Vorschau: VfB Stuttgart – FC Bayern München

Justin Trenner 08.04.2016

Vor dem Spiel haben wir uns mit Jonas unterhalten. Er analysiert die Spiele seines Vereins auf vfbtaktisch.blogspot.de und gibt uns Einblicke zum VfB.

Hey, stell dich doch bitte kurz unseren Lesern vor und erzähl uns wie Du zum VfB gekommen bist. Was unterscheidet deinen Verein von anderen?

Hi, mein Name ist Jonas, ich wohne und studiere in Freiburg und bin quasi seit der Meisterschaft 2007 VfB-Fan. Das erste Spiel, das ich im TV gesehen habe war das verlorene Pokalfinale gegen Nürnberg. Gomez, Delpierre und unsere beiden Mexikaner Pardo und Osorio wurden dann im Laufe der nächsten Saison die ersten Helden. Das waren auch die Zeiten, in denen die Stuttgarter Jugendarbeit noch außergewöhnlich war. Heute ist es eher so diese ärgerliche, aber doch irgendwie lustige Tollpatschigkeit, die den VfB von anderen Vereinen abhebt.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her als der VfB Meister wurde und regelmäßig im Europapokal vertreten war. Was ist passiert?

Zunächst mal wurde viel Geld in nicht unbedingt gute oder passende Spieler gesteckt. Allein der Transfer von Ciprian Marica hat anscheinend um die 7 Millionen Euro Ablöse gekostet und ist bis heute einer der teuersten VfB-Einkäufe überhaupt. Dazu kamen merkwürdige bis abstruse Trainerverpflichtungen und vielleicht auch die eine oder andere Entwicklung, die man verschlafen hat. Progressivere Vereine wie Mainz oder Hoffenheim haben den VfB dann fast zwangsläufig überholt.

Du hast selbst die gute Jugendarbeit rund um die Meistermannschaft 2007 angesprochen. Wie schätzt du diese heute ein und wo siehst du Gründe dafür, dass es in diesem Bereich vielleicht nicht so gut läuft wie damals?

Ich bin natürlich zu weit weg, um zu dem Thema besonders viel Fundiertes zu sagen. Aber es gibt schon so ein paar Indizien, die in keine gute Richtung deuten. Dass zum Beispiel Joshua Kimmich woanders als beim VfB zum Profi geworden ist, weil man für ihn in der dritten Liga anscheinend keinen Platz gesehen hat, ist natürlich eine Katastrophe. Auch Besar Halimi, den ich persönlich unfassbar talentiert finde, hat bei der U23 keine ernstzunehmenden Einsatzzeiten bekommen, nur um in der Saison darauf als Schlüsselspieler mit den Stuttgarter Kickers um den Aufstieg mitzuspielen. Dazu kommt, dass man gerade bezüglich der zweiten Mannschaft immer wieder hört, wie wichtig dem VfB die dritte Liga und das Ziel Klassenerhalt ist. Aber das Erreichen von irgendwelchen Platzierungen ist ja gerade nicht Sinn und Zweck einer Ausbildungsmannschaft, sondern eben Spieler auszubilden. Insgesamt scheint es so, dass zumindest ab der U23 Physis und „Wettkampfhärte“ gegenüber technisch-taktischen Fähigkeiten etwas überschätzt werden. Zumindest ist das der Eindruck, der sich derzeit für Außenstehende so ein bisschen aufdrängt.

Die Saison startete mit Zorniger als Trainer. Statistisch sprach ja eigentlich alles für ihn, doch die Chancenverwertung und auch die Defensive waren katastrophal. Mit Kramny kam dann ein Trainer der weniger spektakulär spielen lässt, aber erfolgreicher. Warum hat er mehr Erfolg als Zorniger?

Das mit Zorniger ist schon extrem blöd gelaufen. Erst hatte er absurdes Pech, dann kamen Verletzungen von Schlüsselspielern wie zum Beispiel Ginczek dazu und am Ende sind auch seine Umstellungen nicht aufgegangen, bis schlussendlich alles in sich zusammengefallen ist. Kramny ist dann sehr viel weniger Risiko gegangen, hat die Stärken der einzelnen Spieler in den Vordergrund gestellt und diese klug kombiniert. Der VfB wurde eine eingespielte, disziplinierte, konterstarke Mannschaft mit guten Einzelspielern, die sich immer in ein relativ stabiles passives Mittelfeldpressing zurückziehen konnte. Das war in der Situation ein vernünftiger Ansatz, der dazu geführt hat, dass der VfB mittlerweile zumindest auf Normalniveau spielen kann.

