Schweinsteiger als moderner Libero

Steffen Trenner 24.08.2013

abFnhQFadZSchweinsteiger rückt zwischen die beiden Innenverteidiger während die beiden Außenverteidiger vorrücken. Vor Schweinsteiger entsteht so ein Loch, in das die beiden Außenverteidiger und die beiden Achter reinstoßen oder Räume für den aufrückenden Schweinsteiger reißen können. Dieser Moment der Spielinitiation nach einerm kontrollierten Ballgewinn ist entscheidend im Spiel der Münchener. Schweinsteiger hat in diesem Moment die volle Kontrolle und Entscheidungshoheit auf dem Platz. Er entscheidet ob über eine der Seiten oder durchs Zentrum angegriffen wird. Er bestimmt das Tempo und er ist dabei selbst gefordert durch geschicktes Nachrücken das Pressing des Gegners zu überwinden und kontrolliert ins nächste Spielfelddrittel einzudringen. DFB-Chefausbilder Frank Wormuth, den ich für einen der besten deutschsprachigen Gesprächspartner zum Thema Fußball-Taktik halte, sprach schon im Sommer 2012 im Interview mit der WELT über Schweinsteiger als einen, der den Libero neu erfinden könnte.

„Vielmehr spielte er auf einer Höhe mit den Außenverteidigern und agierte manchmal sogar vor der Abwehr. Somit gibt es keine Renaissance des Liberos, sondern vielmehr eine Neuinterpretation.Zwar traue ich es Hummels durchaus zu, aber spontan würde ich eher auf den älter werdenden Bastian Schweinsteiger tippen. Er könnte das durchaus irgendwann in der Zukunft spielen. Damit wäre dann der klassische Zehner über die Sechserposition bis zurück in die Innenverteidigung gewandert.“

Wormuth bezog seine Aussagen damals auf Prandellis Ausrichtung bei der EM 2012 mit de Rossi als echtem Libero in einer Dreierkette. Zwar ist Bayerns System damit nur bedingt zu vergleichen, aber die Tendenz eines dominanten Aubauspielers Schweinsteiger als freiem Mann in oder vor der Abwehr passt.

Es gibt zwei englische Begriffe für die es aus meiner Sicht kein perfekt passendes deutsches Äquivalent gibt, die mir aber immer wieder in den Sinn kommen, wenn ich an die Anforderungen auf dieser Position nachdenke. Decision making and court (field) vision. Nicht umsonst werden diese Begriffe im Basketball häufig mit der Position des Aufbauspielers (Playmakers) in Verbindung gebracht. Genau darauf kommt es an. Es geht darum die richtigen, effektiven Entscheidungen im Spielaufbau zu treffen und eine Idee zu haben wie sich das Spiel von hier weiterentwickelt und was die richtige Option im Spielaufbau ist. Diese Anforderungen sind komplex und erfordern eine Reihe von Attributen. Ein sicheres Passspiel, Kreativität, Ruhe, Auge, Pressingresistenz, läuferisches Vermögen. Niemand außer Schweinsteiger und mit Abstrichen Thiago und Kroos verfügt im Bayern-Kader in Gänze über diese Qualitäten. Es erscheint deshalb logisch, dass Guardiola offenbar den Spielertypen Schweinsteiger auf dieser Position den Vorzug gegenüber einem zweikampfstärkeren, aber spielerisch eindimensionaleren Spielertypen wie Martínez oder Kirchhoff gibt. Anders wäre das, wenn Guardiola im Verlaufe der Saison auf eine echte Dreierkette umstellt. Dann gäbe es durch einen zusätzlichen zentralen Mittelfeldspieler auch eine zusätzliche Unterstützung im Spielaufbau. In einer echten Dreierkette wäre Martínez deshalb wohl prädestiniert für die zentrale Position mit Bastian Schweinsteiger vor ihm.

Es bleibt also spannend, wie sich dies in den kommenden Wochen entwickelt und verändert. Momentan sieht es in der Tat so aus, als gäbe es durch Bastian Schweinsteiger beim FC Bayern zumindest im Aufbauspiel eine moderne Wiederauferstehung des Liberos.