Protest der Bayernfans gegen Ticketpreis-Explosion

Caro Trenner 21.10.2015

London ist für mich so ein Ort, weil ich mit dieser Stadt unheimlich viele schöne und aufregende Erlebnisse verbinde. Zu allererst schießen natürlich die Erinnerungen von dieser einen Nacht im Mai in den Kopf. Darüber hinaus ist die Stadt für einen Groundhopper wie mich ein Schlaraffenland, denn nirgends in England ist die Stadiondichte so groß wie in und um London, aber auch abseits des Fußballs hat es mir die Metropole an der Themse angetan. Freundschaften haben sich entwickelt und im Boogaloo gibt’s die besten Fish & Chips der Stadt. Aus diesem Grund war bei mir die Euphorie riesig, als sich bei der Auslosung der FC Arsenal zu uns in die Gruppe gesellte.

Statement gegen Ticketpreis-Wahnsinn

Aufgrund der zwei Auftaktniederlagen gegen Zagreb und Olympiacos ging es für Arsenal gegen uns schon um alles. Kleine Randnotiz: Der Klub heißt offiziell “Arsenal Football Club”, abgekürzt auch “Arsenal FC”, “AFC” oder in deutscher Schreibweise “FC Arsenal”. Das hierzulande weitverbreitete “Arsenal London” ist schlichtweg falsch und eine deutsche Erfindung.

Unabhängig von der sportlichen Ausgangslage der beiden Teams sorgte die angekündigte Aktion der Bayernfans, „£64 A TICKET, BUT WITHOUT FANS FOOTBALL IS NOT WORTH A PENNY“ bereits im Vorfeld der Partie für ein großes Medienecho und enormen Anklang unter den Bayernfans. Neben der aktiven Szene zählten sich über 200 Bayernfanklubs zu den Unterstützern, die englischen Fans feierten die Aktion und auch die englische Presse berichtete durchweg positiv.
Das Ziel war, ein Statement gegen den aktuellen Ticketpreis-Wahnsinn zu setzen, indem die mitgereisten Bayernfans während der ersten fünf Minuten des Spiels den Auswärtsblock nicht betraten. Durch den Kontrast des fabelhaften Tifos in den darauffolgenden 85 Minuten, wurde eindrucksvoll demonstriert, wie es in Zukunft in den Fanblöcken aussehen wird, wenn diese Entwicklung weiter voranschreitet und der aktive Kern nach und nach aus den Kurven und Stadien verschwindet. Auf der Insel ist diese bedenkliche Entwicklung schon in vollem Gange. Die Ticketpreise befinden sich seit Jahren in einem Bereich jenseits von Gut und Böse.

Arsenal ist hier in allen Kategorien trauriger Spitzenreiter. Für ein Tagesticket eines Premier-League-Spiels sind mindestens 85 Euro fällig, die „billigste“ Jahreskarte kostet umgerechnet rund 1500 Euro und auch die Auswärtsfans werden gemolken wie eine Kuh. Bezahlte man als Bayernfan beispielsweise noch vor einigen Jahren für ein Europapokal-Ticket im Highbury Stadium umgerechnet knapp 30 Euro, so musste man dieses Mal schlappe 90 Euro für das Vorrundenspiel hinblättern. Zum Vergleich: Die günstigste Kategorie des Europapokal-Finals 2012 in München kostete 70 Euro.

Dieser Anstieg der Ticketpreise führte nun in den letzten Jahren dazu, dass sich ein Großteil der englischen Fans einen regelmäßigen Stadionbesuch nicht mehr leisten konnte. Vielmehr trifft man sich nun im Pub mit Freunden, um dort die Spiele seines Lieblingsklubs zu schauen. Eine lebendige Fankultur sieht man in den Stadien daher nur noch selten bis gar nicht mehr. Natürlich sind die Stadien Woche für Woche immer noch ausverkauft, denn wirtschaftlich gesehen boomt die englische Liga, nur leider herrscht dort zu oft auch eine Stimmung wie auf einer Beerdigung, auch weil das aktive und bunte Publikum zu einem großen Teil durch die reichen Eventfans und Touristen ausgetauscht wurde.

Gooners auf den Spuren des Club Nr. 12

Deswegen wurden schon vor einigen Jahren Kampagnen ins Leben gerufen, die gegen die horrende Preispolitik der Premier League demonstrierten. Bisher leider ohne größeren Erfolg. Lediglich in den unteren Ligen beschlossen einige wenige Klubs, darunter Coventry City und die Doncaster Rovers, eine Preisgrenze in Höhe von maximal 20 Pfund für Tickets der Auswärtsfans einzuführen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Viel wichtiger wäre es aber natürlich, wenn sich endlich auch in der Premier League die Vereine anschließen würden.

