Vorschau: 1. FC Köln – FC Bayern München

Justin Trenner 02.03.2017

Ja, die Münchner sind derzeit das stärkste Auswärtsteam der Liga. Sie müssen aber neben Köln auch noch nach Gladbach, Hoffenheim, Leverkusen, Wolfsburg und Leipzig. Viele Orte, an denen der Rekordmeister in den letzten Jahren Punkte liegen ließ. Darüber hinaus waren viele Spiele in der Fremde zuletzt sehr knapp.

Carlo Ancelottis Mannschaft dürfte jedoch gut vorbereitet sein auf die kommenden Wochen. Zur richtigen Zeit hat der FCB seine Form verbessert, wenngleich eine Einordnung wichtig ist.

Mit Arsenal, Hamburg und Schalke traten drei Teams in der Allianz Arena an, die dem Deutschen Meister in die Karten spielten. Sie ließen den Schlüsselspielern Räume, fanden selbst keine Lösungen, um das Pressing der Bayern zu bespielen und befinden sich teilweise in einer schlechten Verfassung.

Trotzdem wurde an wichtigen Schrauben gedreht. Wenige personelle Veränderungen führten dazu, dass die Münchner in der Arbeit gegen den Ball deutlich effektiver wurden. Für Ancelotti kristallisierten sich so zwei Möglichkeiten heraus.

Abwandlung der Lineup of Death

Die von Steffen aus dem Basketball übernommene Bezeichnung der „Lineup of Death“ feierte unter Ancelotti beinahe ihr Comeback. Während Guardiola sie mit fünf Offensiven und Thiago erstmals aufstellte, sind es nun vier Angreifer inklusive des spanischen Mittelfeldakteurs gewesen.

Gegen Mainz, Wolfsburg und Hamburg fuhr der Trainer damit äußerst erfolgreich. 52 Abschlüsse, 16 Tore und nur ein Gegentreffer. Die Formation ist nicht nur unglaublich durchschlagskräftig, sondern hilft auch im Gegenpressing.

Mit vielen Spielern im letzten Drittel konnten die Bayern nämlich immensen Druck auf ihre Gegner ausüben. Überdies wird individuelle Klasse hier optimal mit fast schon automatisch entstehenden Dreiecken kombiniert. Die Wege sind somit kürzer bei Ballverlusten.

Die abgewandelte Lineup of Death sorgt für unfassbare Präsenz im letzten Drittel. Statt Alonso spielten hier allerdings meist Vidal oder Lahm.

Durch einen einrückenden Ribéry und dem aufrückenden Alaba kriegen die Bayern teilweise sechs Spieler in das Angriffsdrittel. Das ehemalige Problem im Zehner-Raum wird zudem durch gleich vier Spieler gelöst und auch Lewandowski profitiert enorm.

Der Pole traf in den drei Partien sieben Mal. Speziell gegen Fünferketten und somit drei Innenverteidigern braucht er Unterstützung um sich herum. Ein Zehner reicht da meist nicht aus.

Beim Stichwort Unterstützung fiel in den letzten Jahren immer wieder der Name Thomas Müller. Der Nationalspieler war in dieser Formation ebenfalls am stärksten. Trotz seiner durchwachsenen Saison kam er in den drei Begegnungen auf einen Treffer und drei Vorlagen.

Alonso war bisher nur 19 Minuten Teil der abgewandelten Lineup of Death. Der Spanier könnte allerdings ebenfalls Gefallen an ihr finden. In Ballbesitz würde er sich vieler Anspielstationen erfreuen.

Gerade sein zuletzt wichtiges vertikales Spiel sollte so noch gewinnbringender sein. Allerdings ist der ehemalige Weltmeister dann auch relativ isoliert im Mittelfeld, wenn das Gegenpressing der Münchner doch mal überspielt wird. Diese Situationen liegen ihm eher weniger und spielstarke Mannschaften sind in der Lage das zu nutzen.

Alonso ist als vertikaler Passgeber extrem wichtig. Dafür benötigt er so viele Optionen wie möglich.

Die Variante ohne Müller

Etwas weniger spielstark ist in dieser Saison Thomas Müller. Seine Probleme ziehen sich durch die Saison. Der Luxuskader der Bayern wird Ancelotti hier zum Verhängnis. In der ersten Variante blühte der Angreifer wieder auf. Doch ist sie gerade bei ungeplanten Ballverlusten sehr anfällig und somit nicht für jeden Gegner tauglich. Müller ist dann oft der erste, der rausrotiert wird.

