Top 15 der Klubgeschichte: Plätze 7 & 6

Maurice Trenner 01.01.2019
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Einleitung
Plätze 15 bis 12
Plätze 11 bis 8
Plätze 7 & 6
Plätze 5 & 4
Platz 3
Platz 2
Platz 1

Platz 7: Bastian Schweinsteiger

von Justin Kraft

In seiner Karriere hat Bastian Schweinsteiger viele große Spiele erlebt. Im Mai 2012 erlebt er jedoch eines, das bis zu diesem Zeitpunkt alle anderen Spiele überschatten würde. Es ist das Finale der Champions League. Im eigenen Stadion. In 120 Minuten gelang es seiner Mannschaft nicht, den Deckel draufzumachen. Obwohl sie klar besser war. Schweinsteiger hat ein großartiges Spiel hinter sich. Er übernahm von Beginn an Verantwortung und zeigte Präsenz sowie strategische Intelligenz. Vielleicht war es bis dato sein stärkstes Spiel für den FC Bayern.

Vor dem Elfmeterschießen zeigt er erneut, dass er zum Führungsspieler gereift ist. Er spricht mit Mitspielern und lässt sich als letzten Schützen eintragen. Für Schweinsteiger ist das nicht nur ein Finale. Es ist die Möglichkeit, den größten Titel überhaupt auf Klubebene zu gewinnen. Im eigenen Wohnzimmer. München ist seine Heimat, sein Zuhause.

Das Elfmeterschießen ist nach vier Runden ausgeglichen. Alles hängt nun an Schweinsteiger und Drogba. Trifft er, setzt er Drogba enorm unter Druck. Vielleicht sind es die längsten fünfzig Meter, die Schweinsteiger nun geht. Viele Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Schon in Madrid hatte er einen wichtigen Elfmeter verwandelt. Schweinsteiger läuft an. Stille. Der kollektive Puls einer ganzen Stadt ist in diesem Moment zu spüren. Die Angst vorm Scheitern ist groß.

Schweinsteiger schießt. Ein Bruchteil einer Sekunde entscheidet nun womöglich darüber, wie seine Leistung und vor allem seine ganze Karriere fortan wahrgenommen wird. Er und Lahm sind gebranntmarkt. Eine äußerst talentierte Generation, die sich das Gold erst noch verdienen muss, um nicht als gescheitert zu gelten. Es ist das typische Drama einer Leistungsgesellschaft, die Titel und Erfolge über alles stellt. Ohne diesen Pokal mit den Ohren wird Schweinsteiger in der Wahrnehmung vieler unvollendet bleiben.

Der Ball fliegt in Richtung Čech, der in die richtige Ecke springt. Chelseas Torwart ist kein Elfmeterkiller, aber an diesem Abend wächst er über sich hinaus. Er lenkt die Kugel an den Pfosten. Nur der englische Teil des Stadions ist außer sich. Alle roten Hoffnungen fallen in sich zusammen. Allen voran Schweinsteiger, der fassungslos und desillusioniert seinen Elfmeter verfolgt und sofort spürt, was gerade passiert ist. Drogba macht es besser als er. Er trifft und schickt den FC Bayern in ein Tal der Tränen. Das Finale Dahoam wird zum Drama Dahoam. Mit Schweinsteiger als einen der Protagonisten.

Doch wäre das das Ende dieser Geschichte, würde Schweinsteiger vermutlich nicht in der Top 15 erscheinen. Zu durchwachsen war dafür seine Karriere, zu schwerwiegend die Rückschläge mit Nationalmannschaft und Klub. Doch Schweinsteiger steht erneut auf, wächst ein letztes Mal über sich hinaus und erreicht in den Jahren 2013 und 2014 alles, was er sich je erträumt hatte. Die lange Geschichte eines Unvollendeten fand in diesen zwei Jahren ihr Happy End.

Doch es sind eben nicht nur diese beiden Titel, die Schweinsteiger so besonders machen. Bewertet man ihn nur nach seiner sportlichen Qualität, so war die Zeit, in der er wirklich Weltklasse war, vermutlich zu kurz. Doch er war in den richtigen Momenten da. Als die Ära 2009 mit van Gaal begann, war Schweinsteiger eine Schlüsselfigur. Als Stratege und Denker. Als Herz seiner Mannschaft. Vielen ist heute nur der blutende Schweinsteiger im WM-Finale im Gedächtnis geblieben.

