FC Bayern vs. Wolfsburg, Südkurve

Als Tabellenführer nach München – Paderborn in der Vorschau

Felix Trenner 22.09.2014

Transfers & Personal

Den Großteil des Kaders des SCP kennt man nur, wenn man in den letzten Jahren auch die 2. Bundesliga verfolgt hat. Eine Vielzahl solider Zweitligaspieler, die in der Vorsaison für den großen Erfolg verantwortlich waren, konnte mit einigen jungen Talenten ergänzt werden, die auffallend oft in der Jugend des BVB groß wurden. Gerade im Sturm legten die Paderborner nach und investierten 700 Tausend Euro in Stefan Kutschke (25, aus Wolfsburg), Elias Kachunga (22, aus Gladbach) und Marvin Ducksch (20, aus Dortmund). Mit Moritz Stoppelkamp konnte zudem der im letzten Jahr beste Spieler von 1860 verpflichtet werden, er ist mit 700 Tausend Euro der zweit-teuerste Transfer der Vereinsgeschichte, was erneut zeigt, mit welch vergleichsweise geringen Summen in Paderborn hantiert wird. Auch Marvin Bakalorz, Idir Ouali und Lukas Rupp, die aus Frankfurt, Dresden und Gladbach kamen, sollten erwähnt werden. Sie komplettieren den überaus seriösen und gut durchdachten Transferplan, mit dem die Ostwestfalen in der Bundesliga mithalten wollen: Junge, hungrige Spieler holen, die bei ihren Bundesligavereinen kaum Chancen auf Einsatzzeiten haben und mit ihnen alles versuchen, um die Liga zu halten. Sollte es nicht klappen (bei dem paderbornschen Realismus sicher ein durchgeplantes Szenario), hätte man für die nächste Saison in der zweiten Liga einen konkurrenzfähigen Kader und müsste das Budget nicht wieder radikal zurückschrauben.

Wirft man einen systematischen Blick auf den Kader, fällt vor allem die Ausgeglichenheit auf, mit der er zusammengestellt wurde. Gute Altersstruktur und unterschiedliche Spielertypen, dazu Führungsfiguren und Spielgestalter – und einen gefährlichen Torjäger. Aber der Reihe nach: Im Tor heißt der solide Rückhalt Lukas Kruse (31). Eine echte Identifikationsfigur, der beim SCP groß geworden ist und, mit einem kurzen Intermezzo in Dortmund und Augsburg, seit 2002 in blau-schwarz aufläuft. Vor ihm verteidigen in einer Viererkette von links nach rechts Daniel Brückner, Christian Strohdiek, Uwe Hünemeier und Jens Wemmer. Vor allem Hünemeier ist essentiell für den Aufsteiger – gerade seine starken Leistungen sorgten an den ersten vier Spieltagen für lediglich zwei Gegentore, nur der 1. FC Köln stand hinten sicherer. Im Mittelfeld stellt Trainer Andre Breitenreiter variabler auf. Zweimal spielte er ein 4-4-2 mit Doppelsechs, in dem Bakalorz oder Ziegler zusammen mit Vrancic absichern. Stellt das Team allerdings, wie zum Beispiel beim Sieg gegen den HSV, auf ein 4-1-4-1 um, wird die Doppelsechs nach vorne gezogen und ein zusätzlich absichernder Mittelfeldspieler, in diesem Fall Patrick Ziegler, auf die Sechs gestellt. Links sorgt Moritz Stoppelkamp für spielerische Klasse, über rechts hat Süleyman Coc die besten Karten, gegen den FC Bayern darf sich allerdings auch der defensiv stärkere Lukas Rupp Chancen ausrechnen. Viel erwartet wird auch von der baldigen Rückkehr von Alban Meha, einem der Aufstiegshelden. Er soll dann den bisher herausragenden Stürmer Elias Kachunga unterstützen. Kachunga ist die Konstante im Paderborner Sturm, entweder er spielt als einzelner oder um ihn herum rochieren Kutschke (1. Spieltag) bzw. Koc (4. Spieltag). Mit seinen drei Toren hat Kachunga großen Anteil am momentanen Höhenflug der Ostwestfalen – für seine Konkurrenten wie Marvin Ducksch oder auch den bald wieder fitten Mahir Saglik (ebenfalls Aufstiegsheld) wird es schwer, ihn zu verdrängen.

System

Wie bereits oben erwähnt – Andre Breitenreiter stellt sowohl personell als auch spieltaktisch sehr variabel auf. Das 4-4-2-System mit Doppelsechs wählte er zum Saisonstart gegen Mainz und am Wochenende gegen Hannover 96 – beides Mannschaften, die auf schnelles Umschalten setzen, das mit zwei absichernden Spielern verhindert werden sollte. Gegen Hamburg und Köln wurde die Pressingmaschine in Gang gesetzt: Im auf dem Papier offensiven 4-1-4-1, das allerdings so besetzt war, dass die beiden zentralen Spieler sowie der Sechser prinzipiell defensiv denkende Spieler waren (Bakalorz und Vrancic). Somit wurde aus einem 4-1-4-1 im Nu ein defensives 4-3-2-1. Beim Blick in die Daten wird schnell klar, was das Team von Andre Breitenreiter auszeichnet: Zwar hat die Mannschaft im Durchschnitt lediglich 42 % Ballbesitz, spielte sich aber in der Bundesliga nur 6 Torchancen weniger heraus als der FC Bayern (SCP: 50, FCB: 56). Das laufstarke Pressing, das man auch im Spiel gegen die Hannoveraner beobachten konnte, gepaart mit dem Ziel, möglichst schnell abzuschließen, ist zwar nicht neu, wird aber in Paderborn äußerst effektiv und diszipliniert umgesetzt.

Das gewisse Etwas

Hier einen Spieler aus dem Kollektiv herauszugreifen, ist schwierig. Sicherlich, Kachunga’s Torgefahr und Stoppelkamp’s Abschlussstärke (auch aus großen Distanzen) sind Waffen, die auch dem FC Bayern schaden hinzufügen können – viel gefährlicher allerdings ist das ungeheure Selbstvertrauen, das sich der SCP in den ersten Spielen erarbeitet hat. An einem Dienstagabend mit Flutlicht beim großen FC Bayern als Tabellenführer aufzulaufen ist ein Privileg und das wissen in Paderborn alle zu schätzen. Die Einstellung „wir haben ja nichts zu verlieren“, mit der Breitenreiter schon seit der Vorbereitung in Interviews auftritt, kann auch dem Rekordmeister ein Bein stellen. Denn im Vergleich zu anderen „No-Names“ in den letzten Jahren, wie etwa Greuther Fürth oder Eintracht Braunschweig, hat Paderborn nicht nur eine lässige und entspannte Haltung gegenüber der Bundesliga, sondern nutzt diese auch aus und spielt nicht verkrampft, sondern befreit.

Prognose

Bei allem momentanen Optimismus: Auch der SC Paderborn wird in dieser Spielzeit noch mit Problemen zu kämpfen haben. 34 Spiele lang der Underdog zu sein, wird nicht funktionieren. In ihrer momentanen Verfassung jedoch sind sie ein unangenehmer Gegner, der durch Laufstärke und Umschaltspiel überzeugt und den der FC Bayern auf gar keinen Fall unterschätzen darf. Denn schaffen die Paderborner am Dienstag das ganz große Ding gegen den FC Bayern, ist das Team auf ewig berühmt.