Thiago ist einfach zu wichtig, Vidal und Alonso haben sich ebenfalls in eine gute Verfassung gespielt und Müller kriselte eben doch zu oft. Sportlich ist diese Entscheidung daher nachvollziehbar, wenn der Trainer eine im Mittelfeld kompaktere Ausrichtung wählt.

Müller funktioniert in Verbindung mit Thiago und Lewandowski am besten. Dafür kann und will Ancelotti aber keinen Flügelspieler opfern. Das funktionierte schon zu Beginn seiner Amtszeit nicht.

Spielen die Bayern in ihrer offensivsten Formation, bieten sich dem Gegner große Räume im Mittelfeld. Dafür müssten sie aber das Gegenpressing knacken.

Der Vorteil des 4-2-3-1 mit Thiago als Zehner und Vidal sowie Alonso dahinter ist also, dass zwei Spieler tiefer positioniert sind, die mit ihrer Antizipation viele Konter verhindern können.

Zudem ist Thiago in höheren Zonen sehr wichtig für den Rekordmeister, da er dort vielversprechende Ballgewinne verbuchen kann. Das Gegenpressing ist nicht mehr ganz so effektiv, wie in der erstgenannten Variante, wenn Vidal tiefer steht. Dafür ist die Formation insgesamt aber kompakter.

Es scheint bisher so, als hätte sich Ancelotti für diese Option festgelegt, wenn es in einem Spiel um alles geht. Zumindest war das bisher gegen Leipzig, Arsenal und Schalke der Fall. Jeweils mit Erfolg und vielen Toren.

Insgesamt dürfte die Durchschlagskraft mit Müller als zusätzlichem Offensivspieler dennoch höher einzuschätzen sein. Auch, wenn die 60 Abschlüsse in der vermeintlich kompakteren Ausrichtung eine andere Sprache sprechen. Letztendlich hängt auch vieles davon ab, wie die vorhandenen Spieler ihre Positionen interpretieren.

Grundsätzlich wirkte es mit Müller und Thiago im letzten Drittel homogener in Ballbesitz, als mit Vidal und Thiago. Doch gerade das letztgenannte Duo erzeugt im Gegenpressing eine Power und Gewalt, der Fast kein Team der Welt standhalten kann. Je höher Vidal dabei agiert, umso besser ist das für Bayerns Gegenpressing. Müllers Einbindung wird deshalb weiterhin problematisch bleiben.

Ebenso problematisch könnte die Kombination aus Alonso und Vidal auf der Sechs werden. Beide harmonierten nicht immer perfekt miteinander. Alonso ist mit einem spielstarken Partner viel effektiver und kreativer, während Vidal ihn zu selten entlastet.

Lahm und Vidal, Thiago und Alonso sowie Thiago und Vidal funktionierten bisher besser. Am interessantesten wäre jedoch das Duo Kimmich und Thiago, das es bisher noch nicht zu sehen gab. Beide ergänzen sich auf dem Papier perfekt.

Ancelotti hat sich nun aber auf das physisch stärkste Duo festgelegt. Spielerisch ist das weniger effizient, dafür kann der Italiener sich auf Erfahrung verlassen. Bisher hatte er damit immer recht. Und ist Vidal hoch positioniert, bildet er mit Thiago vielleicht das beste Pressing-Duo der Welt. Ancelotti wird sich hier jeweils auf den Gegner einstellen und die für den Moment beste Variante aufstellen müssen.

Ribéry profitiert von Ancelotti

Während Müller eher einer der Verlierer dieser Saison ist, ist Ribéry ein Gewinner. Der Franzose kommt unter Ancelotti nochmals in eine richtig gute Form. Auch, weil er mit seiner Rolle deutlich besser zurecht kommt als Douglas Costa.

Ribéry liegt die einrückende Rolle und auch Alaba bekommt dadurch mehr Räume.

Diese ist nämlich vor allem durch das Einrücken definiert. Damit öffnet Ribéry nicht nur wichtige Räume für Alaba, sondern bringt sich selbst auch in Zonen, in denen sein verringertes Tempo nicht auffällt.

Der 33-Jährige ist zudem deutlich spielintelligenter, wenngleich auch manchmal zu überhastet. Problematisch sind höchstens ein paar Ballverluste, die aus einigen Dribblings entstehen. Doch Ribéry ist weiterhin ein überaus wichtiger Bestandteil der Bayern, wenn auch nicht immer über die volle Distanz eines Spiels.

