Vorschau: FC Schalke 04 – FC Bayern München

Justin Trenner 23.08.2019

Es ist die zweite Bundesliga-Vorschau dieser Saison und es wird das zweite Mal sein, dass ein Gegner vorgestellt wird, der sich von seiner jüngeren Vergangenheit lösen möchte. Bei Schalke 04 ist die Situation sogar noch etwas extremer.

Die Königsblauen standen in den letzten Jahren für einen extrem defensiven Fußball, der auf schnelle Umschaltsituationen und wenig Gegentore ausgelegt war.

Unter Domenico Tedesco funktionierte das in der ersten Saison noch recht passabel. Doch auch damals deutete sich bereits an, dass die Knappen Probleme kriegen würden, wenn die gestellten Pressingfallen entschlüsselt werden. Trotz der Versuche, einen progressiveren Fußball zu etablieren, scheiterte Tedesco – nicht zuletzt deshalb, weil ihm die Spielertypen dafür fehlten.

Schalke 04: Gelingt der Neustart?

Nun soll David Wagner sein Glück versuchen. Der 47-Jährige schaffte es 2017, mit Huddersfield Town in die englische Premier League aufzusteigen, obwohl seine Mannschaft vom Etat her im unteren Drittel der Tabelle rangierte. Wagner etablierte damals einen aggressiven, leidenschaftlichen und auf Gegenpressing basierten Fußball, den man auf Schalke zu gern sehen würde.

Wagner ist ein Schüler Ralf Rangnicks, der seiner Zeit in Hoffenheim einen großen Einfluss ausübte. Aber auch in Dortmund lernte Wagner viel von Jürgen Klopp, der bekannt ist für seine flexiblen und aggressiven Elemente im Pressing.

Doch hat sich Wagner auch die notwendigen Komponenten für das Spiel in längeren Ballbesitzphasen abgeschaut? Und wie passt dieser Stil ganz allgemein zu Schalke 04? Wagner soll für einen fußballerischen und strategischen Neustart stehen, doch er wird in Gelsenkirchen auf Hürden treffen, die es zu überwinden gilt.

Neue Gesichter für den Umschwung?

Immerhin hat man auf Schalke nicht den Fehler gemacht, ausschließlich den Trainer zu wechseln. Neben Sportdirektor Jochen Schneider wurde auch Michael Reschke verpflichtet, der im Vergleich zu seiner unglücklichen Rolle in Stuttgart wieder als technischer Direktor arbeiten darf. Diese drei Akteure sollen also in dieser Saison den Grundstein für die Erneuerung legen.

Bereits die ersten Neuverpflichtungen tragen klar die Handschrift Reschkes. Mit Ozan Kabak (19), Benito Raman (24), Jonjoe Kenny (22) und Markus Schubert (21) kamen ausschließlich junge Spieler nach Gelsenkirchen. Auch Trainer Wagner steht für erfolgreiche und konsequente Jugendarbeit, was dem Konzept des Vereins ebenso wie der Knappenschmiede entgegenkommen dürfte.

Der Kader bietet darüber hinaus Spielertypen, die zum intensiven Stil des Trainers passen könnten. Im Saisonverlauf ist zu erwarten, dass Schalke einen deutlich schnelleren, vertikaleren und dynamischeren Fußball spielt als zuletzt.

Weiterhin Probleme mit dem Ball

Gegen den FC Bayern ist damit aber noch nicht unbedingt zu rechnen. Am ersten Spieltag war Königsblau zu Gast bei Marco Roses Gladbachern und zeigte sich dahingehend noch etwas vorsichtig. Zwar gab es Phasen, in denen die Wagner-Elf auch mal aggressiver herausschob, doch der Regelfall war ein 4-4-2 im Mittelfeldpressing, das eher auf tiefe als auf hohe Kompaktheit ausgelegt war.

Logischerweise will Wagner nicht den Fehler machen, sofort ins offene Messer zu laufen. Schritt für Schritt soll seine Idee etabliert werden. Ein so aggressives Pressing, wie es Hertha noch über weite Strecken gegen die Bayern praktizierte, ist deshalb am Wochenende nicht oder maximal selten zu erwarten.

