Vorschau: VfB Stuttgart – FC Bayern München

Justin Trenner 31.08.2018

Tayfun Korkut beruft sich derzeit auf die Erfahrungen, die er als Spieler unter drei späteren Weltmeister-Trainern sammeln durfte. Zwei Niederlagen zum Saison-Start sind alles andere als optimal. Besonders dann, wenn im dritten Pflichtspiel der FC Bayern zu Gast ist.

Doch wichtig sei es, die Gelassenheit beizubehalten, so Korkut. Als Spieler hatte er mit Joachim Löw, Carlos Alberto Parreira und Vicente del Bosque zusammengearbeitet. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung lobte der 44-Jährige die emotionale Balance dieser Trainer. Es sei wichtig, Ausschläge ins Extreme zu vermeiden.

VfB Stuttgart: Gute Ansätze, wenig Ertrag

Tatsächlich hat Korkut wenig Grund dazu, die Lage zu dramatisieren. Das Ausscheiden gegen Hansa Rostock war ein herber Rückschlag und auch den Bundesliga-Start in Mainz hatte man sich anders vorgestellt. Doch der Trainer sah Ansätze, die für den weiteren Verlauf noch wichtig sein könnten.

So war die Anfangsphase beim FSV gar nicht übel. Stuttgart fand im Spielaufbau Wege durch die Halbräume. Santiago Ascacíbar und Gonzalo Castro waren dafür zuständig, diese Zonen zu überladen. Ein Fokus lag dabei vor allem auf der linken Seite.

Begünstigt wurde dies durch die nominelle Aufstellung Christian Gentners auf dem rechten Flügel. Der Mittelfeld-Spieler zog nämlich oft in die Mitte.

Über dieses Prinzip entstand auch die erste und einzige hundertprozentige Chance der Stuttgarter. Badstuber fand im Halbraum Thommy, der im Zusammenspiel mit Insúa und dem herauskippenden Gómez für einen sehenswerten Angriff sorgte. In der Mitte fand der VfB abschließend Gentner, der die Riesenchance zur Führung jedoch knapp verpasste.

Gegen Mainz zeigten die Stuttgarter, dass ihr Aufbauspiel durchaus gute Ansätze hat. Hier spielte Badstuber Thommy frei. Der Rest der Mannschaft verschob so, dass Mainz überfordert war und für den VfB Überzahl entstand.

Korkuts Aufgabe wird es sein, diese Tempovorstöße aus eigenen Ballbesitzphasen zu verfeinern und zu vermehren. Der Angriff zeigte eindrucksvoll, dass der VfB technisch und taktisch einige Möglichkeiten hat, um Gefahr zu erzeugen.

Es sollte an diesem Tag aber eine von nur drei guten Chancen bleiben. Denn Stuttgart schafft es im Moment noch nicht, konsequent das Tempo hochzuhalten. Dem Spiel geht das letzte Risiko ab und die Übergänge zwischen den Dritteln sind zu behäbig.

In Mainz entstand ein sehr flügellastiges Spiel, das relativ einfach zu verteidigen war. Castro, Ascacíbar und dem einrückenden Gentner gelang es zu selten, das Positionsspiel so zu gestalten, dass Badstuber und Pavard über die Mitte oder den Halbraum eröffnen konnten. Deshalb ging das Spiel zu früh in die Breite. Besonders zwischen den beiden Innenverteidiger wurden viele Querpässe gespielt, die es den Mainzern ermöglichten, sich auf die Angriffe einzustellen.

Noch viel schlimmer war es aber für den VfB, dass die großen Qualitäten im Umschaltspiel kaum auf den Platz gebracht wurden. Im Endspurt der vergangenen Saison waren die Stuttgarter sehr erfolgreich darin, defensiv gut zu stehen und effizient zu kontern. Mussten sie das Spiel selber machen, gab es hin und wieder längere Schläge zu sehen, nach denen der VfB den zweiten Ball effektiv attackierte.

Gegen Rostock und Mainz fehlten solche Aktionen fast komplett. Die Mannschaft rückte kaum nach und ließ ihre vorderen Pressingreihen mehrfach im Stich. Gerade gegen die Bayern wird es eine andere Kompaktheit brauchen, um einerseits nicht die Zwischenlinienräume zu öffnen und andererseits Gegendruck nach langen Bällen zu entfachen, die der FC Bayern mehrmals provozieren wird.

FC Bayern: Zusammenhalt, Selbstverständnis und Stabilität

Während sich der VfB damit beschäftigte, wie die guten Ansätze ausgebaut werden können, lag der Fokus der Münchner auf einem Abschied, aus dem gleichzeitig viele Lehren gezogen werden konnten.

Bastian Schweinsteiger verabschiedete sich an einem äußerst emotionalen Abend von seinen Fans, seinem Klub und seiner Stadt – auf Zeit. „Ich bin einer von euch und ich werde immer einer von euch bleiben“, sprach er mit leicht angekratzter Stimme und ließ damit Raum für Spekulationen über eine Rückkehr in der Zukunft. Es war die große Bühne, die sich der Fußballgott verdient hatte.

Als ab der 60. Minute Rafinha, Thomas Müller, Arjen Robben, Franck Ribéry, Jérôme Boateng, David Alaba, Manuel Neuer, Thiago und Robert Lewandowski (jeweils mit der Nummer 31) gemeinsam mit ihm auf dem Platz standen, erlebten die Fans im Stadion etwas ganz Besonderes. Sie konnten in der Schlussphase eine Mannschaft sehen, die sich fast blind verstand, miteinander Späße machte, sich gegenseitig veralberte und so nochmal einen Hauch von 2013 aufleben ließ.

