Round-Up: Verschiedene Flügel

Maurice Trenner 01.02.2019

Trotz aller Spekulationen und öffentlichen Werbens ist Hudson-Odoi am Ende des Tages nicht nach München gewechselt. Daher müssen es nun die Altbekannten richten: Das Duo Robbery, das seine Abschiedstournee bestreitet, der quirlige Franzose Coman, der erst vor der Winterpause aus einer langen Verletzungsmisere zurückgekehrt ist, und der abschlussstarke Gnabry, der zuletzt gegen den VfB Stuttgart die Münchner auf die Siegesstraße gebracht hatte. Dazu stößt noch der junge Kanadier Davies, der von den Vancouver Whitecaps verpflichtet wurde.

Doch was darf man von den einzelnen Spieler erwarten? Welche Rolle können sie im System von Trainer Kovač einnehmen? Dazu haben wir einen Blick in die Statistik geworfen und die Bayern-Flügelstürmer mit der nationalen Konkurrenz in dieser Saison verglichen.

Das Anforderungsprofil eines Flügelstürmers

Spätestens seit der Ankunft von Arjen Robben im Sommer 2009 ist das System der Bayern – mal stärker, mal schwächer – darauf ausgerichtet, dass die Flügelspieler durch gewonnene Eins-gegen-Eins-Situationen ihren direkten Gegenspieler schlagen und damit den Strafraum penetrieren. Im Zusammenspiel mit einem über- oder hinterlaufenden Außenverteidiger, kann diese Überlastung einer Angriffsseite zur gefährlichen Torchancen werden.

Im besten Fall endet ein solcher Angriff mit einem Abschluss des Außenstürmers, der das Dribbling gewonnen hat, oder mit einem überlegten Pass entweder in Richtung des Stürmers am Fünfmeterraum oder in den Rücken der Abwehr zum aufgerückten Mittelfeldspieler. In der Vergangenheit bevorzugte Robben häufig den Abschluss mit seinem starken linken Fuß, während sein Gegenpart Ribéry oft den Pass in die Mitte suchte. Für eine Flanke wurde meist zum Außenverteidiger gepasst.

Coman ist der König der Dribbler. Oft enden seine Offensivaktionen in Flanken.
(Grafik: Maurice)

Um zu analysieren, wie dribbelstark die Bayern-Flügelspieler sind, wurden die Dribblings pro 90 Minuten betrachtet und den geschlagenen Flanken pro 90 Minuten gegenübergestellt. Die Zahlen sind auf 90 Minuten gerechnet, um eine bessere Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Die Münchner sind in der Grafik in rot dargestellt. Spieler des Tabellenführers aus Dortmund – Sancho, Larsen, Pulisic – wurden in schwarz-gelb markiert. Marco Reus wurde nicht aufgenommen, da er seine meisten Spiele im zentralen Mittelfeld bestritten hat. Die restlichen Spieler, hierfür wurden vierzehn Flügelstürmer von verschiedensten Bundesliga-Vereinen ausgewählt, sind in blau abgebildet. Als weitere Hilfe sind eine horizontale und eine vertikale Linie eingezeichnet, die den jeweiligen Mittelwert darstellen.

Flankender Dribbel-King(sley)

Beim Blick auf das Diagramm fällt direkt auf, dass Kingsley Coman sehr alleine steht. Mit momentan 5,34 gewonnenen Dribblings pro 90 Minuten führt er das Feld deutlich an. Der Franzose schafft es immer wieder durch seinen explosiven Antritt an seinem direkten Gegenspieler vorbei zu sprinten. Sollte ein Gegner ihn tatsächlich nicht doppeln, ist der Abwehrspieler meist auf verlorenem Posten. Bei Coman muss jedoch angemerkt werden, dass er insgesamt erst 418 Minuten in dieser Saison gespielt hat, weswegen einzelne Ausreißer noch stärker gewichtet sind.

