Mit Licht und Schatten nach Berlin

Maurice Trenner 10.06.2020

Zum zweiten Mal nach der Corona-Pause spielte Bayern München gegen die Frankfurter. Im Pokal-Halbfinale würde man Revanche für das verlorene Finale 2018 nehmen können. Damals hatte man gegen die von Niko Kovač trainierten Hessen mit 1:3 verloren. Eben jener Kovač wechselte im Sommer danach nach München, wo er im Herbst 2019 nach einer 1:5-Niederlage gegen Frankfurt entlassen wurde.

Falls ihr es verpasst habt

Die Aufstellung

Kurzfristig musste Trainer Hansi Flick aufgrund einer Rückenprellung auf Serge Gnabry verzichten. Der deutsche Nationalspieler wurde durch Ivan Perišić ersetzt. Ansonsten blieb alles beim Alten. Auch die beiden (Wahl-)Spanier Thiago und Lucas Hernández mussten vorerst erneut auf der Bank Platz nehmen.

Bei den Hessen fehlte ebenfalls ein Flügelstürmer. Der diese Saison stark aufspielende Filip Kostić fehlte aufgrund einer Rotsperre aus dem Viertelfinale gegen Werder Bremen. Zudem saßen im Vergleich zum Wochenende auch Hasebe, Kamada und Dost auf der Bank. Mit Abraham, Ndicka, Chandler und Gaćinović richtete Trainer Adi Hütter seine Mannschaft deutlich defensiver aus.

Kleine Randnotiz: Die Münchner liefen erstmals im neuen Heimtrikot für die nächste Saison auf, das erneut traditionell in rot-weiß gehalten ist. Mehr als eine Randnotiz: Die Frankfurter liefen mit der Aufschrift #blacklivesmatter auf der Brust auf.

Die erste Halbzeit

Bereits zu Beginn zeigte sich das zu erwartende Bild. Bayern drängte mit viel Ballbesitz auf das Tor der Gäste. In der sechsten Minute musste Kohr auf der Linie einen Müller-Kopfball nach einer Ecke von Kimmich klären. Kurz danach verpasste Lewandowski eine Hereingabe von Müller, die er nur noch hätte einschieben müssen (8.). 

Nach diesen zwei Großchancen nutzten die Bayern ihre nächste Gelegenheit. Einen langen Ball leitete Coman per Chipball stark auf Lewandowski weiter, der auf Müller ablegte. Der Rekord-Vorlagengeber flankte mit Auge auf Perišić, der alleine vor Trapp per Flugkopfball einköpfte (14.).  

Der bayerische Chancenwucher ging jedoch weiter. Nach einer Davies-Flanke hätte Coman nur noch einschieben müssen, doch der Franzose verpasste freistehend (25.). Trapp musste kurz später gegen Lewandowski retten (31.). Der Pole hatte sich zuvor durch eine Passfinte in eine gute Abschlussposition gebracht.

Bis zum Pausenpfiff erspielten sich die Bayern noch einige Halbchancen. Oft fehlte jedoch die letzte Konsequenz in den Aktionen und beim letzten Pass konnte ein Frankfurter seinen Fuß dazwischen bekommen. Mit dem 1:0 wurden die Seiten gewechselt. Eine starke Hälfte der Münchner wurde allein dadurch überschattet, dass die Hausherren verpassten, das zweite Tor zu erzielen.

Die zweite Halbzeit

Beide Mannschaften kamen ohne Wechsel aus der Pause. Gerade in den Anfangsminuten ließen die Bayern allerdings klare Aktionen vermissen. Auch um etwas mehr Ruhe in die Partie zu nehmen, nahm Flick seine beiden Flügelstürmer Perišić und Coman vom Feld und brachte Hernández sowie Thiago (60.).

Die Frankfurter brachten den Außenstürmer Da Costa. Und dieser Wechsel machte sich direkt bezahlt: Ohne Zugriff konnte sich Kamada im Strafraum drehen und in die Mitte legen, wo der Eingewechselte den Ausgleich erzielte (68.). Der Treffer hatte sich angedeutet.

Doch wie so oft in dieser Saison war Lewandowski zur Stelle, als die Münchner ihn am meisten brauchten. Goretzka stecke am Strafraum auf Davies durch, der auf Kimmich in der Mitte weiterleitete, von wo der Ball zu Lewandowski ging, der aufgerückt war. Der Pole vollstreckte (75.), wobei Schiedsrichter Fritz zuerst Abseits pfiff. Nach Überprüfung durch den VAR wurde der Treffer jedoch zurecht gegeben.

Zur Absicherung des Ergebnisses brachte Flick Martínez für Goretzka (86.). Vor allem im Kopfballspiel sollte der robuste Spanier gegen die kopfballstarken Frankfurter helfen. 

