U17 vor dem Spitzenspiel

Justin Trenner 01.03.2019

Unser letzter Artikel über die Jugendmannschaften erschien noch vor Saisonbeginn. Damals beleuchteten wir ausführlich den Kader und die Erwartungen an die neue Spielzeit. Da der Jahrgang 2002 beim FC Bayern vergleichsweise schwach ausfiel, ging der Club mit einer äußerst jungen U17 in die Saison, in der bis zu sieben Spieler aus dem Jahrgang 2003 in der Startelf standen. Außerdem ging Miroslav Klose in seine erste Saison als hauptverantwortlicher Trainer.

Als ausgewiesene Favoriten gingen der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim in die Saison. Auch Eintracht Frankfurt und der FC Augsburg wurden hoch eingeschätzt. All diese vier Teams landeten zwei Jahre zuvor in der nahezu gleich besetzten U15-Regionalliga vor dem FC Bayern, der damals als Tabellenfünfter ins Ziel kam. Eine Platzierung, von der man angesichts der zwar hochtalentierten, aber auch sehr jungen Mannschaft auch in dieser Saison bei der sportlichen Leitung intern ausging.

Die bisherige Spielzeit lief für die U17 jedoch deutlich besser als erwartet. Mit 15 Siegen und nur zwei Niederlagen aus 17 Spielen steht die B-Jugend des deutschen Rekordmeisters an der Tabellenspitze. Drei Punkte beträgt der Vorsprung auf die Hoffenheimer bei einem Spiel weniger, dahinter lauert der FSV Mainz mit vier Punkten Rückstand. Noch neun Spieltage sind zu spielen, bis sich entscheidet, welches Team Süddeutschland in der Endrunde um die deutsche Meisterschaft vertritt. Es wäre die dritte Endrundenteilnahme des FC Bayern in Folge nach der Meisterschaft unter Tim Walter im Jahr 2017 und der Vizemeisterschaft unter Holger Seitz im Jahr 2018.

Wie die Saison bisher lief

Die ersten Saisonspiele schienen die gedämpften Erwartungen zu bestätigen. Einem zähen 3:1-Saisonauftakt gegen Wehen Wiesbaden folgte ein 2:1-Sieg in Unterhaching. Der war angesichts einer ganzen Halbzeit in Überzahl samt Feldspieler im gegnerischen Tor jedoch ein Grund für Trainer Klose, seine Mannschaft öffentlich zu kritisieren. „Wir können mit unserem Auftritt heute nicht zufrieden sein, über die gesamte Dauer haben wir nur reagiert und zu wenig agiert. Von der Einstellung hat es uns Haching vorgemacht, bei uns war es insgesamt zu wenig“, bilanzierte der Trainer nach dem Spiel. Es war das vollkommen richtige Signal an die Mannschaft, sich nicht nur mit drei Punkten zufrieden zu geben, sondern ihr deutlich zu machen, dass zu jedem Zeitpunkt 100% Einsatz gefordert sind.

Daraufhin folgte das bis dato beste Saisonspiel gegen den 1. FC Nürnberg (3:1), bevor der FSV Mainz mit einem klaren 3:0 die Mannschaft wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Ein Spiel, in dem die Mannschaft mit dem hohen Pressing der Hausherren vollkommen überfordert war. Eine Woche später bezwang man die Stuttgarter Kickers mit viel Mühe kurz vor Schluss noch mit 1:0. Anschließend reiste die Mannschaft zum Hinspiel nach Hoffenheim als klarer Außenseiter, behielt dort jedoch nach einer starken kämpferischen Leistung mit 2:1 die Oberhand und stand damit an der Tabellenspitze. Einem überzeugenden 6:0 gegen Schlusslicht Ulm folgte eine bärenstarke erste Halbzeit in Augsburg, in der die Mannschaft zum ersten Mal ein hervorragendes Positionsspiel zeigen konnte und den Gegner in dessen Hälfte fast erdrückte. Sinnbildlich jedoch für die junge Mannschaft, dass dann ausgerechnet in Überzahl in der zweiten Halbzeit nichts mehr klappen wollte und der 2:1-Sieg am Ende knapp ausfiel.

