Spieler des Monats Oktober: Robert Lewandowski

Alexander Trenner 20.11.2019

Verdientermaßen.

Daniel und Maurice haben in ihren Würdigungen anhand von Statistiken und Spielszenen bereits viel von dem anschaulich geschildert, was Robert Lewandowski in dieser Saison so alles auszeichnet. Wahrscheinlich ließen sich ganze Aktenordner mit Beschreibungen seiner beeindruckenden Torraumszenen und rekordverdächtigen Statistiken füllen. 

Noch einige weitere gefällig? Gerne. Robert Lewandowski hält die ewigen Bundesliga-Rekorde für:

  • Die meisten Tore eines ausländischen Spielers – 218
  • Die meisten Tore eines polnischen Spielers – 218
  • Die meisten Einsätze eines polnischen Spielers – 301 (einer mehr als Łukasz Piszczek)
  • Den schnellsten Hattrick – 3 Minuten 22 Sekunden 
  • Den schnellsten Viererpack – 5 Minuten 42 Sekunden
  • Den schnellsten Fünferpack – 8 Minuten 59 Sekunden
  • Die meisten Tore eines Einwechselspielers in einer Partie – 5
  • Den Ausländer mit den wenigsten Spielen für 100 Tore (168 Spiele)

Aber vielleicht nutzen wir unsere dritte Würdigung von Robert Lewandowski einmal dazu, einen Blick hinter seine zahllosen Rekorde und phänomenalen Statistiken zu werfen. Was macht Robert Lewandowski zu dem „Record Breaker“, der er ist? Was macht ihn so außergewöhnlich?

Lewandowskis Verletzungsfreiheit

Meine persönliche Lieblingsstatistik zu Robert Lewandowski ist ja die, dass er während seiner gesamten Karriere in Deutschland seit 2010 noch keine zwei Bundesligaspiele in Folge aufgrund einer Verletzung verpasst hat. Keine zwei in Folge. In 10 Jahren Bundesliga. Kann das nur Zufall sein? Wohl kaum. 

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Warum ist Robert Lewandowski praktisch nie verletzt? Die Grundlagen hierfür liegen in seiner frühen Kindheit. Er wurde 1988 in eine Sportlerfamilie geboren. Seine Eltern sind beide studierte Sportlehrer und waren zu der Zeit national und international erfolgreiche Athleten ihres Landes. Seine Mutter spielte Volleyball in der ersten polnischen Liga, sein Vater war Jugendeuropameister im Judo und spielte zudem Fußball in der zweiten polnischen Liga. Seine Schwester spielt ebenfalls Volleyball und stand im Kader der polnischen U21-Nationalmannschaft. Obwohl Lewandowski schnell seine Liebe für den Fußball entwickelte und schon in jungen Jahren organisiert im Verein spielte, legte gerade sein Vater großen Wert darauf, dass er eine umfängliche sportliche Ausbildung erfahren sollte. So spielte er in seiner Jugend neben dem Fußball unter anderem auch lange Volleyball und betrieb Gymnastik. Wie Lewandowski in einem Interview einmal selber sagte, habe ihm gerade der Gymnastikunterricht sehr bei der Entwicklung seiner heutigen Gelenkigkeit und Beweglichkeit geholfen – etwas, das wir heute Woche für Woche in der Bundesliga beobachten können.

Diese schon von klein auf antrainierte Beweglichkeit und sein Körperverständnis tragen ganz gewiss genauso zu seiner Verletzungsfreiheit bei wie die absolute Professionalität, mit der er seinem Beruf nachgeht. Sein Ex-Coach Pep Guardiola sagte einmal, dass Lewandowski der professionellste Fußballer sei, der ihm je begegnet wäre. Er denke nur an Fußball, 24 Stunden am Tag, und richte sein gesamtes Leben auf den Sport aus. Für ihn ginge es nur um die richtige Ernährung, ausreichend Schlaf und sein Training. Er sei einfach nie verletzt, weil er auf solche Dinge achte und genau wisse, was er tun müsse, um immer in der besten körperlichen Verfassung zu sein. 

Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt sicherlich auch Lewandowskis Frau. Sie ist professionelle Karateka und hat auf verschiedenen Niveaus in Polen diverse nationale und internationale Titel gewonnen. Sie ist außerdem Ernährungsexpertin und studierte Fitness-Trainerin und berät ihren Mann ausführlich in Sachen Training und in Ernährungsfragen. Sie ist die Inspiration und der Motor hinter der von Guardiola so treffsicher erkannten Obsession Lewandowskis mit seiner Ernährung. Bezeichnend ist diesbezüglich die amüsante Anekdote, dass Lewandowski eigener Auskunft nach die Nachspeise seiner Mahlzeiten immer zuerst esse, weil Süßspeisen vom Verdauungstrakt schneller verarbeitet werden könnten als Proteine. Und wenn er Süßes erst nach den Proteinen esse, wäre der Verdauungstrakt schon von den langsamen Proteinen blockiert und der Geschwindigkeitsvorteil wäre verloren. Auch vermeide er Kuhmilch, weil sie ihn lethargisch mache und obwohl er ein großer „Schokaholic“ sei, habe er den Konsum von Schokolade inzwischen fast gänzlich aus seinem Leben gestrichen.

