Warum Boateng der falsche Adressat ist

Steffen Trenner 03.10.2013

Die beiden Szenen im Einzelnen:

Beim Gegentor in der 80. Minute ist Bayern auf dem linken Flügel in Ballbesitz. Weil Alaba den Ball schlampig abspielt, erobert Milner den Ball und spielt weiter zu Silva. Obwohl Silva von Kirchhoff und Dante bedrängt wird, kann der den Ball weiter auf Negredo passen. Da Dante sich zuvor auf dem linken Flügel für Alaba angeboten hatte und dann auf Silva herausrückte, ist die linke Innenverteidiger-Position nach Alabas Ballverlust verweist. Boateng der zuvor das Spielfeld breit machen sollte, verhält sich genau richtig und eilt Dante zur Hilfe. Genau in dem Moment als er Negredo erreicht, dreht dieser sich gegen Boatengs Laufrichtung und schiebt mit einem sehenswerten Drehschuss am ausgestreckten Bein von Boateng vorbei ins lange Eck ein. Ein Fehler im Verhalten von Boateng ist für mich nicht zu erkennen.

Auch bei der Roten Karte halte ich es für falsch harte Kritik an Boateng zu üben. Schaut man sich die Szene genau an, muss Boateng wieder in höchster Not in einen Zweikampf weil andere einen Fehler machen. In der konkreten Szene behindern sich Dante und Kirchhoff bei einem völlig ungefährlichen hohen Ball gegenseitig, was Touré und Silva ermöglich einen Doppelpass zu spielen. Gerade Kirchhoff verhält sich bei diesem Klärungsversuch amateurhaft. Weil Dante zu weit aufgerückt ist, gelangt Touré in seinen Rücken mit freiem Weg in Richtung Tor. Wieder reagiert Boateng richtig und verlässt zügig seine angestammte Position, um Dantes Stellungsfehler auszumerzen. 18 Meter vor dem Tor entscheidet er sich nun für eine riskante, aber keinesfalls aussichtslose Grätsche, um die 100-prozentige Torchance zu unterbinden. Weil Touré den Ball geschickt von Boatengs ausgestrecktem Bein wegspitzelt, trifft dieser ihn und sieht zurecht die Rote Karte. Die Alternative für Boateng, der wie gesagt durch den Stellungsfehler von Dante in diesen Zweikampf gezwungen wird, wäre in diesem Fall gewesen Touré zum Abschluss kommen zu lassen und auf Neuer zu hoffen. Eine Möglichkeit Touré noch abzulaufen, gab es nach Ansicht der Fernsehbilder nicht.

Fazit: Boateng hat über 80 Minuten in der Form gespielt, die viele Journalisten in den vergangenen Tagen zu Lobeshymnen inspiriert hat. Danach versucht er in zwei Szenen die Abspiel- und Stellungsfehler seiner Vorderleute, beziehungsweise von Nebenmann Dante zu korrigieren . Obwohl er korrekt und schnell reagiert, kommt in beiden Szenen einen halben Schritt zu spät. Das ist ärgerlich, im schlechtesten Falle unglücklich. Ein Grund in alte Klischees über das „Sicherheitsrisiko Boateng“ abzudriften ist das jedoch nicht.