Vorschau: Über Leverkusen nach Madrid

Justin Trenner 13.04.2017

Der Spagat zwischen Bundesliga und Champions League war selten so schwer. National sind die Münchner wieder mal so gut wie durch. Bei noch fünf Spielen und zehn Punkten Vorsprung ist die rechnerische Sicherheit dieser Behauptung nur noch Formsache und eine Frage der Zeit. Diese zwei Sätze sagen allerdings auch etwas über die Situation des Rekordmeisters aus.

Ist die Liga zu schwach?

Es ist immer leicht, Andere dafür verantwortlich zu machen, wenn man selbst in den wichtigen Momenten versagt. Fakt ist jedoch auch, dass die Bayern ihre erfolgreichste Zeit in der Königsklasse hatten, als die Liga Druck auf sie ausübte.

2010 wurde man mit 5 Punkten Vorsprung Meister und zog ins Finale der Champions League ein. 2012 gelang dieses Kunststück erneut und Deutscher Meister wurde Borussia Dortmund, die den Fokus der Bayern in jedem Spiel forderten.

2013 kann man schließlich als Resultat aus den vorangegangenen Jahren bezeichnen. Die Münchner hatten einen kleinen Umbruch vollzogen, sich neu ausgerichtet und den Großangriff auf Borussia Dortmund gestartet. Es folgte das Triple – allerdings mit deutlichem Abstand in der Bundesliga.

Es lässt sich dementsprechend nur schwer sagen, inwiefern die Konkurrenz in der Liga Einfluss darauf hatte, dass der Serienmeister in den folgenden Jahren drei Mal an spanischen Spitzenteams scheiterte. Schließlich gab es für jeden Einzelfall auch entsprechende Begründungen, die von diesem Argument abrücken.

2014 scheiterte man im ersten Guardiola-Jahr an Real Madrid, weil der Trainer Fehler machte, die er sich später eingestand. Im Jahr darauf war die Angelegenheit wieder relativ deutlich. Damals verloren die Bayern in Barcelona mit 3:0, weil sie ihre Fitness und Frische nicht über 90 Minuten halten konnten.

Hier war vor allem die Personallage verantwortlich, die es unmöglich machte, den Katalanen auf Augenhöhe zu begegnen. Wiederum ein Jahr später war Atlético die Endstation im Europapokal.

Antoine Griezmann entschied mit seinem Auswärtstor das Halbfinal-Duell.
(Foto: Guenter Schiffmann / AFP / Getty Images)

Die Mannschaft präsentierte sich speziell im Rückspiel von ihrer besten Seite, konnte aber dennoch nicht gewinnen. Es wäre zäh, diese Nuancen, diese Kleinigkeiten an der fehlenden Konkurrenz im nationalen Wettbewerb festzumachen. Doch ein Funke Wahrheit dürfte dennoch vorhanden sein.

Die Bundesliga kann nicht als einzige Ausrede dienen

Zumindest würde eine bessere Liga den Münchnern nicht schaden. Oft wurde national auf Sparflamme agiert. Die Ausrede für diese Leistungen war, dass man sich für die wichtigen Spiele aufspare, dass man die Schlüsselspieler schone.

Doch dass auch dieser Plan nicht immer aufgehen muss und kann, zeigte sich dadurch, dass den Bayern wieder wichtige Spieler im Duell mit Real Madrid fehlten und fehlen werden. Zudem verzichtete Ancelotti dafür auf den sonst so wichtigen Rhythmus. Dies betrifft nicht nur die erste Elf, die zwischen Bundesliga und Königsklasse ihr Tempo variierte, sondern speziell die Ersatzspieler.

Coman, Costa und Bernat wurden gegen Real Madrid eingewechselt, konnten ihre Leistung aber vor allem deshalb nicht abrufen, weil sie kaum Spielpraxis hatten. Die Breite im Kader bringt wenig, wenn die Spieler auf der Bank keine Form haben.

Lewandowski wurde überdies gegen die Spanier schmerzlich vermisst. Der Pole konnte schlicht nicht ersetzt werden; erst recht nicht von einem Thomas Müller, der von Ancelotti eingesetzt wurde, als wäre er eben jener Robert Lewandowski. Müller war überfordert mit der Situation und konnte die Bälle nicht verarbeiten. Ohnehin ist Bayerns Trainer schon die ganze Saison daran gescheitert, den Angreifer vernünftig in das Münchner Spiel zu integrieren. Ein Vorwurf, den er sich zweifelsohne gefallen lassen muss.