Unterstützer unter den Fans gibt es jedenfalls genug. Dazu zählen sich auch die „REDActionGooners“, ein Zusammenschluss von aktiven Arsenal-Fans, die die Stimmung ins Emirates Stadium zurückholen wollen und während der Spiele für die besondere Atmosphäre sorgen möchten, die so oft so schmerzlich vermisst wird. Vielleicht könnte man die „REDActionGooners“ mit dem ClubNr.12 vergleichen, nur ein paar Nummern kleiner. Ins Leben gerufen wurde die Fanorganisation im Jahre 2003 und seitdem planen und organisieren sie – (teilweise) mit finanzieller Unterstützung des Klubs – Choreographien und kleinere Aktionen mit Fahnen, Schals und Banner im Stadion. Einer der Unterschiede zum ClubNr.12 ist dabei sicherlich die Tatsache, dass die Aktionen zwar von den „REDActionGooners“ organisiert und durchgeführt werden, allerdings hilft der Arsenal FC bei der Finanzierung mit. Auch wenn das innerhalb unserer Fanszene ein absolutes No-Go ist, so muss man im Falle der Gooners (so nennen sich die Arsenal-Fans selbst) berücksichtigen, dass beispielsweise große Choreographien nicht unbedingt zur traditionellen englischen Fankultur zählen. Erst in den letzten Jahren sah man vermehrt Folienmosaike oder große Blockfahnen auf den Rängen. Die Etablierung steckt also noch in den Kinderschuhen und so ist vielleicht die Auffassung unter den Arsenal-Fans, komplett auf finanzielle Unterstützung durch den Verein zu verzichten, noch nicht hundertprozentig in den Köpfen verankert.

Auch mit dem Geheimhalten geplanter Aktionen nehmen sie es auf der Insel (noch) nicht so ganz genau, so wurde schon weit vor dem Spiel angekündigt, dass im Europapokal-Spiel gegen den FC Bayern eine Ganzstadion-Choreo in Planung sei. Die Intention dahinter ist aber auch hier durchaus nachvollziehbar. Wie bereits erwähnt sind Choreographien traditionell nicht Teil der englischen Fankultur, deswegen dienen solche Ankündigungen zum einen zur Sensibilisierung der eigenen Fans für ebenjene Aktionen. Was allerdings zur englischen Tradition gehört, ist das Phänomen, dass sich die Ränge in den Stadien erst knapp vor Anpfiff füllen, was die perfekte Durchführung einer Choreographie natürlich erheblich erschwert und so möchte man eben sicherstellen, dass auch möglichst alle pünktlich in den Blöcken sind.

Nichtsdestotrotz ist die Arbeit der „REDActionGooners“ sehr erfreulich, denn bei der aktuellen Entwicklung in der Premier League freut man sich über jeden einzelnen Fan, der sich durch sein Engagement gegen die Situation wehrt und einbringt. Im Emirates Stadium hat sich mittlerweile im North End hinter dem Tor ein kleiner Stimmungsblock etabliert. Von dort aus soll in Zukunft bald wieder die Atmosphäre auf das ganze Stadion überschwappen und so eine Atmosphäre schaffen, die man aus anderen Stadien in Europa kennt. Eine wichtige Voraussetzung hierfür wäre, die aktiven Leute ins Stadion zurückzuholen, die durch die horrenden Ticketpreise einst vertrieben wurden. Auch deswegen unterstützen die „REDActionGooners“ aktiv Kampagnen, die sich für einen „Price Cap“ in der Premier League stark machen.

Die Sehnsucht nach Stehplätzen

Doch es gibt noch einen weiteren großen Wunsch der Gooners (und natürlich auch der Fans anderer Klubs): Die Wiedereinführung von Stehplätzen in den Stadien.

Nachdem im April 1989 im Hillsborough-Stadion 96 Liverpool-Fans auf grausame Weise ums Leben kamen, schob die Polizei den Anhängern die Schuld in die Schuhe. Stehplätze wurden zudem als Ursache allen Übels auserkoren und so verwandelten sich schnell alle Stadien der britischen Profiklubs in reine Sitzplatzstadien. Auch merkte man recht schnell, dass an einem Sitzplatzticket erheblich mehr Geld verdient werden konnte und so nahm die Entwicklung erst Recht ihren Lauf. Mittlerweile wurde bewiesen, dass nicht die Fans an dem Unglück in Sheffield Schuld waren, sondern die Polizei damals erhebliche Fehler machte. Die Namen der 96 Opfer wurden reingewaschen, Stehplätze wurden allerdings noch nicht wieder eingeführt.

Die von „The Footballs Supporters Federation“ ins Leben gerufene Kampagne „Safe Standing“ wird erfreulicherweise schon von einigen Klubs unterstützt. Neben vielen unterklassigen Vereinen gesellen sich auch prominentere Klubs wie Aston Villa, Swansea City, Crystal Palace, Sunderland, Leeds United oder die Wolverhampton Wanderes sowie die gesamte Schottische Premier League zu den Befürwortern. Gemeinsam mit den Supporters Clubs, darunter natürlich auch die „REDActionGooners“, kämpfen sie für Testprojekte, die als Grundlage für weitere Argumente Pro Stehplätze dienen soll. Auch in der Politik wächst die Unterstützung für die Rückkehr der Stehplätze, was durchaus berechtigte Hoffnung schürt, dass mittel- bis langfristig in englischen Stadien wieder gestanden werden darf.

Die Fans und eine breite Öffentlichkeit haben die Zeichen der Zeit in England erkannt. Viel wichtiger wäre es allerdings noch, wenn auch die Verantwortlichen eines jeden Klubs endlich realisieren würden, dass auch der größte TV-Deal ohne Fans nichts mehr wert ist.