Dennoch folgen die weiteren Bayern-Spieler mit einigem Abstand. Ribéry und Gnabry liegen mit 2,45 bzw. 2,42 Dribblings nahe beieinander und noch deutlich über dem Mittelwert, während Robben mit 1,05 Dribblings abfällt. Dies bestätigt den berühmten Eye-Test, der einen dieses Jahr mit dem Gefühl zurücklässt, dass der Holländer etwas von seiner Explosivität verloren hat. Von Dortmund sind Pulisic (3,69) und Sancho (3,99) die stärksten Dribbler.

Dennoch fällt auch auf, dass Coman bei den geschlagenen Flanken weit vorne steht. 3,88 Flanken pro 90 Minuten stehen für den 22-Jährigen zu Buche. In der gesamten Bundesliga können da nur Kostic (3,84), Bailey (4,07) und Bellarabi (5,28) mithalten. Dies spricht für ein altes Problem bei Coman. Nach einem gewonnen Dribbling fehlt ihm häufig noch die notwendige Souveränität, die beispielsweise einen Ribéry immer noch auszeichnet. Anstatt mit Geduld und Übersicht in die Mitte zu legen oder selbst den Abschluss zu suchen, entscheidet sich der gebürtige Pariser oft für die schnelle, unüberlegte Flanke. Unter Heynckes hatte er hier starke Verbesserung gezeigt und es ist zu hoffen, dass er mit steigender Form nach seiner Verletzung wieder auf dieses Niveau zurückfindet.

Die restlichen Münchner flanken deutlich seltener. Robben liegt diese Saison mit 1,82 Flanken pro 90 Minuten vor Gnabry (1,42) und Ribéry (1,22).

Robben spielt die gefährlichen Bälle

Doch wie sieht es mit Situationen aus, in denen ein Dribbling gewonnen wird und der Angriff nicht in einer Flanke endet? Welcher Münchner Flügelstürmer ist der abschlussfreudigste und welcher Außenspieler spielt die meisten gefährlichen Pässe?

Dazu haben wir einen Blick auf die Anzahl der Torschüsse pro 90 Minuten geworfen. Diese haben wir der Anzahl der Key Pässe, also der Pässe, die zu einer Torchance geführt haben, gegenübergestellt. Erneut sind die Bayern-Spieler in rot und die Dortmund-Spieler in schwarz-gelb hervorgehoben. Die Auswahl der sonstigen Spieler ist ebenfalls identisch zur ersten Darstellung.

Nur Bellarabi schließt noch häufiger ab als Gnabry. Bei den Key Pässen ist Robben ganz vorne dabei.
(Grafik: Maurice)

Im rechten oberen Quadranten sind die Spieler dargestellt, die mehr Torschüsse abgeben und mehr Key Pässe spielen als der Liga-Durchschnitt. Diese Kriterien erfüllen fünf Spieler: Hazard, Bailey, Bellarabi, Mehmedi und auch Robben. Der Holländer führt mit 2,55 Key Pässen pro 90 Minuten die Mannschaft deutlich an. In der Liga liegt er damit nur hinter Brandt, Hazard und Sancho. Obwohl Robben mit seinen 2,67 Torschüssen pro 90 Minuten über dem Ligaschnitt liegt, so ist dieser Wert dennoch einer der niedrigsten seiner Karriere. Laut der ähnlichen Metrik Torschüsse pro Spiel schließt er mit 1,9 Abschlüssen so selten wie noch nie in der Bundesliga ab.

Gnabry feuert aus allen Lagen

Deutlich abschlussstärker zeigt sich dafür Gnabry. Der junge deutsche Nationalspieler kommt im Durchschnitt auf 3,39 Abschlüsse pro 90 Minuten. Zum Vergleich: Robert Lewandowski, seines Zeichens ausgemachter Stürmer beim Rekordmeister, kommt auf den nur minimal höheren Wert von 3,93 Torschüssen in der gleichen Zeit. Auffällig bei Gnabry ist zudem, dass nur 37% seiner Schüsse auch auf das Tor gehen. Damit liegt er auf einem Niveau mit Ribéry (40%). Sowohl Robben (56%) als auch Coman (60%) liegen deutlich über diesem Wert. Ein Indiz dafür, dass Gnabry auch gerne aus unbequemen Lagen abschließt.