Probleme hatten die Schalker gegen Gladbach im eigenen Spielaufbau. Wenn überhaupt etwas ging, dann durch die Umspielung des Zentrums auf der rechten Seite. Die herauskippenden Bewegungen von Guido Burgstaller in letzter Linie und von Weston McKennie im Mittelfeld halfen Jonjoe Kenny und Daniel Caligiuri dabei, den Ball auf der rechten Seite ins letzte Drittel zu bekommen.

Schritt für Schritt nach oben arbeiten

Gerade Caligiuri knüpfte an seine ordentliche letzte Saison an und zeigte, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Seine Abschlussstärke, seine Aggressivität und sein Tempo werden dem Wagner-Fußball gut tun. Im Zentrum fehlt es allerdings noch an Präsenz und raumöffnenden Bewegungen. Für Gladbach war es relativ einfach, die Mitte zu schließen und die beiden Innenverteidiger sowie den Sechser unter Druck zu setzen.

20 Balleroberungen gelangen den Fohlen am Samstagabend in der Hälfte des Gegners. Einige davon führten zu großen Chancen – beispielsweise der Pfostenschuss von Alassane Pléa in der zweiten Halbzeit. Einerseits ist den Schalkern hinten anzumerken, dass der nun vertikalere Stil noch Fehler durch Überforderung erzeugt. Andererseits sind es diese Fehler, an denen sich Wagner am Saisonende dann messen lassen muss. Kann Schalke daraus lernen und sich Stück für Stück steigern? Der Umgang mit dem Ball war schließlich schon in der Vorsaison ein Problem.

Das Umfeld wird den Neustart nicht unbedingt begünstigen. Auf Schalke ist die Geduld traditionell knapp. Doch Wagners Umstellungen werden Zeit benötigen. Ein realistisches Saisonziel in der Liga dürfte es deshalb erstmal sein, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Anschließend muss analysiert werden, an welchen Stellen der Kader den Anforderungen noch nicht standhält. Mit Kabak und Mark Uth fehlen immerhin noch zwei Spieler, die helfen könnten. Darüber hinaus sind Steven Skrzybski und Salif Sané fraglich. Kommen sie alle zurück, sind die Karten nochmal neu gemischt. Die richtigen Gradmesser erwartet Schalke aber erst ab dem 3. Spieltag.

Bayern und die Details

In München ist der Weg zur Bestform etwas kürzer. Zwar haben die Bayern den Auftakt gegen Hertha mit einem 2:2 vermasselt, doch so schlecht war das Debüt nicht. Im Pressing überzeugte die Mannschaft von Trainer Niko Kovač mit einer variablen und anpassungsfähigen Ausrichtung aus ihrem 4-1-4-1 heraus.

Hertha begann die Partie mit einer Dreierkette. Die Antwort der Bayern: Herausschiebende Flügelspieler, die so für Gleichzahl gegen Herthas Verteidiger sorgten. Dahinter schoben die Achter flexibel die Anspielstationen im Zentrum zu. Hertha blieb damit oft nur der Schlag nach vorn. In der ersten Halbzeit spielten die Berliner 25 lange Bälle, allesamt aus dem ersten Drittel – lediglich acht kamen an, keiner in einer gefährlichen Zone.

Nach der Umstellung auf eine Viererkette seitens Ante Čović reagierte Bayern ebenfalls sehr klug. Serge Gnabry und Kingsley Coman positionierten sich im Pressing etwas tiefer, dafür schob ein Achter weiter heraus. Dadurch ergab sich ein 4-4-2, das wieder Gleichzahl gegen Herthas aufbauende Spieler schuf. Bayern erspielte sich so einige gute Umschaltmomente, die dann aber zu selten erfolgreich abgeschlossen wurden.