Die Story eines Profis, der hart für seine Erfolge arbeitete und als Kämpfer die nötigen Tugenden mitbrachte, um seine Teams an die Spitze zu führen. Doch er ist mehr als das. Jedes große Spiel mit seiner Beteiligung wurde besonders. Er war ein Stratege, den es so im Mittelfeld lange nicht mehr gab. Ein Sechser mit Hirn, Technik, Gefühl und Physis. Unter van Gaal, Heynckes und Jogi Löw entwickelte er sich zu einem Spielgestalter auf Augenhöhe mit den besten der Welt. Sicher nicht konstant über eine ganze Dekade, aber dafür immer wieder in den wichtigsten Momenten.

Beim größten Triumph des FC Bayern in der jüngeren Vergangenheit nahm er entscheidenden Einfluss, indem er seine taktische Rolle anpasste und sich tiefer fallen ließ. Schweinsteigers Karriere war eine Achterbahnfahrt. Für die Fans war er auch deshalb eine Identifikationsfigur. Er war und ist einer von ihnen. Der Fußballgott gehört in jede Hall of Fame des deutschen Fußballs und ganz besonders in die des FC Bayern. Er war eines von zwei Gesichtern der ersten goldenen Generation des neuen Jahrtausends. Er war ein besonderer Fußballer und ist ein besonderer Mensch.

Platz 6: Lothar Matthäus

von Christopher Ramm

Die Karriere von Lothar Matthäus durchlief viele Phasen und mehrere Transformationen. Beim FC Bayern spielte er von 1984 – 1988 und von 1992 – 2000. Gegen Ende der 90er bildete er den Grundstein, warum die Mannschaft auch noch heute erfolgreich ist.

Die Karriere von Lothar Matthäus begann 1979 bei Borussia Mönchengladbach. Trainer Jupp Heynckes förderte damals den jungen Mittelfeldspieler. Im Sommer darauf war Matthäus bereits im Kader der Nationalmannschaft. Zwar reichte es nur für 17 Spielminuten, aber in seiner Vita steht der Gewinn der Europameisterschaft.

In der Saison 1983/84 spielte Mönchengladbach abermals eine starke Saison, die Mannschaft erreichte am Ende den dritten Tabellenplatz und zog in das DFB-Pokalfinale ein. Dort traf er auf den zukünftigen Arbeitgeber. Matthäus hatte vor dem Endspiel seinen Wechsel zum deutschen Rekordmeister bekannt gegeben. Im Elfmeterschießen – nach regulärer Spielzeit stand es 1:1 – verschoss er seinen Elfmeter. Dieser Umstand sollte noch lange Zeit für Diskussionen sorgen. Auch, weil sich die Geschichte mit Dante im Frühsommer 2012 fast ähnlich wiederholte, aber das ist eine andere Erzählung.

Die Bayern zahlten ca. 2,4 Millionen Mark Ablöse und erhofften sich mehr Konkurrenzfähigkeit. Im Jahr zuvor hatten sie Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner verloren. Gleich in seiner ersten Saison coachte Udo Lattek die Mannschaft mit Matthäus als Spielgestalter zur Meisterschaft. Der Titel war ein Start-Ziel-Sieg. Schon vom ersten Spieltag weg, standen die Bayern ganz oben und gaben diese Position nicht mehr her. Lothar Matthäus war damals Spielgestalter im Mittelfeld zusammen mit seinem Partner Sören Lerby. Als Mittelfeldspieler erzielte er 16 Tore und noch vor Stürmer Roland Wohlfahrt wurde er Top-Torjäger der Münchner in dieser Bundesliga-Saison.

Auch die Saison 85/86 und 86/87 konnten die Münchner ebenfalls für sich entscheiden. Es war der Titel-Hattrick für die Bayern. Die Mannschaft war 1987 auf ihrem Zenit und erreichte das Finale des Europapokals der Landesmeister. Matthäus, mittlerweile Kapitän, führte die Mannschaft als Favorit im Wiener Prater aufs Feld. Kögl brachte die Bayern in Führung, doch die Hacke von Madjer (77.) und ein Tor von Filho (80.) ließen den Traum platzen. Es sollte zwölf Jahre dauern, bis die Roten wieder die Chance auf einen Champions-League-Triumph hatten.

Im Jahr darauf wurde die Mannschaft hinter Bremen immerhin noch Vizemeister, doch ein Umbruch war unvermeidlich. Lothar Matthäus wechselte für 8,4 Millionen Mark zu Inter. Ende der 80er bzw. Anfang der 90er war Italien der Nabel des Weltfußballs. Jeden Star zog es nach Italien. So auch Lothar Matthäus.

