Vorschau: SC Freiburg – FC Bayern München

Justin Trenner 18.01.2017

In Freiburg blickt man zufrieden auf eine tolle Hinserie zurück. Zwar steht formal noch die Partie gegen die Bayern an, da dies ja der 17. Spieltag ist, doch auch im Falle einer Niederlage dürfte sich daran nichts ändern. Mit SC-Fan Michael sprachen wir unter anderem über die Gründe für den Erfolg, Christian Streich, Nils Petersen und das Spiel am Freitag.

(Grafik: Michael Böck)

Hallo, stell dich zunächst bitte unseren Lesern vor, erzähle uns wer Du bist und was dich mit dem SC Freiburg verbindet.

Hallo, ich bin Michael und in meiner Kindheit durch unzählige Urlaube im Schwarzwald zum SC-Fan geworden und geblieben. Auf Twitter findet man mich als @fuszball und wer meine erkältete Stimme hören möchte, ist gerne eingeladen den Füchsletalk (@fuechsle_talk) anzuhören.

Man hat manchmal das Gefühl, dass die großartige Leistung des SC so ein bisschen unter dem Radar läuft. Wieso ist der Klub trotz seiner begrenzten Mittel so erfolgreich?

Dass wir diese Saison ein bisschen unter dem Radar laufen, hat sicher auch mit der Tabelle zu tun: Frankfurt weit oben, einige Kandidaten aus dem oberen Drittel eher im hinteren Drittel. Da ist dann unser 8. Platz zur Winterpause nicht so spektakulär im Vergleich. Der Hauptgrund für den Erfolg im Verlauf der bisherigen Saison ist, dass wir in der Sommerpause – anders als sonst eigentlich fast immer – keine Abgänge hatten und die Mannschaft sich nach dem Aufstieg mit einer Art Schwur darauf geeinigt hat, mindestens die erste Saison nach dem Aufstieg gemeinsam zu spielen.

Vor einigen Jahren sagte man ganz bescheiden, dass man sich selbst in den Top 25 Deutschlands sehe und dementsprechend auch stets für die zweite Liga plane. Ist das immer noch so oder ist das Anspruchsdenken des Klubs nun ein anderes? Was sind die langfristigen Ziele?

Ein bisschen selbstbewusster sind wir schon geworden: ich denke mittlerweile ist das Selbstbild eher die Top 20 oder zur höchsten Not auch 21 in Deutschland. Man weiß, dass man immer mal wieder absteigen kann, wenn es dumm läuft, hat aber einen Plan in der Hinterhand, um schnell wieder nach vorne zu schauen. Das Ziel für die nächsten Jahre ist vor allem ein möglichst rascher Umzug ins neue Stadion, um mit den Mehreinnahmen von dort finanzielle Nachteile ausgleichen zu können – damit man dann vielleicht ganz dreist die Top 15 in Deutschland als Ziel ausgeben kann.

Zeit für eine kleine Lobeshymne: Christian Streich ist ohne Frage einer der besondersten Trainer Deutschlands. Was macht ihn so speziell?

Das Schönste an ihm ist, unabhängig von seiner hervorragenden Arbeit, die er bei uns leistet, einfach, dass er ein unglaublich toller Mensch ist – seine Interessen und sein Blick auf die Welt hören nicht außerhalb von Stadion und Trainingsplatz auf und ich finde es schön, dass bei uns jemand auf der Bank sitzt, der im Vergleich zu anderen Trainern keine reine Floskel-Maschine ist.

Und sportlich?

Sportlich ist er der beste Trainer, den man sich für den SC vorstellen kann: er kennt den gesamten Verein und die Fußballschule seit vielen Jahren, hat einen guten Draht auch und gerade zu jungen Spielern und beherrscht die seltene Gabe, diese gleichzeitig zu fördern und zu fordern. Ein Spieler wie Söyüncü hätte nach seinen anfänglichen Schwierigkeiten wahrscheinlich bei keinem anderen Bundesligisten mehr eine so große Rolle gespielt wie bei uns. Aber Streich hat ihn geschützt, aufgebaut und intensiv mit ihm gearbeitet. Wobei ich mir das im konkreten Fall immer recht witzig vorstelle: sie sprechen ja quasi beide kein deutsch…

Christian Streich und Freiburg: Diese Konstellation wünschen sich die Fans noch sehr lange.
(Foto: Marc Mueller / Bongarts / Getty Images)

Für welche Art Fußball steht Streich?