Diese Vermutung bestätigt sich, wenn man auf die expected Goals (xG) schaut. Diese zeigen an, wie wahrscheinlich ein Abschluss zu einem Tor führt und beziehen dafür Abstand zum Tor aber auch Anzahl der Gegenspieler bis zum Tor in ihre Berechnung ein. Hierzu soll betrachtet werden, wie viele Abschlüsse ein Spieler im Schnitt für ein xG benötigt. Ein niedriger Wert spricht für hochqualitative Abschlüsse. In diesem Kennwert liegt Gnabry mit 9,75 Schüssen pro xG ebenfalls auf dem letzten Rang der betrachteten Bayern-Spieler. Robben hat mit 7,08 Schüssen pro xG den besten Wert, während Coman (7,48) und Ribéry (9,01) auf den Plätzen folgen. Zum Vergleich: Sancho liegt bei unglaublichen 4,61 Schüssen pro xG.

Mit nur 1,4 Key Pässen liegt des ehemalige Talent von Arsenal im unteren Drittel Liga-weit. Diese Zahlen können so gedeutet werden, dass Gnabry vielleicht häufiger noch den Pass auf einen besser positionierten Mitspieler ablegen sollte. Allerdings waren seine etwas unkonventionellen Abschlüsse und sein Torriecher auch häufiger schon in der Saison eine Art Dosenöffner. Bei seinem Ex-Verein Bremen schoss er das wichtige 1:0 und erzielte mit dem 2:1 den Endstand. Am letzten Wochenende gegen Stuttgart führte sein Abschluss zum Eigentor durch Gentner, das die Münchner erneut in Führung brachte.

Ribéry und Coman liegen in der Grafik beide ungefähr beim Durchschnitt der Liga, wobei Coman tendenziell seltener abschließt und dafür häufiger den gefährlichen Pass spielt. Bei seinem französischen Spielpartner sind die Verhältnisse umgekehrt. Der junge Franzose liegt übrigens auch in der Metrik expected Assists pro 90 Minuten auf Platz 1 der Bayern-Spieler.

Von viel kommt auch viel

Bei aller Liebe zu Statistiken und neuen Metriken, ist am Ende das Ergebnis auf der Anzeigetafel dennoch das wichtigste im Fußball. Daher soll zum Abschluss ein Blick auf die Torbeteiligungen der einzelnen Spieler geschaut werden. Dabei werden erzielte Tore und Assists zusammengefasst. Diese Scorerpunkte werden über den potentiellen Scorerpunkten, nämlich der Summe aller Torschüsse und Key Pässe, dargestellt. Alle Werte sind erneut auf 90 Minuten referenziert.

Gnabry ist der Münchner Topscorer auf dem Flügel, aber mit Sancho kann er nicht mithalten.
(Grafik: Maurice)

Der Münchner Flügelstürmer mit den meisten Torbeteiligungen ist Gnabry. Der junge Nationalspieler hat in dieser Saison bereits 7 Scorerpunkte auf seinem Konto. Das entspricht 0,76 Punkten pro 90 Minuten. In der Bundesliga liegen nur Sancho, Hazard und Herrmann vor ihm. Der Belgier und der Engländer haben mit 15 Torbeteiligungen auch absolut an den meisten Treffern mitgewirkt. Dabei kreiert Gnabry pro einer Spielzeit 4,78 gefährliche Aktionen.

Hier liegt Robben mit 5,22 Aktionen pro 90 Minuten ligaweit sogar auf dem zweiten Rang hinter Bellarabi. Allerdings hat der Holländer seine Torgefährlichkeit früherer Tage etwas eingebüßt. Diese Saison hat er in neun Spielen drei Tore erzielt. Vor zwei Jahren hatte der Wembley-Torschütze noch mehr als doppelt so viele Scorerpunkte pro 90 Minuten. Dennoch liegt Robben leicht über dem Ligaschnitt. Ribéry hingegen liegt etwas unter dem Schnitt.

