Vorschau: FC Bayern München – 1. FC Köln

Justin Trenner 30.09.2016

Wir haben uns für die Vorschau Eike vom Gut Sport Podcast eingeladen. Eike bespricht dort mit unserem Autor Steffen wöchentlich den aktuellen Bundesliga-Spieltag sowie die interessantesten Themen des Sports. Im Interview erzählt er uns das wichtigste zum Lauf des Effzeh und weshalb er die Bayern im Meisterrennen vorne sieht.

Hallo Eike, wir haben bereits vor dem letzten Spiel miteinander gesprochen. Damals sprachen wir von einer schwachen Chancenverwertung des effzeh. Heute steht das Torverhältnis nach fünf Spielen bei 9:2. Was hat sich getan?

Et läuft… würde man wohl in Köln sagen. Es stimmt zur Zeit einiges in der Mannschaft. Die Truppe ist eingespielt und hat viel Selbstvertrauen, das scheint dazu zu führen dass wir wieder mehr Ruhe vor dem Tor haben. Die Defensive war unter Stöger schon immer unser Prachtstück und auch letzte Saison haben wir uns für unsere Verhältnisse viele Chancen rausgespielt. Dieses Jahr machen wir mehr davon rein. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt. Ich kann mich erinnern, dass Modeste ne lange Durststrecke hatte letzte Saison, Osako hatte sogar nur einmal am 1. Spieltag getroffen. Und wenn man sich jetzt die Tore gegen Schalke und Leipzig anguckt, dann sieht man einfach: Die Jungs glauben an sich. Unsere großen Pluspunkte sind die Geschlossenheit, dass der Kader fast komplett zusammen geblieben ist und wir uns nur punktuell verstärkt haben. Die Abläufe stimmen und das sieht man aktuell.

Warum scheint Modeste jetzt so zu explodieren?

Ich war im Sommer im ersten Trainingslager in Bad Tatzmannsdorf in Österreich und habe da zum Tony gesagt er soll sich mal vor dem Tor zusammen reißen. Nee, Scherz bei Seite. Dass Modeste einer der besten Stürmer der Liga sein kann, hat er meiner Meinung nach damals schon in Hoffenheim angedeutet. In Köln fühlt er sich sehr wohl und bringt es aktuell auf den Platz. Letzte Saison war es nicht immer so und im Sommer gab es ja auch das Wechseltheater, also mal gucken wie lange das so bleibt. Wer mich jedoch viel mehr beeindruckt ist der Osako. Ich fand ihn damals bei 1860 schon gut und habe mich sehr über den Transfer gefreut. Aber er hat sich nie wirklich durchsetzen können bei uns und wurde hart kritisiert. Stöger hat jedoch immer an ihn geglaubt und ihn immer wieder gebracht (siehe die ersten Minuten in diesem Video). Endlich wird er in Köln gefeiert. Ich war am 1. Spieltag gegen Darmstadt da und als Osako für Rudnevs kam, ging ein Raunen durchs Stadion. Gegen Leipzig wurde er jetzt mit Standing Ovations verabschiedet. So ist Fußball.

Spieler wie Jonas Hector haben ihren Vertrag in Köln verlängert. Wächst da eine Truppe heran, die bald um die europäischen Plätze spielen kann oder ist das wieder nur eine Momentaufnahme?

Dass sich Spieler wie Jonas Hector und Timo Horn gegen einen Wechsel zu einem Champions-League-Verein entschieden haben, zeigt, dass in Köln aktuell viel richtig gemacht wird. Aber wir haben das im Gut Sport Podcast auch schon besprochen, Verträge zu verlängern ist heute nicht mehr unbedingt ein Treuebekenntnis zum Verein, sondern nachhaltiges Wirtschaften. Und wenn wir eines Tages unsere Schulden loswerden wollen und die finanzielle Lücke zu den Vereinen die vor uns stehen verkürzen wollen, ist das zwingend notwendig. Unabhängig von den Vertragslaufzeiten glaube ich schon, dass da gerade was zusammen wächst. Wir haben viele gute Leute in den Führungspositionen, jeder übernimmt seine Verantwortung und versucht den Effzeh nach vorne zu bringen. Und das spiegelt sich dann auch im Team wieder. Es scheint keine Grüppchenbildung zu geben, alle Spieler betonen in den Interviews immer wieder, wie gut die Stimmung ist. Ich glaube da ist was dran. Und auch wenn es diese Saison für Europa reichen sollte (disclaimer: die Saison ist lang), kann es ganz schnell wieder ganz woanders hingehen. Ein Blick nach Hannover reicht.

