Vorschau: Lokomotive Moskau – FC Bayern München

Justin Trenner 27.10.2020

Nach einigen Jahren der Abstinenz gelang es Lokomotive Moskau in der letzten Saison zum dritten Mal in Folge, sich direkt für die Champions League zu qualifizieren. Über die Gruppenphase hinaus kamen sie dabei aber nicht. Erst- und Letztmals gelang ihnen dieses Kunststück in der Saison 2003/04, wobei im Jahr zuvor immerhin die damalige zweite Gruppenphase erreicht werden konnte, also die Phase vor dem Viertelfinale.

Lokomotive Moskau: Die großen Erfolge sind lange her

Ansonsten datieren die größten internationalen Erfolge aus den Jahren 1998 und 1999: Beide Male erreichten die Russen das Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger. Erst scheiterten sie relativ deutlich mit 3:1 nach Hin- und Rückspiel am VfB Stuttgart, ein Jahr später war Lazio Rom die Endstation – nach einem 1:1 in zwei Partien und der damit verbundenen Auswärtstorregel.

National zählte Lokomotive Moskau nie konstant zu den absoluten Top-Teams der Liga. Neben drei Meisterschaften (2002, 2004 und 2018) gab es in diesem Jahrtausend viele Mittelfeldplatzierungen. Auch in dieser Saison hat man den Anschluss nach ganz oben erstmal verloren. Nach einem durchwachsenen Saisonstart schien man sich in den letzten Wochen dabei eigentlich zu fangen.

Vier Siege aus den letzten vier Ligaspielen vor dem vergangenen Wochenende sprechen für sich. Darunter ein knapper 1:0-Erfolg bei Stadtrivale und Meisterschaftskandidat ZSKA Moskau. Am Samstag folgte dann aber eine bittere 1:2-Niederlage daheim gegen FC Rotor Wolgo, die lediglich auf dem vorletzten Platz der Tabelle stehen.

Bekannte Gesichter im Kader des Gegners

In Deutschland dürften die meisten Spieler des nächsten Bayern-Gegners eher weniger bekannt sein. Der mittlerweile 34-jährige Innenverteidiger Vedran Ćorluka spielte einst für Manchester City sowie Tottenham und wurde vor seinem Wechsel nach Moskau (2012) mal nach Leverkusen verliehen.

Darüber hinaus könnte der Pole Grzegorz Krychowiak einigen ein Begriff sein. Zwischen 2014 und 2016 spielte er für den FC Sevilla, anschließend ein Jahr bei Paris Saint-Germain. Mit 30 Jahren und seiner Top-Klub-Erfahrung ist er bei Lokomotive Moskau einer der wichtigsten Spieler.

Von der Europameisterschaft 2016 könnte vielen noch der portugiesische Stürmer Éder in Erinnerung geblieben sein, hat er doch das Finale gegen Frankreich mit seinem Treffer entschieden. Der robuste Angreifer ist auch bei Moskau immer für ein Tor gut. Gegen Salzburg erzielte er vergangene Woche das wichtige 1:0 per Kopf (Endstand: 2:2).

Erneuerung fällt Lok Moskau schwer

Darüber hinaus gibt es noch einige weitere Namen, die der durchschnittliche Fan hier und da mal wahrgenommen haben könnte. Das kann durchaus auch als stellvertretend für die Entwicklungen im russischen Fußball gesehen werden. Mitte des letzten Jahrzehnts gingen die Spielanteile für Legionäre in der Primier Liga deutlich runter. Prozentual lag der dieser zwischenzeitlich bei über 50 %. Mittlerweile hat er sich erstmals seit vielen Jahren bei unter 40 Prozent eingepegelt.

Die Zeiten, in denen der russische Fußball aufgrund von Investoren auf dem Vormarsch zu sein schien, sind längst wieder vorbei, Spieler kommen seltener aus dem Ausland. Dementsprechend schwer fällt es einigen Klubs auch, sich zu erneuern. Lokomotive Moskau stellt mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren die zweitälteste Mannschaft der Liga.

Und doch ist ihr Fußball alles andere als Altherrengekicke. Die Mannschaft von Trainer Marko Nikolic stellt an guten Tagen eine sehr starke Defensive auf den Platz. Im 4-4-2 machen die Russen die Räume im Zentrum sehr eng und versuchen, über Ballgewinne und schnelle Umschaltsituationen zu Torerfolgen zu kommen.

Moskaus kompakte Ketten

Gegen Salzburg hatten sie aber auch einige Ballbesitzphasen, in denen sie gezeigt haben, dass sie durchaus auch kombinieren können. Mit ihrer Direktheit und den schnellen Angriffen könnten sie auch den Bayern punktuell gefährlich werden.

Problematisch sind wiederum die großen Abstände zwischen den Mannschaftsteilen in Ballbesitz. Häufig versucht Moskau, mit langen Schlägen ins letzte Drittel zu kommen und dort dann auf zweite, oder gar dritte Bälle zu gehen. Funktioniert das, haben sie durchaus gute Karten auf Abschlüsse. Doch sobald sie den Ball verlieren, ist das Mittelfeld sträflich offen.

Gegen die Bayern ist eher nicht damit zu rechnen, dass die Russen ein solches Risiko eingehen. Dafür könnten die Münchner eine weitere Schwäche für sich nutzen: Wenn Moskau mal nicht am eigenen Strafraum verteidigt und versucht, etwas rauszuschieben, bieten sich für einige Sekunden Räume zwischen den beiden Viererketten.

Wie steigen die Bayern aus dem Flieger?

Den Russen gelingt es nicht, die Kompaktheit über 90 Minuten zu halten. Wenn Mannschaften wie Bayern ständig für Bewegung sorgen, reißen mitunter größere Löcher in der Formation auf.

Dass die Bayern klarer Favorit sind, steht außer Frage. Entscheidend wird es sein, wie die Spieler die lange Reise verkraften und wie sehr der Rhythmus unter möglicher Rotation leidet. Spielt die Mannschaft allerdings so konzentriert und geduldig wie schon gegen Atlético Madrid, dürfte Moskau keine allzu große Hürde sein.

Gerade der Blick in die Vergangenheit zeigt aber, dass in Osteuropa schon viele große Mannschaften gestolpert sind. Moskaus aggressives und (meist) kompaktes Spiel gegen den Ball könnte den Bayern zusetzen, wenn sie nicht ausreichend erholt und konzentriert aus dem Flieger steigen.

Anstoß ist heute Abend um 18:55 Uhr.