In der nächsten Partie ging es mit dem VfB Stuttgart gegen ein weiteres Topteam der Liga. Es war ein Match auf Messers Schneide mit lange Zeit feldüberlegenen Schwaben, die dann folgerichtig auch in Führung gingen. Doch die kleinen Bayern schlugen innerhalb weniger Minuten doppelt zurück und gaben die Führung bis zum Spielende nicht mehr her. Spätestens dieser Sieg ließ das Team vor Selbstvertrauen nahezu platzen, sodass die weiteren Spiele bis Weihnachten fast ein Selbstläufer waren. Abgesehen vom Gastspiel der Frankfurter Eintracht in München, die als eines der wenigen Teams mal wieder ein mutiges Offensivpressing wagte. Hier geriet die Mannschaft erneut wie gegen Mainz in massive Schwierigkeiten und verlor verdient mit 0:2. Deutliche Siege in Wiesbaden (4:0), gegen Haching (4:0) und in Nürnberg (5:0) rundeten den ersten Teil der Saison ab.

Taktik und Aufstellung

Über weite Strecken der bisherigen Saison setzte Miroslav Klose auf eine klassische Viererkette in der Abwehr. Nachdem die Mannschaft in beiden Spielen mit Dreierkette in Unterhaching und Mainz einige Probleme hatte, gab es diese in den weiteren Spielen nicht mehr zu sehen, sehr wohl jedoch zuletzt wieder in den Vorbereitungsspielen zur Rückrunde. Die beiden Außenverteidiger Angelo Brückner rechts und David Herold links agierten in ihrer Vergangenheit meist auf den offensiven Außenpositionen. Meist agiert die Kette im Spielaufbau recht klassisch. Mit hochstehenden Flügelverteidigern bei einem gegnerischen Stürmer, mit einem zwischen die Innenverteidiger abkippenden Sechser bei zwei gegnerischen Angreifern. Klose hat jedoch auch die ein oder andere Überraschung in petto.

In der Grafik eingezeichnet ist die nominelle Viererkette. Die Außenverteidiger agieren in diesem geordneten Spielaufbau über den Torwart kurzzeitig als Stürmer, während Stürmer Tillman das Mittelfeldzentrum stärkt und die beiden Flügelstürmer ganz außen darauf warten, Tempo aufzunehmen. Es ist der Versuch, die Stärken des Teams besser auszuspielen. Den schnellen Flügel Lasse Günther möglicherweise in ein Laufduell zu schicken oder dem dynamischen Tillman einen Antritt mit Ball aus der Tiefe des Mittelfelds zu ermöglichen.

In der Innenverteidigung entschied sich Klose neben Roman Reinelt etwas überraschend für Jamie Lawrence, der erst zur U16 vom kleinen Kirchheimer SC zum FC Bayern wechselte und in der vergangenen Saison nur eine äußerst kleine Rolle spielte. Die Wahl für den bereits jetzt 2,00 Meter großen Hünen erwies sich jedoch als goldrichtig. Gerade in den schwächeren Leistungs-Phasen der Mannschaft, in denen sie unter Druck gerät, ist er der Fels in der Brandung und köpft zuverlässig die Flanken des Gegners aus dem Strafraum. Für seine hervorragenden Leistungen in der Hinrunde wurde er nun in der Winterpause auch mit der ersten Nominierung für die Nachwuchsnationalmannschaft belohnt.

Im defensiven Mittelfeld agiert Leon Fust als Sechser im Aufbauspiel. Der Linksfuß war in den vergangenen Jahren meist auf der linken Außenverteidigerposition aktiv, kippte jedoch bereits in der U16 unter Danny Schwarz oft ins Mittelfeld hinein. Dabei war bereits zu sehen, dass diese Position durchaus die Zukunft für ihn sein könnte. Dass Klose diese Idee fortführte und mit allen Konsequenzen auch förderte, obwohl Fust gerade zu Saisonbeginn den ein oder anderen kritischen Ballverlust verursachte, ist lobenswert. Und es entspricht auch dem Credo der Nachwuchsabteilung, individuelle Förderung gegenüber den Spielergebnissen zu priorisieren.

