Vorschau: FC Bayern München – SC Freiburg

Justin Trenner 02.11.2018

Ein Spaziergang wird das allerdings nicht. Streichs Freiburger bringen das Werkzeug mit, um dem aktuellen FC Bayern sehr gefährlich zu werden.

Freiburg mit Kopf und Herz

Denn im Gegensatz zum FC Bayern haben die Breisgauer in den letzten Wochen ordentlich Selbstvertrauen getankt – zumindest in der Bundesliga. Gegen Leverkusen (0), Hertha (1) und Gladbach (1) ließen sie nur zwei Großchancen zu. Streich hat es geschafft, die anfangs wackelige Defensive zu stabilisieren und seine Mannschaft damit auf Kurs zu bringen. Einen passenderen Augenblick kann es deshalb für den SC kaum geben, um nach München zu fahren.

Bayern ist angreifbar, das merkte selbst der Viertligist aus Rödinghausen. In der zweiten Halbzeit des Pokals lief der Außenseiter plötzlich hoch an und setzte den Rekordpokalsieger unter Druck. Vom Selbstverständnis eines Top-Klubs war plötzlich nichts mehr zu spüren. Deshalb ist es vorstellbar, dass auch der SC Freiburg sich in München etwas zutraut. Über situatives Hochschieben und ein höheres Mittelfeldpressing wird das aber sehr wahrscheinlich nicht hinausgehen. Gegen offensivstarke Gladbacher setzte Streich auf ein sehr kompaktes 4-4-2 – in allen Variationen.

Schob die Streich-Elf aggressiv nach vorn, entstand ein 4-2-4. In vielen tieferen Phasen gab es aber auch ein klassisches 4-4-1-1 oder gar ein 4-5-1 zu beobachten. Die Gladbacher schafften es selten, sich vernünftig ins Zentrum zu kombinieren. Nur wenige Pässe schafften es an diesem Abend in den Strafraum der Freiburger. Aggressivität, Laufbereitschaft aber vor allem auch Kopf – Streichs SC Freiburg ist auf dem besten Wege, wieder die unangenehme Mannschaft zu werden, die sie in den letzten Jahren fast durchgehend war. Nur wenige Mannschaften verschieben über 90 Minuten gesehen so stark wie die Freiburger an guten Tagen. Das macht es Gegnern extrem schwer, Tore zu erzielen.

Fünfer- oder Viererkette?

Doch Freiburg hat auch fußballerisch etwas zu bieten. Bei Ballgewinnen sind sie in der Lage, sich auch aus schwierigen Gegenpressingsituationen zu befreien. Im Zentrum hatten Heintz (92,5%), Gulde (84,7%), Koch (85,2%) und Höfler (91,8%) gegen Gladbach nicht nur richtig gute Passquoten für eine Mannschaft, die nur rund 42% Ballbesitz hatte. Sie spielten vor allem auch viele gute Bälle in die Schnittstellen der gegnerischen Formation.

Oft dauert es dann nicht lange, bis Petersen in Szene gesetzt wird, der mit seinen hervorragenden Laufwegen immer Gefahr ausstrahlt. Will man auf dem Niveau des SC Freiburg im Moment etwas scharf kritisieren, dann sicherlich die Ungenauigkeiten, die im letzten Drittel manchmal die eine oder andere Großchance kosten. Es fehlt ein wenig an Effizienz, aber die Tendenz zeigt aus fußballerischer Perspektive klar nach oben.

Umso spannender wird es sein, wie viel Christian Streich seiner Mannschaft in München zutraut und welchen Ansatz er wählt. Mit einer Fünferkette könnte er das Zentrum noch kompakter gestalten. Unter der Woche hat er aber auch gesehen, dass eine zu passive Interpretation dieser Formation schnell zu extrem hohem Druck führen kann. Denn der FC Bayern hat in den ersten 25 Minuten relativ schnell gute Lösungen gefunden. Denkbar wäre deshalb ein 5-2-3, das bei Bedarf zum 5-4-1 aber auch zum 3-4-3 werden kann, bei dem die Außenverteidiger aggressiv nach vorn pressen.