Schlüsselspieler wie Jonas Hector konnten gehalten werden.(Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty Images)
Schlüsselspieler wie Jonas Hector konnten gehalten werden.
(Foto: Patrik Stollarz / AFP / Getty Images)

Beim letzten Interview rechneten wir beide mit tiefstehenden Kölnern und einer Fünferkette. Diesmal bin ich mir, auch aufgrund der neuen Spielweise des FC Bayern, nicht ganz so sicher. Wie erwartest du den Effzeh?

Für mich die spannendste Frage. Bisher war es so, dass wir gegen vermeintlich übermächtige Gegner die 3+2-Kette ausgepackt haben. Ich denke, dass kann Samstag wieder passieren, bin aber gespannt was Stöger den Jungs zutraut. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir mit Viererkette spielen, vielleicht nicht die ganze Zeit, aber zwischendurch. Der Wechsel zwischen den Systemen während des Spiels hat gegen Schalke auch schon gut geklappt. Ansonsten sind die Schlüsselsituationen klar: Ihr werdet das Spiel machen und uns hinten reindrängen und wir müssen versuchen die Umschaltsituationen zu nutzen. Das können wir diese Saison ziemlich gut und wenn dann unser französisch-japanisches Knipser-Duo vor dem besten Torwart der Welt auftaucht, geht vielleicht was…

Wie geht das Spiel aus und weshalb erreicht der 1. FC Köln diese Saison eine bessere Platzierung als in der letzten?

Im Podcast habe ich 4:1 für euch getippt. Aber eigentlich nur um die Latte für Steffen möglichst hoch zu legen. Insgeheim träume ich natürlich von einem Punkt in München. Es wäre mal wieder Zeit und die 7500 Kölner hätten sich auch eine schöne Wiesn verdient. Vielleicht kommt es ja wirklich so: Ecke für Euch, Freddie klärt, Hector spielt den Ball schnell auf Risse, Osako und Modeste kommen mit, kreuzen, Risse spielt den Ball in die Schnittstelle und Yuya macht ihn rein. Dass es nur zum 1:1 reicht, liegt am Bayerndusel bzw. an eurem neuen Mentalitätsmonster und Torjäger Nr. 1 Joshua Kimmich.

Im Gut Sport Podcast hast du auch vor der Saison auf den FC Bayern als Meister getippt. Bleibt das auch nach 5 Spieltagen so?

Klar. Defense wins championships. Wir werden es euch zusammen mit dem BVB so lange wie möglich schwer machen, aber am Ende des Tages ist die Saison zu lang für einen Überraschungsmeister aus dem Westen und ihr habt die reifste und beste Mannschaft.


Peter Stöger und Jörg Schmadtke leisten hervorragende Arbeit in Köln. Der Effzeh scheint im oberen Tabellendrittel angekommen zu sein und zeigt dabei anderen Traditionsvereinen, wie man erfolgreich sein kann.

Die Stärken des 1. FC Köln

Viele Tradtitionsvereine haben und hatten zuletzt ein ganz großes Problem. Es fehlte neben der Nachhaltigkeit auch ein klares Konzept. Nicht so die Kölner. Mit der Verpflichtung von Jörg Schmadtke und Peter Stöger im Jahr 2013 kehrte endlich Ruhe ein. Während Schmadtke neben seiner seriösen und erfolgreichen Arbeit den Verein auch nach Außen meist gut verkauft, steht Stöger für die Weiterentwicklung des Teams. Der Trainer hat damit angefangen die Defensive zu stabilisieren und arbeitete über die Jahre schließlich an der offensiven Durchschlagskraft.

Der Effzeh wurde in seiner ersten Saison mit nur 20 Gegentoren Zweitliga-Meister. Es folgten zwei Jahre im Oberhaus, in denen Köln zunächst mit 40 Punkten und 40 Gegentoren auf Platz 12 landete, um im Jahr darauf mit 43 Punkten und 42 Gegentoren Neunter zu werden. Beide Male zählten sie zu den besten sieben Defensivreihen der Liga. Die Stöger-Elf hat sich dort enorm gefestigt.

Sie sind in der Lage in mehreren Systemen kompakt zu verschieben. Die Abstände zwischen den Ketten, aber auch in den einzelnen Mannschaftsteilen selbst werden immer besser und es ist eine große Herausforderung diesen Verbund zu knacken. Köln kann zwischen Dreier- und Fünferkette alles spielen.

Sie verteidigen so tief wie keine andere Mannschaft der Liga. Aus dieser kompakten und gut organisierten Formation versuchen sie dann Umschaltmomente zu kreieren. Auf dem Papier ist das genau das richtige Mittel gegen die Bayern, wenn sie es mutig genug umsetzen. Das Atlético-Spiel war ein Beispiel auf aller höchstem Niveau. Ständige Variationen im Pressing, ohne aber die Kompaktheit zu verlieren. Damit haben die Münchner Probleme.