Der Fußball beim SC unter Streich hat sich leicht geändert, wobei interessant ist, dass auch das ein bisschen unter dem Radar passiert ist: das Spiel ist physischer geworden, unsere Spieler halten jetzt auch mal dagegen und sind durchsetzungsfähiger. Auch lange Bälle, die ja früher in Freiburg absolut verpönt waren, sieht man jetzt öfter. Was auch daran liegt, dass man mittlerweile sowohl Spieler hat, die diese spielen können, als auch gerade mit Nils Petersen einen Mann vorne drin hat, der sie verarbeiten kann.

Und doch spielt Petersen, der zu den größten Namen beim SC zählt und stets abliefert, vergleichsweise wenig. Woran liegt das?

War das bei Euch nicht auch schon so? Nils hat, wenn man sich die Quote der Tore pro Spiel anschaut, eigentlich bei allen seinen Stationen immer regelmäßig oder überdurchschnittlich getroffen, von einem kleinen Durchhänger in Bremen mal abgesehen. Dass er nicht alle Spiele 90 Minuten durchspielt liegt an einer Kombination von zwei Dingen: zum einen ist es in dieser Saison so, dass alle unsere Stürmer treffen und es mit der Taktik, dass Petersen später als Geheimwaffe von der Bank kommt, einfach gut läuft. Zum anderen ist es wohl auch ein taktischer Ansatz, dass mit Niederlechner erst einmal ein Stürmer auf dem Platz steht, der die gegnerische Abwehr beschäftigt, müde spielt und dann ein wacher Stürmer von der Bank kommt, der sich die Abwehrspieler auch schon ein bisschen ausgucken konnte bis zur Einwechslung. Wie Petersen und Niederlechner darüber denken, kann man gut in einem Interview mit der Badischen Zeitung aus dem Trainingslager sehen: beide sagen zwar, dass natürlich jeder Fußballer immer 90 Minuten spielen will, aber sie sehen auch, dass es momentan so wie es ist für die Mannschaft einfach super läuft.

Die Freiburger waren in der Vergangenheit immer ein unangenehmer Gegner für den Rekordmeister. Was macht dich optimistisch für Freitag und wie erwartest Du die Breisgauer taktisch?

Bis auf Söyüncü ist die komplette Abwehr wohl wieder fit. Es gab keine Abgänge. Die Winterpause war lang genug zum Regenerieren und nicht zu lang um den Schwung aus der Hinrunde zu verlieren, hoffe ich zumindest.

Was die Taktik angeht kann ich mir mehrere Szenarien vorstellen: die in der Hinrunde mehrmals gespielte Dreierkette, die defensiv zur Fünferkette wird, ist sicher eine Option. Auch unser eigentlich übliches 4-4-2 mit eher defensiverer Doppelsechs kann ich mir vorstellen, vor allem weil sich die Mannschaft in diesem System – das hat man im Verlauf der Vorrunde mehrmals nach Umstellungen sehen können – nach wie vor am wohlsten fühlt. Keine schlechte Idee, völlig unabhängig von der Formation, wäre es Alonso unter Druck zu setzen und da wir sehr laufstark sind, bin ich sehr gespannt wie es im Mittelfeld aussehen wird am Freitag. Das einzige was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann ist, dass der SC sich zuhause hinten rein stellt. Vielleicht schneit es ja auch ein bisschen wie bei unserem Spiel gegen Leipzig in der Aufstiegssaison. Das wäre doch ein stimmungsvoller Auftakt ins neue Jahr!

Wie geht das Spiel aus?