In ihrem Haus haben die Lewandowskis (natürlich) ein eigenes Fitnessstudio, das die beiden regelmäßig gemeinsam nutzen. Denn, wen wundert’s, Lewandowski belässt es bei seinem Training nicht mit den offiziellen Einheiten im Verein. Neben seinen privaten Workouts mit seiner Frau im heimischen Gym zur Stärkung seiner körperlichen Konstitution und Gelenkigkeit unternimmt Lewandowski auch regelmäßiges mentales Training, damit er sich in den entscheidenden Spielsituationen vor dem Tor besser konzentrieren kann.

Lewandowskis Ehrgeiz

Was Lewandowski neben seiner enormen körperlichen Konstitution, seiner mentalen Stabilität und seinem Fokus auf einen richtigen Lebenswandel auch zu dem außergewöhnlichen Fußballer macht, der er ist, ist ohne Zweifel sein unheimlicher Biss und Ehrgeiz. Als er 16 Jahre alt war, starb sein Vater, sein wichtigster sportlicher Mentor und die Triebfeder hinter Lewandowskis bis dato noch etwas unschlüssiger Karriere als Fußballer. Plötzlich war er, der noch junge Robert, der Mann im Haus. Er versprach seiner Mutter und seiner Schwester, dass er all die Zeit und Mühen, die sein Vater zeitlebens ihn in gesteckt hatte, zurückzahlen und es als Profifußballer schaffen würde. Das war 2005. 2006 begann er seine offizielle Profikarriere bei einem polnischen Erstligisten und nach einer weiteren Station in Polen wechselte er 2010 zu Borussia Dortmund. Obwohl er in der ersten Zeit noch hinter Lucas Barrios und Mario Götze im Sturm zurückstecken musste, hatte er auch schon als Einwechselspieler von Anfang an eine hohe Torquote und machte sich bald unverzichtbar. Der Rest, wie man sagt, ist Geschichte. Wo immer er spielte, gegen wen auch immer er konkurrierte, immer arbeitete er hart, biss sich durch und machte sich schnell unersetzlich. Die Wurzeln hierfür dürften nicht zuletzt in seinem sportlich sehr ehrgeizigen und kompetitiven Elternhaus und seinem jugendlichen Schicksalsschlag liegen, an dem er nicht zerbrochen, sondern in seinem Ehrgeiz, seiner Zielstrebigkeit und seiner Entschlossenheit gewachsen ist.

Eine Anekdote, die das Bild vom ehrgeizigen Lewandowski weiter untermauert, ist die, dass er im Jahr 2017 seine Bachelorarbeit an der Warschauer Sporthochschule nach 10 Jahren nebenberuflichen Studiums endgültig bestand – und zwar über sich selbst: „RL9 – Der Weg zum Ruhm“, so der Titel der Arbeit. Es bedarf schon eines besonderen Willens, parallel zu einer Karriere als Fußballprofi in der modernen Zeit mit all ihren Verpflichtungen eine wissenschaftliche Arbeit anzufertigen und erfolgreich zu Ende zu bringen. Dass er sie zudem aber auch noch über sich selbst als Fußballer schreibt, ist sicherlich einerseits der Zeitersparnis und der Vermeidung von Rechercheaufwand geschuldet, andererseits aber auch Ausdruck seiner – positiv formuliert – produktiven Selbst-Achtsamkeit.

Lewandowskis Ausblick

Man wird mit Fug und Recht sagen können, dass Robert Lewandowski neben – oder vielleicht nur ganz knapp hinter – Cristiano Ronaldo der professionellste Fußballer auf diesem Planeten ist: Er ist nie verletzt, er richtet sein ganzes Leben auf den Fußball aus, er trainiert wie ein Besessener, er hat ein ausgeklügeltes Konzept von Ernährung und Regeneration, er ist ein körperliches Phänomen (nicht umsonst soll er von seinen ehemaligen Mannschaftskollegen bei Borussia Dortmund „the body“ genannt worden sein), und er ist unheimlich ehrgeizig und fokussiert.

Rein zahlenmäßig wird Lewandowski solche Fabelrekorde in allen Bereichen wie die eines Christiano Ronaldo oder Lionel Messi nicht mehr erreichen können, zu spät ist er dafür in den hochklassigen Profifußball eingestiegen (als er 2010 zu Dortmund wechselte, war er schon 22 Jahre alt). Aber zumindest hinten heraus besteht eine gute Chance, dass er ähnlich langlebig auf höchstem Niveau wird agieren können wie die beiden Lichtgestalten des Weltfußballs. Sowohl seine Zahlen als auch seine Spielweise legen zumindest nahe, dass er gerade erst in diesen Tagen den Zenit seiner Schaffenskraft erreicht. Er ist jetzt 31, Messi ist 32 und Ronaldo 34. Man darf vermuten, dass Lewandowski eine genetisch besonders begünstigte Physis hat. Wenn er zudem sein Leben weiterhin ähnlich obsessiv auf den Fußball ausrichtet wie Cristiano Ronaldo und man davon ausgeht, dass Ronaldo bestimmt noch zwei oder drei gute Jahre hat, dann dürfen die Bayern sich ganz sicher noch auf einige schöne Jahre höchster Lewandowski-Kunst freuen.

Aber das ist Zukunftsmusik. Für die Bayern dürfte wesentlich entscheidender sein, dass er jetzt und heute DER zentrale Leistungsträger in ihrem Team ist.

Wir jedenfalls kommen an diesem Umstand nicht vorbei. Man soll die Feste feiern wie sie fallen. Und folglich ist Lewandowski unser Spieler des Monats Oktober.