Auch Ancelottis Wechselpolitik war gegen Madrid äußerst fragwürdig. Als die Gäste in der zweiten Halbzeit immer mehr Mittelfeldkontrolle gewannen, reagierte der Trainer überhaupt nicht. Alonso, der rapide abbaute, wurde erst ausgewechselt, als Javi Martínez vom Platz flog. Und selbst da traf der Bayerntrainer eine Entscheidung, die diskutabel war. Bernat für Alonso zu bringen war dahingehend okay, dass Alaba in die Innenverteidigung rückte. Allerdings schwächte der “Mister” so sein Mittelfeld.

Der in der Luft hängende Müller spielte weiter, Thiago und Vidal waren fortan gegen Modric und Kroos überfordert, und Bayern bekam keinen Zugriff mehr. Es trat das ein, wovor wir in der Vorschau explizit gewarnt hatten: Madrid übernahm das Kommando in der Zentrale.

Ancelotti hätte hier auf die veränderte Spielsituation reagieren können, indem er die Ausrichtung kompakter gestaltet. Dafür stand beispielsweise Kimmich zur Verfügung. Doch er ließ sein Team weiterspielen, als wäre Martínez nie des Feldes verwiesen worden.

Glück und Pech entscheiden große Spiele

Wie immer gilt es aber auch zu erwähnen, dass die Spielgeschichte eine primäre Rolle einnahm. Köpft Vidal das 2:0 oder erzielt er es wenig später vom Punkt, würde heute vermutlich niemand über die möglichen Fehlentscheidungen reden, die der Trainer traf.

Vidal war stark, aber auch der tragische Held.
(Foto: Christof Stache / AFP / Getty Images)

Es war lange Zeit ein Duell auf Augenhöhe, in dem Bayern die ein oder andere Chance mehr hatte. Sicherlich wäre eine 2:0-Führung im ersten Durchgang glücklich gewesen, aber auch notwendig. Mit dem verschossenen Elfmeter und dem frühen Ausgleich in Halbzeit 2 kippte das Spiel. Real bekam das Momentum und das Geschenk von Martínez. Es kam, wie es dann kommen musste.

Erschreckend war lediglich die (fehlende) Reaktion der Bayern. Dass sie nach dem 1:2 Reals so in sich zusammenfallen, ist weder mit Liga, Lewandowski, Spielgeschichte, Rhythmus oder Entscheidungen des Trainers zu erklären. Von einem Team, das so erfahren ist wie der Rekordmeister, darf man in solchen Situationen mehr erwarten.

In Leverkusen die Wunden lecken, um in Madrid anzugreifen

Vieles spielte am Mittwochabend eine Rolle. Wie man die vielen Faktoren gewichten mag, ist Ansichtssache. Was aber ganz sicher ist, ist die Aussage Ancelottis nach der enttäuschenden Niederlage: “Wir leben noch.”

Vermutlich werden die Münchner in Leverkusen einige Spieler schonen; das Ergebnis ist ob der Ausgangslage in der Bundesliga ohnehin nicht so wichtig. Die Begegnung ist eine Zwischenstation und ein Moment der Ruhe, bevor es nächste Woche Dienstag nach Madrid geht, ins Bernabeu.

Dort werden die Bayern ein anderes Gesicht zeigen müssen. Eines, das die ohnehin schon gute Leistung aus der ersten Halbzeit im Hinspiel nochmals übertrumpft. Nur dann ist es möglich, das Spiel zu drehen.

Noch ist nichts verloren. Sollten Hummels und Lewandowski die rechtzeitige Rückkehr schaffen, kann man gespannt sein, ob die Bayern die Wende schaffen. Sie können in diesem Spiel beweisen, dass sie immer noch auf Augenhöhe sind – mit den größten Mannschaften in Europa.

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Mindestens zwei Tore zu erzielen und mit einem Treffer Vorsprung zu gewinnen, ist sicher keine einfache Aufgabe, wenn man es mit den Königlichen zu tun hat. Aber wenn es eine Mannschaft gibt, die das schaffen kann, dann ist es der FC Bayern. Ein frühes Tor und die Spielgeschichte könnte sich erneut ändern. Diesmal vielleicht zugunsten der Münchner.

Fünf Thesen zum Spiel

Die beiden Bundesligisten im Vergleich.
  1. Bayern gewinnt nicht.
  2. Ancelotti rotiert auf mindestens 4 Positionen.
  3. Bernat, Sanches und Kimmich beginnen.
  4. Der Rekordmeister trifft mindestens ein Mal.
  5. Alaba beginnt in der Innenverteidigung.

Leider bewahrheiteten sich für das Hinspiel nur 2 Thesen. Gesamt: 99/185.