Ich würde mich freuen, wenn sie es nicht verlieren. Wir sind heimstark, haben die letzten Heimspiele gegen Bayern nicht verloren und sind eingespielt. Ich glaube ein Unentschieden ist nicht total unrealistisch.

Wenn Du dir einen Spieler der Bayern aussuchen könntest: Wer wäre es und wieso?

Würde Lewandowski bei uns spielen, hätte Petersen noch mehr Probleme auf Spielzeit zu kommen, den dürft ihr also behalten.. Rein interessehalber sage ich Müller: dass die Ausleihe, die mal im Raum stand, nicht zustande kam, ist schade. Das ist ein spannendes “was wäre gewesen wenn”-Szenario.

Bereits im Interview wurde deutlich, dass dieser SC Freiburg kein typischer Aufsteiger ist. Mauern aufziehen und sein Glück in der Defensive suchen? Nicht mit Christian Streich.

Der SC überzeugt mit vergleichsweise offensivem Fußball, achtet dabei aber auch auf eine möglichst kompakte Abwehrformation.

Die beiden Teams im Vergleich.
(Grafik: Lukas)

Gegnervorschau

Vor allem sind die Breisgauer aber auch flexibler geworden. Neben den beiden im Interview angesprochenen Grundformationen (3-5-2 / 5-3-2 und 4-4-2) zählen auch lange Bälle, ein situativ aggressiveres Abwehrverhalten und eine variierende Intensität im Pressing dazu.

Egal ob Dreier- oder Viererkette: Speziell die Außenverteidiger verrichten sehr viel Laufarbeit, um den Gegner auf dem Flügel in Überzahl zu stellen. 118 Kilometer läuft die Streich-Elf pro Spiel, was dem Bestwert der Liga entspricht. Aufgrund dieser enormen Laufarbeit ist es den Freiburgern möglich, Lücken in der Formation schnell zu schließen.

Den FC Bayern könnte also eine Mittelfeldschlacht erwarten und dementsprechend wird es darauf ankommen, dort die Kontrolle zu übernehmen.

Freiburgs größte Waffe ist jedoch die Offensive. Klammert man RB Leipzig als untypischen Aufsteiger mal aus, gab es vielleicht nie einen Bundesliga-Neuling, der einen solch ausgewogenen, breit aufgestellten und effektiven Angriff stellte.

Maximilian Philipp, Nils Petersen und Florian Niederlechner kommen zusammen auf 15 Tore (jeder 5). Hat einer eine Formkrise, kann der andere einspringen. Läuft das Spiel nicht wie gewollt, bringt Streich einfach Petersen von der Bank, der jederzeit für die Wende sorgen kann. Das ist ein Luxus, den Ingolstadt, Darmstadt, Augsburg und Co. nicht genießen.

Streich hat die Rollen unter den dreien – zumindest im letzten Jahr – klar verteilt. Niederlechner ist mehr der abkippende Stürmer, der auch mal aus der Tiefe kommt, seinen Partner mit Laufwegen unterstützt und häufiger das Eins-gegen-Eins sucht, somit also viel über seine technischen Fähigkeiten macht. Philipp und Petersen sind da eher die Kategorie Zielspieler. Letzterer findet sich sogar zunehmend in der Jokerrolle wieder.

Während Niederlechner häufig das Eins-gegen-Eins sucht, sind die anderen beiden weniger aktiv. Dennoch kreieren alle drei viele Abschlüsse.
(Grafik: Lukas)

Der kreative Kopf im Mittelfeld ist Vincenzo Grifo. Der Italiener tritt nicht nur gefährliche Standards, sondern weiß auch durchaus mit Einzelleistungen und guten Pässen zu überzeugen.

Alles in allem ist der SC aber keine Mannschaft, die überdurchschnittlich auf individuelle Klasse angewiesen ist. Letztendlich machen Teamgeist, Laufbereitschaft, Aggressivität, Mut und eine ganz besondere Konstellation im Sturm diesen SC Freiburg zu einem ganz unangenehmen Auftaktgegner für die Bayern.