Am Ende rettete der FC Bayern das Ergebnis über die Zeit und ging damit einen großen Schritt in Richtung 20. Pokaltitel. Im Finale gegen Leverkusen werden dafür jedoch 90 konzentrierte Minuten von Nöten sein. Bereits am Wochenende gegen Gladbach bedarf es einer erheblichen Leistungssteigerung.

Drei Dinge, die auffielen

1. Dominanter Auftakt

Die erste halbe Stunde heute in der Allianz Arena ließ für keine Sekunde einen Zweifel zu, wer im Juli das Pokalfinale bestreiten darf. Die Münchner dominierten die Frankfurter nach Belieben, schnürten die Hessen in ihrer Hälfte ein und erspielten sich eine Chance nach der nächsten. Alleine ein seltener Lapsus von Lewandowski sowie ein Fauxpas von Coman hielten die Gäste im Spiel.

Stand die Frankfurter Defensive sortiert und tief, erspielte man sich mit einem guten Positionsspiel beste Chancen. Rückten die Gäste hingegen heraus, überspielte man ganze Mannschaftsteile mit präzisen langen Bällen. Ging ein Ball doch mal verloren, schaffte man es diesen meist noch in der gegnerischen Hälfte durch aggressives Pressing zurück zu erobern.

Der Führungstreffer war ein Musterbild für all jene Qualitäten, mit denen die Bayern in den letzten Wochen begeisterten. Während die Frankfurter Neuer halbherzig pressten, schlug der Keeper den Ball lang auf Coman. Der Franzose spielte einen traumhaften Chip in den Lauf von Lewandowski. Der Stürmer wurde von Hinteregger zwar bedrängt, schaffte es aber noch auf Müller abzulegen. Dieser flankte butterzart auf Perišić, der eingelaufen war und mit dem Kopf Trapp überwand. Lange Bälle in die Spitze, Müllers Direktspiel und nachrückende Offensivspieler – die Erfolgsformel der Flick-Elf.

2. Zu direkt ist direkt unsouverän

So stark die erste Halbzeit der Münchner war, so schwach war die Leistung nach dem Seitenwechsel. Die nun deutlich aktiveren und aggressiveren Frankfurter setzten den Münchnern zu. Doch anstatt das Spiel mit einem geordneten Passspiel zu beruhigen, wurde es schnell hektisch.

Auch bedingt durch die hohe Positionierung von Goretzka und Müller, versuchte man sich gegen das nun sehr aggressive Pressing durch lange, direkte Bälle zu befreien. Dies gelang jedoch selten bis nie. Nur vereinzelt schaffte man längere Passstafetten. Meist ging der Ball nach spätestens drei Stationen verloren. Die Positionierung abseits des Balls wurde vernachlässigt, wodurch Anspielstationen fehlten.

Flick versuchte dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem er Thiago einwechselte und ihn neben Kimmich ins Mittelfeld stellte. Der Grundgedanke war klar, ein weiterer ballsicherer Spieler im Zentrum sollte mit Ruhe und Übersicht wieder die Ordnung im Spiel herstellen. Doch dies gelang kaum, zu aggressiv waren die Frankfurter, zu inkonsequent die Münchner Laufwege ohne Ball. Thiago war im Zentrum extrem die fehlende Spielpraxis anzumerken. Seine gewohnte Souveränität am Ball konnte er kaum einbringen.

3. Der FC Bayern ist verwundbar

Als Trainer Flick unter der Woche die Trainingsleistung der Münchner öffentlich kritisierte, war dies kaum mehr als eine Randnotiz in den meisten Gazetten. Spätestens nach der Partie heute weiß man doch, dass der Coach sehr wohl noch vor einigen Aufgaben steht.

Wie schon am Wochenende gegen Leverkusen spielten die Münchner phasenweise sehr guten Fußball, nur um dann einzubrechen. Während die letzte Partie schon gelaufen war, ließ man die Gäste heute ohne Not zurück ins Spiel kommen. Schienen die Bayern in den letzten Wochen eine gewisse Pressingresistenz entwickelt zu haben, war heute ein klarer Rückschritt erkennbar. Hier gilt es anzusetzen.

Eine möglicher Grund hierfür ist der sehr aufreibende Spielstil unter Flick. Die Intensität der Münchner ist in den Drangphasen so hoch, dass sie kaum über 90 Minuten aufrecht gehalten werden kann. Auch daher wirkte die Mannschaft fast stehend k.o.

Zu guter Letzt lag es aber auch an der Münchner Chancenverwertung in der ersten Hälfte, dass die Frankfurter überhaupt nochmal ins Spiel zurückkommen konnten. Hätten Lewandowski und Coman nicht ihre Hommage an Frank Mill und Mario Gomez zum Besten gegeben, wären wohl die Nerven aller Beteiligten deutlich weniger strapaziert worden. Aber wie wusste schon Lothar Matthäus: “Wäre, wäre, Fahrradkette”.