Vorschau: FC Bayern München – VfL Wolfsburg

Justin Trenner 08.12.2016

Bei den Wölfen läuft in dieser Saison überhaupt nichts zusammen. Ein Prozess, der sich andeutete, findet zumindest Antonia, mit der wir vor dem Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften gesprochen haben.

Grafik: Michael Böck
Grafik: Michael Böck

Hallo Antonia, zunächst muss sich jeder bei uns kurz vorstellen. Also: Wer bist Du und was verbindet dich mit dem VfL Wolfsburg?

Ich bin Antonia. Wenn man mich kennt, dann wahrscheinlich von meinem Twitter-Account @antoniasxn. Nebenbei schreibe ich noch für die Wolfsburger Allgemeine Zeitung. Mit dem VfL Wolfsburg verbindet mich vor allem die geographische Lage meines Wohnorts und der Hang zur Dramatik. Nein, im Ernst: Ich wohne nur 20km von Wolfsburg entfernt und wenn man sich für Fußball interessiert und nicht unbedingt darauf besteht, dass der Verein jedes Jahr die Meisterschaft holt, landet man notgedrungen eben dort.

Wahrscheinlich wäre es einfacher zu fragen, was derzeit überhaupt beim VfL läuft. Wie konnte der Verein in so kurzer Zeit in diese Situation rutschen?

Am 9. Spieltag dieser Saison gegen Bayer 04 Leverkusen sagte ein Mann hinter mir in der Nordkurve nach dem deprimierenden 1:2: “Das einzige, was hier läuft, ist meine Nase.” Ich finde, das trifft es eigentlich ganz gut.

Es ist ja leider nicht das erste Mal, dass der VfL in so kurzer Zeit vom Topverein zum Flopverein wird. Nach unserer Meistersaison 2008/09 wurden wir in der darauffolgenden Saison 09/10 achter und dann, 2010/11, mussten wir gegen den Abstieg kämpfen und wurden letztendlich fünfzehnter. 2015 wurden wir Pokalsieger, 2016 wurden wir achter und jetzt sind wir wieder im Abstiegskampf. History repeats itself.

Es scheint ein bisschen unser “Fluch” zu sein, dass wir eine richtig erfolgreiche Saison haben, viele Spieler verlieren, eine Saison im Mittelfeld dümpeln und dann richtig tief reinrutschen. Vielleicht liegt das an dem dringenden Bedürfnis ein “Topverein” zu sein. Da aber wenige Spieler, wenn andere Topvereine nach einer guten Saison anklopfen, in Wolfsburg bleiben werden, weil sie die Stadt so nett finden und die Vereinsfarben ihnen so gut stehen, hat dieser Verein ein Riesen Absturz-Potential.

Haben die Verantwortlichen das unterschätzt?

Ja, Allofs (aber auch andere Verantwortliche) haben vor einem Jahr leider verpasst das eben geschilderte zu realisieren und damit zu arbeiten, es dann mit einem “passt schon, das Geld haben wir ja” abgetan und so stehen wir jetzt hier als fünfzehnter mit mehr Problemen als Erfolgserlebnissen.

Was hat er zuletzt noch falsch gemacht?

Es würde wahrscheinlich deutlich schneller gehen, wenn ich aufzählen würde, was er richtig gemacht hat. Das wäre dann nämlich ab Mitte 2015: Nichts.

Das Transferfenster vor der Saison 2015/16 wurde zum Sinnbild von ihm als Manager und daran ist er selbst schuld. Diese 99,9%-Aussage über Kevin De Bruyne war leider einfach nur peinlich und das beschreibt auch die gesamte Transferperiode ganz gut. Seine zwei besten Spieler (De Bruyne und Perisic) zu verkaufen und dafür in zwei Tagen mal schnell bei Draxler anzurufen und den zu verpflichten ist amateurhaft und passt sicherlich nicht zu seinem “Topverein”-Anspruch.

Dann verpflichtete er mit Dante noch den Innenverteidiger, den De Bruyne vom Spiel gegen München im Winter sowieso noch in der Hosentasche hatte und das Chaos war perfekt. Dass Allofs schließlich auch noch in der Winterpause, in die wir als siebter mit einer 1:3 Niederlage geschickt wurden, mit Timm Klose den meiner Meinung nach zweitbesten unserer Innenverteidiger verkauft hat ohne einen Ersatz einzuplanen, setzt dem ganzen nur noch die Krone auf.

Klaus Allofs wirkt planlos und hat kaum noch Standing bei den eigenen Fans.(Foto: Alexander Scheuber / Bongarts / Getty Images)
Klaus Allofs wirkt planlos und hat kaum noch Standing bei den eigenen Fans.
(Foto: Alexander Scheuber / Bongarts / Getty Images)

In diesem Sommer schien es doch aber besser zu laufen, was die Kaderplanung angeht.

Die Transferperiode 2016 sieht auf dem Papier zwar schon besser aus, aber unsere Spielweise und Platzierung sagt anderes. Und dass ein Spieler wie Naldo, der so am VfL hängt und noch heute betont wie gerne er in Wolfsburg geblieben wäre, zu Schalke wechselt ohne es Allofs vorher mitzuteilen, sagt ziemlich viel über seinen Ruf innerhalb der Mannschaft.