Neben Fust absolut gesetzt ist Torben Rhein. Der wohl talentierteste deutsche Spieler im Jahrgang 2003 gilt aktuell als das heißeste Pferd im Stall des FC Bayern. Noch fliegt er ein wenig unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung, aber da werden noch genügend Schlagzeilen in den nächsten Jahren auf ihn einprasseln. Die Beidfußigkeit des gebürtigen Berliners sucht im deutschen Nachwuchsfußball seinesgleichen. Sowohl Ecken als auch Freistöße schießt er mit beiden Füßen in einer für dieses Alter unglaublichen Präzision. Genauso wie Diagonalbälle übers halbe Feld. Ein hervorragendes Beispiel ist diese Torvorlage im Spiel gegen Stuttgart, die er mit links aus der Drehung heraus perfekt spielt.

Als dritter Spieler in Zentrum kam zum Ende der Hinrunde Luca Denk nach seinem Kreuzbandriss zurück, den er Anfang Januar 2018 erlitt. Der physisch sehr weite, schussgewaltige Spieler galt vor seiner Verletzung als zweites Toptalent neben Rhein. Erst die Zeit wird zeigen, wie sehr diese lange Pause Denk geschadet hat. Vom Spielertyp erinnert er ein wenig an Michael Ballack. Ähnlich wie der ehemalige Bayernprofi besitzt Luca Denk ein hervorragendes Gespür dafür, als Mittelfeldspieler im richtigen Moment in die Spitze zu stoßen. Auch bei Distanzschüssen besitzt er eine herausragende Qualität. Auch auf seine Offensivqualitäten wird es in der Rückrunde ankommen, um den Verlust von Malik Tillman zu kompensieren.

Denn der Kapitän des Teams rückte vorzeitig zur U19 auf. Über weite Strecken agierte er bei der U17 auf der 10, nach Denks Rückkehr dann als Sturmspitze. Mit zehn Toren und sechs Vorlagen war er Topscorer des Teams. Ihn wird das Team nicht 1:1 ersetzen können. Zwar ist David Halbich, der in der Rückrunde als Sturmspitze agieren dürfte, ein solider Kaderspieler, er besitzt jedoch nicht das herausragende Talent seiner Mitspieler. Malik Tillman, einst als Zugabe seines größeren Bruders Timothy an die Isar gewechselt, wird mittlerweile talentierter eingeschätzt als sein seit langer Zeit stagnierender Bruder. In der U19 wird er wieder vorwiegend im zentralen Mittelfeld neben Angelo Stiller spielen und das Duo bilden, das die U17 letzte Saison bis ins Finale um die Deutsche Meisterschaft führte.

Auf den Außenpositionen waren links Moritz Mosandl und rechts Lasse Günther gesetzt. Mosandl, der nach seinem Schienbeinbruch eine ganze Saison aussetzen musste, spielt eine eher durchwachsene Saison mit einzelnen Ausreißern nach oben. Er ist jedoch auch ein Opfer der vielen talentierten Spieler im Zentrum, wo er früher agierte und fremdelt merklich mit den Aufgaben auf dem Flügel. Ganz anders Günther, der wie gemacht für einen Flügelstürmer ist. Seit jeher mit Dynamik und einer herausstechenden Geschwindigkeit gesegnet, gehen vier Tore und acht Torvorlagen auf das Konto des ehemaligen Augsburgers. Für die deutsche U16-Nationalmannschaft kommt er meist als Stürmer zum Einsatz und erzielte fünf Tore in sieben Spielen. Günther kann man ein wenig mit Kingsley Coman vergleichen: Hohe Endgeschwindigkeit, viel Dynamik, aber Schwächen in der finalen Aktion beim Torabschluss oder auch beim Pass. Zudem muss er noch am ersten Ballkontakt ein wenig arbeiten. Insgesamt schlägt er sich aber erstaunlich gut gegen die fast ausschließlich älteren Gegenspieler, mit denen er es zu tun hat.