Das Spiel mit dem Ball

Ohnehin haben die Bayern weiterhin Probleme, gut organisierte Abwehrreihen mit schnellen Positionswechseln, Läufen in die Tiefe oder Seitenverlagerungen zu knacken. Nichtsdestotrotz war auch in diesem Bereich wieder zu erkennen, dass die Bemühungen größer sind. Von den 225 Pässen im Angriffsdrittel fanden viele ihren Abnehmer im Zehner-Raum. Wie eine Handballmannschaft kombinierten sich die Münchner rund um Strafraum.

Ihren Gegner zurechtlegen konnten sie sich dabei nur selten. Der Grund: Es fehlt die Tiefe. Zwar rissen die Bayern zum Bundesliga-Auftakt einige Lücken in der Formation Herthas auf, doch sie hätten besser genutzt werden können. So ging der Ball dann wieder auf die Außen und vieles lief über Flanken.

Auch in diesem Punkt muss aber eine Einschränkung getroffen werden. Von den 35 Flanken (darunter 12 Ecken und der eine oder andere Freistoß) waren einige dabei, die gut vorbereitet und durchdacht waren. Der Ursprung dieser Beobachtung liegt an Fortschritten im Spielaufbau.

Mehr Fokus im Zentrum

Die Bayern fokussieren im zweiten Drittel mehr das Mittelfeldzentrum. Gegen Hertha versuchten sie mehrfach, das Spiel durch die Mitte oder vom Halbraum aus diagonal zu eröffnen. Manchmal durch Dribblings, wie bei Pavards Lúcio-Gedächtnisdribbling, sehr oft aber auch durch Zuspiele auf oder durch Thiago und die Achter.

Zwar ist die Einbindung der Achter noch nicht optimal, weil einerseits Müller und Tolisso keine richtigen Spielgestalter sind, aber Herthas Zwischenlinienraum wurde dadurch deutlich effizienter bespielt als noch über weite Strecken der vergangenen Saison. Das zeigt auch der Vergleich verschiedener Passmaps – also einer Grafik, die alle Pässe des FC Bayern in den jeweiligen Partien darstellt.

Die Passmap der Bayern gegen Hertha BSC am vergangenen Wochenende.
Aus der iOS-App StatsZone.
Legende: Erfolgreicher Pass (Blau), Fehlgeschlagener Pass (Rot), Torvorlage (Gelb), Torschussvorlage (Hellblau)

Im Auftaktspiel gegen Hertha BSC lässt sich eine sehr ausgewogene Verteilung der Pässe erkennen. Der Flügelfokus bleibt bestehen, was aufgrund von Gnabry und Coman aber vollkommen normal ist. Dafür gehen viele Pässe nicht so früh auf die Außenbahnen. Eine spätere Breite lässt sich durchaus erkennen. Darüber hinaus ist die Mitte stark mit blauer Farbe gefüllt. Der gegnerische Strafraum könnte noch etwas blauer (und gelber) sein, aber im Vergleich zu den folgenden Grafiken wird der Unterschied noch deutlicher.

Schalke als kleiner Prüfstein

Die Passmap der Bayern im Heimspiel gegen Hertha BSC in der vergangenen Saison.
Aus der iOS-App StatsZone.

Diese Grafik zeigt die Passmap der Bayern im Spiel gegen Hertha in der vergangenen Saison. Einerseits ist auffällig, dass deutlich weniger Bälle den Weg in den Zehnerraum fanden, andererseits fehlen der Zugriff auf das Mittelfeldzentrum und den Strafraum. Eine frühere Breite und mehr rote Farbe in der Spielfeldmitte kennzeichnen ein berechenbareres Spiel der Münchner. Nun könnte aber berechtigterweise behauptet werden, dass Hertha damals auch viel kompakter und tiefer stand.

Die Passmap der Bayern im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim in der vergangenen Saison.
Aus der iOS-App StatsZone.