Wo bleiben die Lösungen des FC Bayern?

Vielleicht setzt Streich aber auch auf das zuletzt erfolgreiche und variable 4-4-2. Es wird in jedem Fall darum gehen, dem FCB möglichst schnell in der Partie einen Rückschlag zu verpassen. Damit konnten die Münchner zuletzt nicht umgehen. Es ist zwar bemerkenswert, doch diese mentale Schwäche ist nicht mehr wegzudiskutieren. Trotz einiger Erfolgserlebnisse gelingt es den Bayern nicht, konstant über 90 Minuten den eigenen Stiefel runterzuspielen.

Das sorgt für viele Fragezeichen. Woran liegt das? Einerseits ist es unmöglich, eine derartige Ergebniskrise, wie sie der FC Bayern vor der Länderspielpause hatte, einfach abzuschütteln. Es war also nicht damit zu rechnen, dass die Münchner ganz plötzlich wieder Zauberfußball spielen. Andererseits kommt zu der psychologischen Komponente aber auch die taktische hinzu. Kovač und das Trainerteam kriegen die Probleme nicht in den Griff.

In den vergangenen Wochen analysierten wir Probleme im Spielaufbau, auf der Sechserposition, auf den Außenpositionen und im offensiven Zentrum. Nirgends ist eine Verbesserung zu erkennen. Selbst wenn Kovač gar nicht daran interessiert ist, die Lücke zwischen Aufbauzone und letztem Drittel zu schließen und selbst wenn er gar nicht darauf aus ist, eine herausragende Ballzirkulation seiner Mannschaft zu sehen, sondern möchte, dass der Ball möglichst direkt nach vorn kommt, selbst dann hat er immer noch kein System gefunden, das der Mannschaft Halt gibt.

Das Problem doppelt besetzter Außenpositionen

Peter Hermann, Robert Kovač und Niko Kovač haben so viele unterschiedliche Kompetenzen. Sie schaffen es trotzdem im Moment nicht, die eigenen Ideen umzusetzen. Das führt zu Unsicherheiten. Die Mannschaft wirkt besonders in der Offensive planlos und schwächt sich während einer Partie selbst durch Kleinigkeiten. Diese führen wiederum zu kaum erklärbaren Brüchen. Selbst die eigentlich stabilere Defensive gelang es in den letzten acht Spielen nur einmal, zu Null zu spielen.

Auch das zu Beginn der Saison zu Recht gelobte Gegenpressing hat an Glanz verloren, weil die Positionierung in Ballbesitz nicht optimal ist. Das hängt vor allem mit den Flügelpositionen zusammen. Zu oft besetzen zwei, im schlimmsten Fall sogar drei Bayern-Spieler im Moment die Außenpositionen. Eine alte Guardiola-Weisheit besagt, dass die Außenlinie dort für eine automatische Grenze sorgt – Spieler sind also leichter zu verteidigen, weil sie nur einen Weg haben.

In der vergangenen Saison spielte der FC Bayern unter Heynckes oft mit sehr hohen Außenverteidigern. Die Flügelspieler rückten dabei ein. Die Außen nur einfach zu besetzen, könnte auch in der aktuellen Phase Sinn ergeben.

Deshalb wollte der Katalane dort nie mehr als einen Spieler sehen. Zwei gab es nur in Ausnahmefällen zu beobachten. Außenverteidiger vorderliefen ihren offensiven Partner oder die offensiven Flügelspieler rückten ein, wenn ihr Partner hinterlief. Auch unter Heynckes waren die Außenpositionen nur selten doppelt besetzt. Gegen den VfB Stuttgart und auch gegen Leverkusen war wiederum in dieser Saison zu beobachten, dass die Außenverteidiger tief einrückten. Auch das gab der Mannschaft einen natürlichen Halt. Warum das nun kaum noch zu sehen ist, ist des Trainers Geheimnis.