Insgesamt besteht die Stammformation der U17 derzeit aus vier 2002 geborenen Spielern (Torwart Manuel Kainz, Lawrence, Mosandl, Halbich) sowie sieben 2003 geborenen Spielern (Brückner, Reinelt, Herold, Fust, Denk, Rhein, Günther). In der Winterpause wurde die Mannschaft weiter verjüngt. Für die abgewanderten Tillman (U19), Evangelou, Sieghart (Unterhaching) und Oberleitner (Augsburg) rückten aus der U16 mit Gabriel Marusic, Behar Neziri und Nemanja Motika drei weitere 2003 geborene Spieler in Kloses Team auf. Außerdem mit Yusuf Kabadayi sogar ein 2004 geborener Spieler. Die vier dürften jedoch erst in der nächsten Saison eine tragende Rolle in der U17 einnehmen und die Zeit bis dahin nutzen, sich auf dem körperlichen Niveau zurechtzufinden.

Ausblick und Erwartungen

Noch neun Spiele sind für die U17 des FC Bayern zu spielen. Dabei genießt man gegen die schärfsten Verfolger Mainz und Hoffenheim jeweils Heimrecht. Der Verlust von Kapitän Tillman ist im Hinblick auf die Staffelmeisterschaft ein schwerer Schlag für das Team, das nun gefordert ist, die verlorene Torgefahr im Kollektiv aufzufangen. Ob das gelingen wird, ist eine der vielen spannenden Fragen in der Rückrunde. Viel wichtiger als die Staffelmeisterschaft ist jedoch, dass sich die Spieler auch individuell sowie mannschaftlich weiterentwickeln.

Das ist Klose in der Hinrunde bereits mit einigen Spielern merklich gelungen. Neben Lawrence ist auch David Herold ein großer Gewinner, der eigentlich für die U16 eingeplant war, nun U17-Stammspieler ist und ebenfalls erste Schritte in der Juniorennationalelf machen durfte. Interessant wird auch, ob Klose das Team mannschaftstaktisch noch weiter entwickeln kann. Gerade die Anfälligkeit gegen hohes Pressing war in der Hinrunde auffällig. Hier muss das Team cleverer agieren, sich besser positionieren und mehr Anspielstationen schaffen, um die erste gegnerische Linie zu überspielen. Gerade die Spitzenspiele dürften hier zeigen, ob das Team hier Fortschritte zeigt.

Außerdem gibt es noch ein offenes Potential in Sachen Dominanz. Insgesamt geriet das Team im bisherigen Saisonverlauf noch zu oft unter Druck. Das Positionsspiel war situationsweise ausbaufähig, die Mannschaft verlor teilweise im Laufe eines Spiels die Ballsicherheit und die Konzentration, um Partien ungefährdert runterzuspielen. Zweifellos angesichts der sehr jungen Mannschaft eine durchaus erklärbare Schwäche, aber eben auch ein Aspekt im Spiel, an dem gearbeitet werden muss. Auch das Angriffspressing bietet noch einiges an Potential. Hier ließ Klose sein Team in der Hinrunde sehr vorsichtig und risikoarm agieren und setzte meist auf ein Mittelfeldpressing.

Für den Beobachter auf der Tribüne macht es großen Spaß, diese Mannschaft Fußball spielen zu sehen. Lange hatte der FC Bayern keinen so talentierten Jahrgang mehr wie die 2003er, die in der Spitze wie in der Breite erstaunlich gut aufgestellt sind. Eine handvoll 2003 geborener Spieler, die herausragend talentiert, aber körperlich noch etwas unterentwickelt sind, wurden hier noch gar nicht genannt, da sie noch U16 spielen. Noch fliegen all diese Spieler unter dem Radar der breiten öffentlichen Wahrnehmung. Es dürfte die Ruhe vor dem Sturm sein, der in den nächsten Jahren auf sie einprasseln wird. Und es dürfte sehr interessant sein, in zehn Jahren beim nochmaligen Lesen dieses Artikels zu bilanzieren, wo diese Spieler dann in ihrem Leben stehen.