Coman fällt in dieser Metrik etwas ab, da er bisher in seinen acht Einsätzen noch an keinem Tor beteiligt war. Allerdings ist diese Statistik aufgrund seiner kurzen Spielzeit nicht überzubewerten, da im Fußball generell wenige Tore fallen. Dennoch hat der Gladbacher Herrmann in der gleichen Einsatzzeit fünf Scorerpunkte zu Buche stehen.

Ausblick auf die Rückrunde

Nach diesem ausführlichen Blick in die Statistik soll abschließend in die Zukunft geschaut werden. Welche Rollen und Leistungen können wir von den bayrischen Flügelspielern erwarten? Aber wo ist auch noch Optimierungspotential vorhanden?

Interessant ist, dass sich das Außenbahn-Duo Gnabry und Coman scheinbar super ergänzt. Während der Franzose sehr dribbelstark ist, gerne die Flanke sucht und aber auch gefährliche Pässe spielt, kommt der Deutsche eher über seinen gefährlichen Torabschluss und seine schnellen Sprints – Gnabry liegt bei der Anzahl der Sprints pro 90 Minuten ligaweit auf Platz 3. Nun könnte man sich wünschen, dass Coman seine gewonnenen Dribblings noch häufiger nutzt, um danach auch selbst den Abschluss zu suchen und dass Gnabry öfter den Ball zum besser positionierten Mitspieler ablegt. Doch vielleicht machen genau diese Gegensätze diese Flügelzange speziell und gefährlich.

Zumindest Comans Vorsatz sollte diese Saison dadurch geholfen sein, dass er, wenn Gnabry spielt, auf der linken Außenbahn aufgeboten wird. Mit seinem stärkeren rechten Fuß kann er dabei als inverted Winger fungieren und häufiger den Weg in die Mitte suchen, der zum Abschluss führt. Auf der rechten Seite blieb ihm hier häufig nur der Weg über die Außenseite, wonach eine Flanke meist alternativlos war, wenn er nicht wieder das Tempo aus dem Angriff nehmen wollte.

Bei Ribéry und Robben ist deutlich zu sehen, dass beide über die letzten beiden Jahre abgebaut haben. Die Statistiken untermauern dies. Robben scheint seine Rolle dabei noch stärker anpassen zu müssen als Ribéry. Der Holländer muss akzeptieren, dass seine Schnelligkeit auf dem höchsten Niveau nicht mehr alleine ausreichen kann, um seinen Gegenspieler zu vernaschen. Das Zusammenspiel mit Kimmich auf dem Flügel wird dabei umso wichtiger werden. Ein Tor in großen Momenten ist ihm jederzeit zuzutrauen, aber dennoch würde es nicht überraschen, wenn der 35-Jährige seine Rolle noch mehr auf das Zusammenspiel und Kreieren von Torchancen ausrichtet.

Bei seinem früheren kongenialen Partner ist die Umstellung geringer, da Ribéry schon immer über ein ausgezeichnetes Zusammenspiel mit Alaba verfügte und Abwehrreihen lieber gemeinsam mit dem Österreicher als alleine überwand. In den meisten Metriken liegt der Franzose nur noch im Mittelfeld der Liga. Doch zum Ende der Hinrunde zeigte er noch einmal, dass auch er in wichtigen Spielen weiterhin für große Momente sorgen kann.

Eine Rollenaufteilung in der Coman und Gnabry von Beginn an spielen und dann gegen Ende der Partie von Robben und/oder Ribéry abgelöst werden, scheint auf jeden Fall denkbar. Genauso das Gegenteil wonach man darauf hofft den bereits zermürbten und müden Gegner mit der Schnelligkeit von Coman und Gnabry überlisten zu können. Ergänzt wird das Quartett noch vom jungen Alphonso Davies, dessen Rolle jedoch wohl kaum über die des Einwechselspielers in den Schlussminuten einer bereits entschiedenen Partie hinauswachsen wird.

Es würde in die bisherigen Handlungen von Kovač passen, wenn der Kroate in den wichtigen Spielen auf die „Oldie“-Variante mit Robbery setzt. Zu hoffen wäre jedoch, dass er über seinen Schatten springt und Gnabry sowie Coman in die Rolle wachsen lässt, die sie ab nächster Saison sowieso ausfüllen müssen.

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