Kovač sollte bei sich bleiben

Immerhin stimmen die Ergebnisse – so der O-Ton in München. Allerdings stimmen diese nicht mehr lange, wenn die vielen taktischen Probleme nicht gelöst werden. Lösungsmöglichkeiten gibt es viele, aber Kovač muss den Mut aufbringen, etwas zu verändern. Nachdem Hoeneß ihn zuletzt öffentlich für die Rotation kritisierte, rotierte der Trainer kaum noch. Bezahlt hat er das mit einer Verletzung des wichtigsten Spielers.

Gerade in Zeiten des Misserfolgs tendieren Trainer bei Top-Mannschaften dazu, ihre Ideen nach hinten zu stellen und vermeintlich pragmatischere Wege zu gehen. Lopetegui versuchte sich in seiner Endphase bei Real Madrid an einigen Elementen des erfolgreichen Zidane-Fußballs. Er scheiterte krachend.

Wenn man Niko Kovač in der aktuellen Phase also nur einen Rat geben kann, dann sollte es der sein, dass er sich auf sich und sein Bauchgefühl verlassen sollte. Es geht beim FC Bayern sicher auch darum, dass der Präsident mit einem zufrieden ist – gerade dann, wenn man dessen Wunschkandidat ist. Spätestens jetzt sollte es Niko Kovač aber egal sein, was andere von vermeintlich unpopulären Entscheidungen halten könnten. Er sollte bei sich bleiben und seinen Weg gehen. Dann hat er eine reelle Chance, die Mannschaft aus dieser Phase herauszuholen.

Sicherheit sieht anders aus

Im Moment wirkt aber auch der Trainer ratlos. In seinen Interviews ist Kovač darum bemüht, die Situation zumindest nach außen zu beschönigen. Intern ist er längst nicht so glücklich darüber, wie sich die Mannschaft entwickelt. Aber die Unsicherheit der Spieler ist eben auch ein Resultat der Unsicherheit des Trainers. Und die ist mittlerweile spürbar.

Einzig Lewandowski und Thiago waren zuletzt Lichtblicke, weil sie Verantwortung übernahmen und immer mehr unter Beweis stellen, dass sie zu Anführern taugen, die ihr Team durch diese schwere Zeit tragen können. Nur Thiago ist jetzt verletzt und wer diese wichtige Rolle im Mittelfeld übernehmen soll, ist fraglich. Einen direkten Ersatz gibt es jedenfalls nicht. Und so liegt es am Trainer, die große Lücke zu füllen.

Kovač findet allerdings so schon die richtigen Stellschrauben nicht und zittert sich knapp von Pflichtsieg zu Pflichtsieg. Das Team merkt dabei selbst, dass es nicht so spielt, wie es spielen sollte und verliert Selbstvertrauen. Ein Teufelskreis. Ganz am Anfang der Saison haben die Bayern mal gezeigt, dass sie dominant, sicher und durchdacht spielen können. Seitdem kam nicht mehr viel. Dass sie es aber schon unter Beweis stellten, ist der Strohhalm, an den man sich derzeit klammern kann. Nur rennt Kovač die Zeit davon. Kommt seine Mannschaft dort nicht bald wieder hin, könnte es schon in Dortmund einen lauten Knall geben.

Das Thesen-Duell

Die Regeln findet ihr hier. Die Zahl für These 3 wurde diesmal von Fatbardh gewählt. Kurzfristige Änderungen sind bis zum Spieltag noch möglich.

Ergebnis des letzten Spieltags: Justin 2,6 : 3,8 Fatbardh

Zwischenstand insgesamt: Justin 39,4 : 38,4 Fatbardh

Justins Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Bayern landet bei über 1,99 xG. (Maßstab: understat.com)
  3. Über/Unter 2,5: Über!
  4. Aufstellung: Neuer – Rafinha, Süle, Hummels, Alaba – Kimmich – Müller, James – Robben, Lewandowski, Ribéry

Fatbardhs Tipps

  1. Torschütze: Robert Lewandowski
  2. Freie These: Bayern spielt nicht zu Null.
  3. Über/Unter 2,5: Unter!
  4. Aufstellung: Neuer, Kimmich, Süle, Boateng, Rafinha, Martínez, Sanches, Goretzka, Robben, Lewandowski, Gnabry