Auch die Zweikampfquote wird entscheidend sein. In der defensiven Zentrale sind Mavraj und Heintz vor Timo Horn gesetzt. Beide gewinnen mehr als die Hälfte ihrer Zweikämpfe und bringen ihre Pässe meist an den Mann. Auch hier hat Köln riesige Fortschritte gemacht. Die Aufbaustruktur ist so gut, dass sie auch höheres Pressing mal überspielen können. Das zeigte sich sowohl gegen Schalke als auch in der Begegnung mit Leipzig. Mavraj bringt 86% seiner Pässe an den Mann. Heintz hingegen geht etwas mehr Risiko von den beiden, kommt aber dennoch auch ordentliche 78%.

Auf der Außenbahn ist der Effzeh fast schon überbesetzt. Mit Rausch, Mladenovic, Sörensen und Hector haben sie gleich vier gestandene und gute Außenverteidiger. Auch Risse, der eigentlich im Mittelfeld spielt, kann diese Position bekleiden. Gegen Leipzig spielte Rausch links und Sörensen rechts. Dadurch konnte Jonas Hector in die Zentrale neben Matthias Lehmann rücken. Sörensen interpretiert seine Rolle zudem etwas defensiver, während Rausch höher positioniert ist. Das führt zu einer Dreierkette im Aufbau, was auch die Passmap aus dem Leipzig-Spiel ganz gut verdeutlicht.

Die beiden Sechser ergänzen sich ziemlich gut. Hector gibt der Kölner Ballzirkulation auf jeder Position Sicherheit. Er ist immer anspielbar und bringt 83% seiner Pässe an den Mann. Darüber hinaus glänzt er zurzeit mit durchschnittlich 66% gewonnenen Zweikämpfen.

Auch im Angriff ist die Stöger-Elf derzeit großartig unterwegs. Der im Interview angesprochene Modeste trifft im Moment wie er will und gibt den Kölnern auch die Möglichkeit, sich mit langen Bällen zu befreien. Der wuchtige Stürmer kann diese fest machen, absichern und in den eigenen Reihen halten.

So sehr man aber auch auf individuelle Stärken der Spieler eingeht, man kommt immer wieder zum mannschaftstaktischen Gefüge des 1. FC Köln. Sie sind gut organisiert, haben schnelle Spieler auf den Außenbahnen und Stürmer, die zurzeit nur wenige Abschlüsse für ein Tor brauchen. Das alles und das Vertrauen in sich, auch Rückstände drehen zu können, macht sie zu einem gefährlichen Gegner für die Bayern.

Die Schwächen des 1. FC Köln

Die größten Schwachstellen des Effzeh liegen momentan schlicht in der individuellen Klasse. Das ist keine Kritik am Verein oder dem Team, sondern die bloße Erkenntnis, dass es eben doch Vereine in der Liga gibt, die da deutlich mehr Möglichkeiten haben. Es sind oft Kleinigkeiten die Fußballspiele entscheiden und da reicht ein Ballverlust unter Druck.

Wenn das kompakte Gebilde der Kölner in ständiger Bewegung ist, entstehen auch irgendwann Lücken. Außerdem ist das Spiel der Stöger-Elf weiterhin sehr linkslastig. Vergangene Saison vor allem deshalb, weil Schlüsselspieler Hector auf der linken Seite agierte. In dieser Saison hat sich das etwas verbessert, aber es gehen weiterhin 39% der Angriffe über diese Seite.

Die Passmap weiter oben zeigt das auch. Risse rückt immer wieder ein, Sörensen steht etwas tiefer als Rausch und so entstehend Überladungen auf Links. Kann man als Gegner dort den Ball erobern und sich aus dem Gegenpressing befreien, entstehen bespielbare Räume auf der anderen Seite. Inwiefern das aber gegen die Bayern der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Stöger wird hier vermutlich deutlich vorsichtiger spielen lassen.

Darauf sollten die Bayern achten

Der FC Bayern muss Durchschlagskraft entwickeln. Das geht nur über viel Bewegung und ein mutiges Positionsspiel. Auch gegen Atlético fehlte eine mutigere Besetzung der Räume im letzten Drittel. Immer wenn Thiago ins offensive Spiel eingriff, wurde es gefährlich. Blieben die zentralen Mittelfeldspieler aber an der Außenlinie oder weiter hinten, so blieb die Gefahr meist aus.