Deshalb folgt nun auch noch ein Vergleich zum Saisonauftakt der Saison 2018/19. Damals agierte Hoffenheim ähnlich aggressiv wie Hertha am vergangenen Wochenende. Sie ließen zudem ähnliche Lücken im Zwischenlinienraum. Bayern schaffte es damals aber nicht so richtig, diese zu bespielen. Auch hier ist klar zu erkennen, dass Zugriff auf Schaltzentrale und Angriffsdrittel fehlen. Noch deutlicher als in der zweiten Grafik lässt sich zudem ein „U“ ablesen, das das berechenbare Flügelspiel kennzeichnet.

Das sind alles nur erste Beobachtungen. Gegen Schalke dürfte sich zeigen, ob diese nur von kurzer Haltbarkeit waren, oder ob die Münchner auch gegen einen kompakteren und tieferen Gegner die Wege in die Zentrale finden. Hertha dürfte hier noch nicht der ganz große Prüfstein gewesen sein. Schalke hingegen bringt zumindest defensiv viel mit, um den Bayern einiges abzuverlangen. Das zeigte die Partie gegen Gladbach.

Mehr Raum, mehr Schnittstelle, mehr Optionen

Die Bayern müssen nicht nur am Samstagabend daran arbeiten, die Flügelspieler in noch bessere Ausgangssituationen zu bringen. Viele Initialpässe durch die Mitte führen dazu, dass der Gegner sich zusammenzieht. Aber letztendlich fehlt noch der letzte Punch, der Gnabry und Coman in Eins-gegen-eins-Situationen bringt und ihnen die Räume auf den Außenbahnen öffnet.

Ebenso fehlt es noch an der letzten Aktion. Die vielen Pässe in den Zehnerraum sollten zwangsläufig auch zu mehr Schnittstellenpässen führen. Noch kommen die Bayern nicht oft genug in Situationen, wo die zentralen Angreifer das Tor vor statt hinter sich haben.

Und doch bleiben unter dem Strich viele gute Phasen und die Gewissheit, dass mit Philippe Coutinho, Ivan Perišić und Mickaël Cuisance neue Alternativen im Kader stehen werden. Kovač wird gegen Schalke also deutlich besser eingreifen können als vor einer Woche. Ob er das muss, hängt nicht zuletzt davon ab, wie gut die Bayern ihre bisherigen Ansätze auf das erste Auswärtsspiel der Bundesliga-Saison übertragen können.

Vorschau-Tippspiel

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Spieltagssieger

Am ersten Spieltag sicherte sich „Sk1972“ den Sieg. Mit 18 Punkten liegt er nun insgesamt vorn. Mit 6 Punkten (Platz 231) habe ich wieder meine hellseherischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Aber wer will schon ein Exemplar Generation Lahmsteiger gewinnen? Pff.

So läuft es gegen Schalke 04 …

Schalke wird nicht zu viel riskieren, ab und an aber schauen, was mit ein bisschen Herausschieben möglich ist. Bayern wird vor allem im Zentrum aufpassen müssen. Umschaltmomente gilt es zu vermeiden. Die Münchner spielen ihren Stiefel aber ähnlich souverän runter wie gegen Hertha. Nur diesmal ohne absurde Gegentore und mit Optionen auf der Bank. Bayern gewinnt auf Schalke mit 3:0 und setzt ein erstes Zeichen.

So könnte Bayern spielen …

4-3-3: Neuer – Kimmich, Süle, Pavard, Alaba – Thiago – Tolisso, Müller – Gnabry, Lewandowski, Coman

Es fehlen: Fiete Arp (krank), Leon Goretzka (immer noch angeschlagen), fraglich sind darüber hinaus Jérôme Boateng (fehlte unter der Woche wegen Krankheit) und Renato Sanches, dessen Wechsel bald erwartet wird

So läuft der Spieltag …

Köln 1:3 Dortmund
Augsburg 2:1 Union
Hoffenheim 2:1 Bremen
Paderborn 1:1 Freiburg
Mainz 1:2 Gladbach
Düsseldorf 1:2 Leverkusen
Schalke 0:3 Bayern
Leipzig 2:1 Frankfurt
Hertha 2:1 Wolfsburg