Es wurde deutlich, wie eng das Band zwischen den Spielern ist, die unter Heynckes diesen einzigartigen Erfolg feierten. Die gemeinsam durch ein Stahlbad gingen, um im Sommer 2013 endlich den Gipfel zu erreichen. Selbst Thiago und Lewandowski, die erst später zum FC Bayern kamen, waren sofort Teil dieser Verbindung.

Ja, es war ein Abschiedsspiel, das sportlich keinerlei Bedeutung hatte. Aber dieses Band war für jeden spürbar. Es stand eine besondere Mannschaft auf dem Platz, die Emotionen bei den Zuschauern wecken konnte. Die Euphoriewelle der Fans galt zwar hauptsächlich Bastian Schweinsteiger, zeigte aber auch, welch einmalige Verbindung die Triple-Sieger immer noch mit dem Publikum haben.

Die Symbiose zwischen Fans, Mannschaft und insbesondere Schweinsteiger war an diesem Abend herausragend, einmalig und in Worten kaum zu beschreiben. Das ganze Stadion ging mit, die Südkurve ließ sich mehrfach von anderen Teilen des Stadions mitreißen, Konflikte waren mit Ausnahme der Kritik an der Agentur-Choreografie gar nicht vorhanden – der FC Bayern konnte von diesem Spiel nur lernen.

Gerade Niko Kovač, für den das alles neu gewesen sein dürfte, sollte gemerkt haben, zu was dieser Klub in der Lage ist, wenn wirklich alles passt. Schafft er es, das Band in der Mannschaft nur annähernd so eng zu schnüren, dass eine ähnliche Dynamik entsteht, hat er viel gewonnen. Diese Dynamik war 2013 die Basis.

Daraus entstand ein besonderer Zusammenhalt und ein Selbstverständnis, das für alle weiteren Schritte notwendig war. Schwappt dieses Gefühl des Zusammenhalts dann noch auf die Fans über, ist der FC Bayern ein kaum aufzuhaltener Schnellzug. Vielleicht wird man am Ende der Saison dann auf diesen Schweinsteiger-Abend zurückblicken und sich dafür bedanken, dass er das Bewusstsein dafür geweckt hat, wie wichtig diese Basis ist.

Triple-Spirit! Für die Zuschauer und Fans war am Dienstagabend ein einzigartiges Band in einer einzigartigen Mannschaft zu spüren.
(Foto: Adam Pretty / Bongarts / Getty Images)

Gegen den VfB Stuttgart wird sich der FC Bayern noch nicht in der Lage befinden, ein Spiel über 90 Minuten zu kontrollieren. Das war die Erkenntnis des Hoffenheim-Spiels. Am ersten Spieltag begannen die Münchner sehr stark. Kovač antwortete auf die Aggressivität der Gäste mit guten Anpassungen. Im Zentrum war Thiago der Mittelpunkt der Ideen des Trainers.

Mehrfach konnte der Spanier enge Situationen auflösen und die Flügelspieler in Szene setzen. Der FC Bayern zeigte dabei keine komplett neuen Ansätze. Er machte das, was er seit Jahren macht, einfach nur sehr gut. Mit der Coman-Verletzung zeigte sich dann aber ein psychologisches Problem.

Die Bayern kamen folglich nicht mehr ins Spiel. Schon in den großen Spielen der Champions League gab es in der jüngeren Vergangenheit immer Phasen, in denen sich der FCB die Partie aus den Händen nehmen ließ. Kovač wird deshalb für die maximal mögliche Stabilität sorgen müssen.

Platzverweise, Verletzungen, vergebene Chancen, Gegentore aus dem Nichts – es ist unmöglich, solche unerwarteten Wendungen eines Spiels zu vermeiden. Wichtig ist aber, dass die Bayern sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Sie müssen wieder dagegenhalten können – taktisch, aber vor allem mental.

Eine mögliche Startelf von Niko Kovač könnte mit Neuer, Boateng, Alaba, Martínez, Müller, Robben und Ribéry aus bis zu sieben Triple-Siegern bestehen. Hinzu kommt noch Rafinha. Darunter sind zwar Spieler, die nicht mehr das Niveau von damals haben. Allerdings hat der Trainer eine gute Mischung aus deren Erfahrung und jungen Spielern, die sich daran hochziehen können.

Es liegt deshalb auch am Rest der Triple-Mannschaft, diese Erfahrungen zu kanalisieren, eigene Interessen in den Hintergrund zu stellen und gemeinsam für einen Zusammenhalt zu sorgen, aus dem sich wieder etwas ganz Besonderes entwickeln kann. Das gesamte Team ist der Schlüssel zum Erfolg. Das ist die Erkenntnis, die besonders bei den Triple-Siegern am Dienstagabend gereift sein sollte.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.

Ergebnis nach dem letzten Spieltag: Justin 3,8 : 1,4 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 7,2 : 3,4 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Thomas Müller
  2. Freie These: Stuttgart trifft nicht.
  3. Über/Unter 2,5: Unter!
  4. Aufstellung: Neuer – Kimmich, Boateng, Hummels, Alaba – Martínez – Müller, Thiago – Robben, Lewandowski, Ribéry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Arjen Robben
  2. Freie These: Bayern trifft in beiden Halbzeiten.
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Hummels, Alaba, Martínez, Thiago, Müller, Robben, Lewandowski, Ribéry