Außerdem werden die Seitenverlagerungen wieder wichtig sein. Zuletzt haben sich die Münchner hier klar gesteigert. Immer wieder befreiten sie sich aus engen Situationen, um dann über Thiago oder Alonso das Spiel zu verlagern. Daraus resultiert Platz für die Flügelspieler. Gerade Ribéry wurde zuletzt zu selten in Situationen gebracht, in denen er mit Platz auf die gegnerische Kette zulaufen konnte. Der Franzose verpasste allerdings das Training am Freitag, weil er müde war. Es könnte also gut sein, dass der FC Bayern diese Situationen am Samstag für Robben und/oder Coman kreieren muss.

Sollte Köln mit einer Fünferkette agieren, wird es zäh. Umso wichtiger wird es dann geduldig und schnell die Seiten zu wechseln. Das vertikale Spiel des Rekordmeisters darf nicht in Hektik ausarten. Köln hat eine Qualität im Umschaltspiel, die in der Bundesliga diese Saison noch kein Gegner mitbrachte. Unnötige Ballverluste, wie sie mehrfach gegen Atlético auffielen, sind deshalb zu vermeiden.

Die Bayern sind wieder mal Favorit, aber der 1. FC Köln bringt das Rüstzeug mit, um sie zu knacken. Peter Stöger kann auf eine Fünfer- oder Viererkette setzen, aber in jedem Fall wird sein Team gut organisiert und stabil stehen. Ancelotti wird – nicht nur in diesem Spiel – Lösungen finden müssen, die über die Klasse individueller Spieler hinausgeht.

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele gegen den 1. FC Köln

Bilanz

  • 92 Spiele, 46 Bayern-Siege, 24 Köln-Siege, 22 Unentschieden
  • 312 Tore, 189 FCB-Tore, 123 FC-Tore
  • Aktuelle Siegesserie: Sechs Siege in Folge für den FC Bayern.
Robert Lewandowski und Jérôme Boateng haben bisher jedes Aufeinandertreffen mit dem 1. FC Köln gewonnen.(Foto: Martin Rose / Bongarts / Getty Images)
Robert Lewandowski und Jérôme Boateng haben bisher jedes Aufeinandertreffen mit dem 1. FC Köln gewonnen.
(Foto: Martin Rose / Bongarts / Getty Images)

Fun Facts

  • Vor der aktuellen Siegesserie konnten die Münchner fünf Partien in Folge gegen den Effzeh nicht für sich entscheiden (2 Niederlagen, 3 Unentschieden).
  • Beide Teams sind in dieser Saison noch ungeschlagen.
  • Saisonübergreifend ist der FC Bayern seit 15 Spielen ungeschlagen und der Effzeh seit 10.
  • Es treffen die beiden besten Defensivreihen der Liga aufeinander. Die Münchner kassierten erst einen Gegentreffer, Köln zwei.
  • Robert Lewandowski (8 Siege, 7 Tore) und Jérôme Boateng (6 Siege) haben bisher jedes Spiel gegen den 1. FC Köln gewonnen.
  • Zu Hause sind die Bayern nur seit fünf Spielen ungeschlagen gegen ihren nächsten Gegner. Die letzte Niederlage gab es am 21. Spieltag der Saison 2008/09 (1:2).
  • Die Heimspielbilanz gegen den Effzeh liegt bei 25 Siegen, 13 Unentschieden und 9 Niederlagen. Damit sind die Gäste das einzige Team, gegen das die Bayern nicht mehr als die Hälfte ihrer Heimspiele gewonnen haben.
  • Gegen keine andere Mannschaft blieb Bayern zu Hause häufiger ohne eigenen Torerfolg (7 Mal).
  • Nur gegen Bremen verloren die Münchner in ihrer Bundesliga-Geschichte öfter als gegen die Kölner (23 Mal, wie gegen den BVB).
  • Der 1. FC Köln hat gegen den Rekordmeister nicht seine schlechteste Bilanz. Gegen Wolfsburg, Gladbach und Augsburg ist sie jeweils schlechter. Gladbach (46) konnte sogar fünf Mal häufiger gegen sie gewinnen als der FCB (41).
  • Am 15. Mai 1971 gewannen die Bayern gegen Köln mit 7:0 in München. Bis heute die höchste Bundesliga-Niederlage des Effzeh.
  • Den höchsten Auswärtssieg beim FC Bayern holten sich die Kölner gleich beim ersten Bundesliga-Gastauftritt dort. Am 21. Mai 1966 besiegten sie den damaligen Aufsteiger aus München mit 4:1.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Bayern spielt zu Null.
  2. Lewandowski wird treffen.
  3. Der FCB schießt maximal zwei Tore.
  4. Boateng und Hummels werden erstmals zusammen auflaufen.
  5. Robben wird an einem Treffer direkt beteiligt sein.

Leider waren vier meiner fünf Thesen gegen Atlético richtig. Insgesamt hebt das den Schnitt auf 21/40 und somit wieder leicht über 50%.