Die wiederum werden sofort ihren Rhythmus finden müssen. Zwar waren sie bisher erfolgreich, aber gewiss nicht immer zufrieden. Abgeschlossen wurde das Jahr 2016 jedoch mit einer großartigen Leistung gegen RB Leipzig.

Darauf müssen die Münchner nun aufbauen. Interessant wird vor allem die Konstellation im Mittelfeld sein. Mit Thiago fehlt der Mann, der das Positionsspiel-Puzzle, das Ancelotti über weite Phasen der Hinrunde hinterließ, wieder zusammenfügte.

Ob die Bayern auch ohne den Spanier für Struktur im Zentrum sorgen können, wird über den Ausgang mitentscheiden. Ancelottis beste Option wäre hier wohl Thomas Müller auf der halbrechten Acht, da dieser das beste Verständnis für den Zehner-Raum mitbringt und stets die Flügelspieler unterstützt.

Gerade die Außenspieler sind auf eine gute Besetzung der Halbräume angewiesen. Ob das durch diagonale Läufe der Außenverteidiger oder durch die Achter geschieht, ist dabei nicht so wichtig wie die Tatsache, dass es dort überhaupt Dreiecke braucht. Viel zu oft ließen die Münchner ihre Dribbler in dieser Saison alleine. Das führte zu vielen Flanken und wenigen kreativen Ansätzen für Durchbrüche.

Gegen RB Leipzig lösten sie es allerdings sehr gut.

Bayern München gegen RB Leipzig, Aufstellung Die Bayern waren gegen Leipzig in ständiger Bewegung und entzogen sich dem gegnerischen Pressing konsequent.

Die ständige Bewegung im Positionsspiel und auch die vielen unterstützenden Läufe von Thiago sowie den Außenspielern stellte den Gegner vor viele Probleme. Ein Sechser der Münchner entzog sich konsequent den Pressingfallen im Zentrum, während der andere vom Zehner und/oder den einrückenden Flügelspielern unterstützt wurde. Je nachdem wo der Ball war, schuf die Ancelotti-Elf eindrucksvoll Überzahlsituationen.

Leipzigs Pressing wurde so wirkungslos, Alonso erfuhr wichtige Hilfe und zeigte so eine seiner besten Leistungen. Überdies harmonierten die manchmal einrückenden Flügel deutlich besser mit dem Rest der Mannschaft, weil Thiago die nötigen Verbindungen im Zehner-Raum kreierte. Freiburg wird das Zentrum nicht auf dieselbe Art und Weise zustellen wie RB, deshalb gilt es die Lösungsansätze hier etwas anzupassen, aber es sollte deutlich werden, wie wichtig Bewegung und Dreiecke sind.

Auch das Gegenpressing wird erneut eine große Rolle spielen. Freiburg tut sich sehr schwer im Aufbau, wenn man sie unter Druck setzt. Das funktionierte bei den Bayern zuletzt immer besser. Ließen sie zu Beginn noch viel zu große Lücken zwischen den Linien, presste man Leipzig in der eigenen Arena furios kaputt. Dieses gnadenlose, aber vor allem strukturierte Anlaufen brauchen die Münchner auch von Beginn an in Freiburg.

Gewinnt der Rekordmeister am Freitagabend in Freiburg, wird er zum 22. Mal Hinrundenmeister – einsamer Bundesliga-Rekord. Von den bisherigen 21 führten immerhin 18 zur Meisterschaft.

Für den FC Bayern geht es also um drei Punkte, einen erfolgreichen Auftakt und ein gutes Omen für den wichtigsten Titel überhaupt.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Die Bayern starten erfolgreich ins neue Jahr.
  2. Lewandowski trifft mindestens ein Mal.
  3. Es fallen mindestens drei Tore.
  4. Bayern bleibt nicht zu Null.
  5. Es wird mindestens drei gelbe Karten geben.

Nach zwei richtigen Thesen aus der RB-Leipzig-Vorschau, steht meine Bilanz bei 53/105.