Alexander Zorniger hatte viel Pech beim VfB und wurde mittlerweile durch Jürgen Kramny ersetzt. (Bild: Lennart Preiss / Bongarts / Getty Images)
Alexander Zorniger hatte viel Pech beim VfB und wurde mittlerweile durch Jürgen Kramny ersetzt. (Bild: Lennart Preiss / Bongarts / Getty Images)

Im Hinspiel lief der VfB ins offene Messer. Wie erwartest Du die Stuttgarter am Wochenende?

Sehr viel zurückhaltender und deutlich geordneter als damals auf jeden Fall. Kramny hat in der Rückrunde zwar schon höheres Pressing spielen lassen, aber so richtig funktioniert hat es nicht. Deswegen würde es mich überraschen, wenn er das ausgerechnet gegen euch wieder auspackt. Man kann also eher davon ausgehen, dass Bayern das Spiel relativ problemlos kontrollieren wird und dann kommt es darauf an, was ihr aus dieser Spielkontrolle macht.

Welche Schwächen machst Du bei den Bayern aus und worauf müssen die Bayern deiner Meinung nach achten?

Ich schaue nicht so viel Bayern, aber generell seid ihr was Kombinationsfluss und Struktur im letzten Drittel angeht wahrscheinlich nicht ganz auf dem Niveau, das vielleicht möglich wäre. Ihr müsst aufpassen, dass euch da keine größeren Formationslöcher aufgehen, aus denen der VfB nach Ballverlust Konter einleiten kann, wie es im Hinspiel am Anfang vereinzelt passiert ist. Generell ist die Konterabsicherung, vor allem natürlich gegen die beiden Tempodribbler Werner und Kostic wichtig. Ich gehe aber davon aus, dass sich Guardiola dafür was Passendes überlegen wird.

Serey Dié wird verletzt fehlen. Wie schwer wiegt dieser Ausfall und wer wird ihn ersetzen?

Schon schwer, weil er einerseits natürlich als Balleroberer wichtig ist und durch seine Beweglichkeit und Griffigkeit im Zweikampf große Räume im Zentrum kontrollierein kann. Zum anderen ist er sehr gut darin, mit seinen Dribblings Gegenpressingsituationen aufzulösen und Konter einzuleiten, was gegen Bayern natürlich besonders wertvoll gewesen wäre. Da wir, aus welchen Gründen auch immer, praktisch nur drei Sechser im Kader haben, wird er wahrscheinlich von Lukas Rupp ersetzt. Der kann beides auch ganz gut, fehlt dann aber als Balance- und Stabilitätsgeber auf der rechten Seite.

Mit dem Abstieg sollte Stuttgart nichts mehr zu tun haben. Was erwartest Du dir langfristig vom Verein? Welche Ziele steckt der VfB sich in den nächsten Jahren?

Alles in allem hat der VfB immer noch tolle Voraussetzungen und so weit man das an den Teilresultaten festmachen kann, versteckt sich auch irgendwo eine ordentliche Portion Kompetenz im Verein. Das spiegelt sich ja nicht zuletzt im für einen Verein im Abstiegskampf fast schon lächerlich guten Kader wider. Wenn man es richtig anstellt, könnte man mit dieser Grundlage theoretisch auch relativ bald wieder Richtung Europa angreifen. Von solchen konkreten Zielen abgesehen wäre es schön, wenn der Verein auch eine sportliche Identität entwickeln würde, ohne diese zu erzwingen, wie es im vergangenen Sommer versucht wurde, und ohne dabei Vielfalt und Innovation zu kurz kommen zu lassen.

Wie geht das Spiel aus?

2:0 oder 3:0 für euch.

Auf der zweiten Seite folgen eine Vorschau, die wichtigsten Statistiken und fünf Thesen zum Spiel.