Costa könnte das auch sein, kommt mit der einrückenden Rolle allerdings deutlich weniger zurecht. Für das Zentrum ist sein Passspiel zu unspektakulär. Auch sein Verständnis für enge Räume ist nicht herausragend, obwohl er sich dort schon verbessert hat.

Der Brasilianer ist an der Linie am stärksten und wurde am besten eingebunden, wenn die Außenverteidiger diagonale Läufe machten, um ihm Räume zu kreieren. Das gibt es unter Ancelotti aber kaum noch und am ehesten mit Bernat, der wenige Einsätze bekommt.

Die Verlierer der gefundenen Ausrichtung

Zuletzt forderten wir Rhythmus. Diesen scheint Ancelotti nun fördern zu wollen. Allerdings auf Kosten einiger Spieler. Neben Thomas Müller und Douglas Costa, deren Probleme hier im Text erläutert wurden, kommen da vor allem die jungen Akteure hinzu.

Joshua Kimmich spielte in dieser Saison 1444 von 3060 möglichen Pflichtspielminuten. Das ist immerhin noch Platz 13 im Kader, doch womöglich zu wenig für einen Spieler seiner Klasse. Der Nationalspieler hebt sich nämlich immer weiter vom Status eines Talents ab.

In der Rotation erhält sogar Rafinha eher einen Platz auf der Rechtsverteidiger-Position als der 22-Jährige. Juan Bernat (1011 Minuten), Renato Sanches (674 Minuten) und Kingsley Coman (517 Minuten) teilen sein Schicksal. Wobei letzterer gerade durch seine Verletzungen viele Spiele verpasste.

Es ist gerade in der aktuellen Phase nicht absehbar, dass sich diese Situation verbessert. Ancelotti setzt auf die beiden Formationen, in denen die Jugend keinen Platz findet.

Das wiederum ist nur konsequent. Auch wenn Kimmich deutlich mehr Spielzeit verdient hätte, hat der Trainer sich auf zwei Varianten festgelegt, die auch ohne ihn funktionieren. In den wichtigen Spielen wird sich daran nur etwas ändern, wenn sich jemand verletzt. Das bedeutet gerade für Kimmich, dass er sich gedulden muss. Seine Zeit wird bald kommen, das sollte auch der selbstbewusste Ex-Stuttgarter wissen.

Der Verein hat mit der Verpflichtung Ancelottis das Ziel über die Entwicklung gestellt. Um das zu erreichen, muss der 57-Jährige es auch schaffen, dass die jungen Spieler ihre Rolle zumindest für diese Saison akzeptieren. Alles andere ist eine Frage für die nächste Saison.

Renato Sanches und Joshua Kimmich müssen sich dem großen Ziel unterordnen.
(Foto: Johannes Simon / Bongarts / Getty Images)

Köln als Startschuss

Umso spannender wird es aber auch sein, wie der Italiener gegen Köln aufstellt. Sieht er den Effzeh als Chance zu rotieren oder bewertet er die Bundesliga noch als eng genug, um nur wenige Veränderungen vorzunehmen?

Fünf Punkte Vorsprung würden zwar etwas Rotation legitimieren, aber mit dem noch verbleibenden Auswärtsprogramm sollten die drei Punkte lieber mit nach München gehen.

Ancelottis wichtigste Aufgabe ist es jetzt, eine Balance aus Rhythmus und Rotation zu finden. Bisher hatte er damit seine Probleme, wenn auch die insgesamt schwache Bundesliga ihm da in die Karten spielte. Jetzt hat er seine zwei Formationen aber gefunden, die am Ende die Titel bringen sollen.

Schafft er es, das starke Pressing auch in der zweiten Linie noch lückenloser zu gestalten, ist dieser FC Bayern ein ernsthafter Kandidat für jeden Wettbewerb. Auch für die Champions League. Ancelotti wird seinem Ruf langsam gerecht, muss dies jetzt aber bestätigen.

In Köln geht es nicht nur darum, den Vorsprung auf Leipzig mindestens zu halten, sondern auch darum, die Leistung gegen einen Gegner abzurufen, der taktisch vermutlich besser aufgestellt sein wird als Arsenal, Hamburg oder Schalke. Schaffen die Münchner das, darf vorsichtig geträumt werden.

Köln und der FCB im Bundesliga-Vergleich.
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Fünf Thesen zum Spiel

  1. Lewandowski trifft.
  2. Kimmich beginnt.
  3. Ancelotti stellt nur drei Angreifer auf.
  4. Die Bayern schießen maximal zwei Tore.
  5. Köln trifft auch.

Drei richtige Thesen aus der Schalke-Vorschau ergeben einen Gesamtstand von 82/150.