Unter Giovanni Trapattoni entwickelte sich Matthäus zum Weltstar. Ebenfalls gleich in seiner ersten Saison holte er den Titel mit Inter, welche zuvor neun Jahre auf einen Titel warten mussten. Zusammen mit Diego Maradona war er das Aushängeschild des damaligen Fußballs. Im folgenden Jahr fand die Weltmeisterschaft 1990 in Italien statt. Deutschland stand kurz vor der Wiedervereinigung und der Fußball entwickelte eine bindende Kraft. Matthäus führte im deutschen Mittelfeld Regie und erzielte vier Tore. Nach 1982 und 1986 erreichte die Mannschaft von Franz Beckenbauer das Finale und besiegte Argentinien mit 1:0. Andy Brehme erzielte den Siegtreffer, weil Matthäus, etatmäßiger Elfmeterschütze, sich in seinen ‚Schuhen nicht wohlgefühlt habe‘. Noch Jahre später verteidigt sich der Herzogenauracher diese Entscheidung als die beste in seiner Karriere.

1990 markiert zugleich den Höhepunkt der Schaffenskraft von Lothar Matthäus. Neben dem Weltmeistertitel erhielt er noch vier persönliche Auszeichnungen: Deutschlands Fußballer des Jahres, Europas Fußballer des Jahres, Weltfußballer und Weltsportler des Jahres.

Am 12. April 1992 zog sich Lothar Matthäus gegen Parma einen Riss des Kreuzbandes zu. Kurz zuvor hatte er sich eigentlich mit Juventus über einen Wechsel verständigt. Kreuzbandrisse waren zur damaligen Zeit die schlimmsten Verletzungen im Fußball. Trotz einer OP beim mittlerweile legendären Dr. Steadman in Colorado zog Juventus sein Angebot zurück und der FC Bayern nutze die Gunst der Stunde und holte Matthäus zurück nach München. Dies war nur möglich, da er schriftlich versicherte zukünftig für keinen italienischen Verein mehr zu spielen.

Sein Comeback bei den Münchnern gab er im Herbst. Die Meisterschaft wurde im Jahr 1992/93 zwar knapp verpasst, aber zwölf Monate darauf war es wieder soweit. Nach vier Jahren Wartezeit sicherten sich die Münchner den Titel. Berti Vogts setzte Matthäus nach schwachen Testspielen vor der WM 1994 als Libero ein. Es sollte nicht lange dauern und auch beim FC Bayern übernahm er diese Rolle.

Nachdem er sich im Alter von 33 Jahren die Achillessehne gerissen hat, waren viele Experten der Meinung, dass Matthäus nicht mehr auf sein Niveau zurückkehren kann. Nachdem die Saison ohne ihn mit vielen Talenten nicht von Erfolg gekrönt war, spielte der FC Bayern 1996/97 im UEFA Cup. Dort sicherten sich die Münchner den Titel. Es war eine weitere Trophäe in seiner Sammlung.

Zwischen Matthäus und Klinsmann, die zu dieser Zeit beide beim FC Bayern waren, herrschte eine Konfliktsituation. Dies war damals bereits bei Inter, wo sie ebenfalls zusammenspielten, der Fall. Im Sommer 1996 veröffentlichte Matthäus in der BILD ein „geheimes Tagebuch“, in dem er Interna aus der Mannschaft publizierte. Es war die Geburtsstunde des FC Hollywood. Dies führte zu seiner Absetzung als Kapitän des FC Bayern München. Sportlich bestimmte er aber nach wie vor das Geschehen. Die Münchner holten Giovanni Trapattoni als Trainer und wurden in der Saison 1996/97 erneut Deutscher Meister. Es war der fünfte Titel für Matthäus.

Ottmar Hitzfeld übernahm zur Saison 1998/99 die Mannschaft und auch er vertraute noch immer auf das Talent des mittlerweile 38 Jahre alten Spielers. Er prägte als Libero die Spiele der Münchner und er wurde am Ende des Jahres zu ‚Deutschlands Fußballer des Jahres‘ gewählt. Für Bayern reichte es souverän zur Meisterschaft und am Ende der Saisons standen sie im Endspiel der Champions League. Die Münchner gingen durch einen Freistoß von Mario Basler früh in Führung und hatten zahlreiche Chancen auf eine Erhöhung. Matthäus hatte sich, ob des sicher geglaubten Sieges, kurz vor Schluss auswechseln lassen. United erzielte in der Nachspielzeit noch zwei Tore. Der Traum vom ‚letzten‘ fehlenden Titel platzte für Matthäus erneut.

Im Frühling 2000 wechselte Matthäus dann in die MLS zu den New York Metro Stars. Sein letztes Spiel für die Bayern absolvierte er am 8. März 2000 im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid, das mit 4:1 gewonnen wurde. Schon das Hinspiel in Madrid gewannen die Münchner mit 4:2. Das Olympiastadion verwandelte sich damals in ein Tollhaus. Es war die Geburtsstunde der Bestia Negra.