als ein Punktgewinn der Knappen beim BVB. (Update, 27. April 2019, 17:27 Uhr: Der Vorstellungskraft entgegen stemmten sich an diesem Nachmittag 11 leidenschaftlich kämpfende Schalker und ein BVB, der alles tat, um dies zu ermöglichen. Der FC Bayern kann sich in Nürnberg morgen mit einem Sieg bedanken.) Und nächste Woche müssen die Schwarz-Gelben nach Bremen und wie schwer diese Aufgabe ist, zeigte sich erst kürzlich im Pokal. Werder machte es dort nicht nur den Münchnern schwer, sondern sorgte darüber hinaus dafür, dass Dortmund ausschied.

Sollte der BVB nach diesen zwei Spieltagen aber weiterhin an den Bayern dran sein oder sie sogar überholen, wendet sich das Blatt. Denn auch wenn Dortmund am letzten Spieltag nochmal nach Gladbach muss und das Heimspiel gegen Düsseldorf davor noch nicht gewonnen ist, so haben die Bayern mit Leipzig (A) und Frankfurt (H) das schwerere Schlussprogramm.

Endlich wieder Spannung!

Helfen könnte den Münchnern in dieser Konstellation, dass RB Leipzig zum Zeitpunkt des Spiels bereits für die Champions League qualifiziert sein wird. Vielleicht will Rangnick dann mit Blick auf das Pokalfinale bewusst noch nicht alles auf den Rasen bringen, was er an taktischen Mitteln gegen den FC Bayern hat. Die Frankfurter sind zudem noch in der Europa League vertreten. Das Halbfinal-Rückspiel gegen Chelsea findet zwar nicht direkt vor dem Spiel gegen die Bayern statt, doch mit 44 Pflichtspielen hatten sie schon jetzt eine enorme Belastung. Nichtsdestotrotz zählen Leipzig (Platz 2, 9 Siege, 3 Unentschieden, 1 Niederlage) und Frankfurt (Platz 5, 7 Siege, 5 Unentschieden, 1 Niederlage) zu den formstärksten Teams der Rückrunde.

Fakt ist, dass diese Rechnerei unter Beweis stellt, wie schön so ein Saisonfinale sein kann. Unabhängig davon, welche Schwächen der Bayern dafür verantwortlich sind, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch spannend ist, macht es Spaß, die Restprogramme beider Mannschaften im Kopf durchzuspielen.

Es ist auch ohne Champions League mal wieder ein heißer Mai. Und eins muss auch mal gesagt werden: Sollte Dortmund alle restlichen Spiele gewinnen, kämen sie auf 81 Punkte. Es sind bei weitem nicht nur die Schwächen der Bayern, die es spannend machen. Der BVB hat sich den Platz als Titelanwärter verdient. Auch wenn man im Detail mal nachhaken müsste, wie weit sich diese beiden Klubs vom Rest der Liga entfernt haben, um bewerten zu können, wie viel 75-80 Punkte wirklich wert sind. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema. Genießen wir erstmal das Saisonfinale. Wer weiß, wann es wieder zu so einem Endspurt kommt …

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier.

Ergebnisse der letzten beiden Vorschauen: Justin 6 – 6 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 114 – 104,6 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Kingsley Coman
  2. Freie These: In den ersten 25 Minuten fällt kein Tor.
  3. Über/Unter 3,5: Unter!
  4. Aufstellung: Ulreich – Kimmich, Süle, Hummels, Alaba – Thiago, Goretzka – James – Gnabry, Lewandowski, Coman

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Serge Gnabry
  2. Freie These: Nürnberg trifft nicht.
  3. Über/Unter 3,5: Unter
  4. Aufstellung: Ulreich, Kimmich, Süle, Hummels, Alaba, Thiago, Martínez, Müller, Gnabry, Lewandowski, Coman