Das schlimmste in dieser Saison sind allerdings seine Aussagen in den Interviews nach den Spielen. Und davon dass er nach einem(!) positiven Spiel sofort Ismael zum Cheftrainer macht und die anstrengende Trainersuche vorerst beendet, möchte ich gar nicht erst anfangen.

Nur kann er für die Spielweise ja recht wenig. Wie viel Mitschuld trägt auch Dieter Hecking am Misserfolg der jüngsten Zeit?

Vor ein paar Wochen hätte ich mindestens 80% der Schuld Hecking zugewiesen. Nach seiner “Wir müssen unsere Spielphilosophie finden”-Aussage ist er in meinem Ansehen ziemlich gesunken. Aber dass es jetzt mit dem neuen Trainer exakt derselbe Mist ist, lässt mich natürlich schon grübeln. Ich halte Ismael natürlich nicht für einen taktisch großartigen Trainer, aber zumindest diese Anfangs-Euphorie-Siege hätte ich ihm zugetraut.

Falls man den neuen Trainer überhaupt schon bewerten kann: Ist er nur eine Notlösung und wünschst Du dir einen anderen?

Ja, er ist eine Notlösung. Dafür muss man nur Allofs Ansprüche (Topverein) gegen seine Trainerkarriere (die ungefähr keine Erfolge enthält) aufwiegen. Ich sehe von der Spielweise leider überhaupt keinen Unterschied zu Dieter Hecking. Diese mentale Einschränkung, von der ich gehofft hatte dass Ismael sie eindämmen kann, ist immer noch dieselbe. Also ja, ich wünsche mir einen anderen Trainer. Einen mit Erfahrung, großem Wissen und auch Lust auf die Monsteraufgabe diese Trümmertruppe wieder in die richtige Bahn zu lenken.

Was muss sich kurz-, mittel- und langfristig im Verein verändern, damit die erfolgreiche Zeit zurückkehrt?

Ob sich kurzfristig etwas ändern kann, damit der VfL wieder erfolgreich wird, bin ich mir nicht sicher. Langfristig sollte der Verein sich nicht Bayern München als Vorbild nehmen sondern Leverkusen (dass ich das nochmal sage…) oder momentan auch Hoffenheim. Für den Erfolg benötigt man Spieler, die auch Lust haben da zu sein. Junge Spieler, die sich beweisen müssen und nicht Alte, die nochmal ein bisschen Geld verdienen wollen (Mario Gomez, Dante…). Außerdem braucht es einen Sportdirektor, der professionell seine Arbeit erledigt. Diese ist übrigens nicht “mit den Medien reden”. Und einen Trainer, der es sowohl sportlich als auch mental schafft die Mannschaft zu erreichen.

Ich traue mich kaum zu fragen, aber hat diese Mannschaft besondere Stärken?

Unsere Spielweise ist so schlecht, dass die Zuschauer vor Langeweile einschlafen und der Münchner Heimvorteil wegfällt. Nein, mir fällt keine besondere Stärke ein, die wir haben und andere nicht.

Wie erwartest Du den VfL gegen den FC Bayern und gibt es etwas, das dir Hoffnung macht?

In den ersten 5 Minuten stark und selbstbewusst, dann mit der Erkenntnis, dass man in München spielt, der mentale Einbruch und ein geparkter Bus, den ein FC Bayern sehr gut umrunden kann. Hoffnung würde mir machen, dass in diesen ersten 5 Minuten Caligiuri wieder trifft und dieses Mal nach 45 Minuten beim Stand von 0:1 abgepfiffen wird.

Sonst kommt Lewandowski wieder und… Naja, lassen wir das lieber. Wie geht das Spiel aus?

0:3.

Wenn Du einen Spieler vom Rekordmeister nach Wolfsburg transferieren dürftest: Wer wäre es und wieso?

Robert Lewandowski, weil er einer wenn nicht der beste Stürmer der Welt ist und wir jemanden gebrauchen könnten, der einen Ball zum Mitspieler passen und auch ins Tor schießen kann.

Im Interview kam bereits durch, wie katastrophal die Lage beim VfL Wolfsburg ist. Den Ansprüchen eines Top-Klubs können sie aus genannten Gründen nicht konstant entsprechen. Auch deshalb wirkt eine Reise nach München eigentlich aussichtslos.

Während Antonia sich vor allem mit den größten Problemen neben dem Platz beschäftigt hat, versuchen wir an dieser Stelle die sportlichen Baustellen der Wölfe zu fokussieren. Und da gibt es einige.

Die beiden Teams im direkten Vergleich.(Grafik: Lukas)
Die beiden Teams im direkten Vergleich.
(Grafik: Lukas)

Gegnervorschau

Unter Hecking wich das Team zu Beginn nicht von seinem 4-4-2 ab, verteidigte jedoch mit viel größeren Lücken als in den Jahren zuvor. Seit De Bruynes Wechsel wurde immer deutlicher, dass es eher die Klasse des Belgiers war, die den VfL erfolgreich machte, als die Ideen des Trainers. Auch der Abgang von Ivan Perisic konnte nie richtig kompensiert werden.

Zwar kam mit Draxler ein Spieler, der theoretisch die Klasse hätte, um das Spiel an sich zu reißen, doch hat er das nie konstant getan und seine Qualitäten nur in Einzelfällen aufblitzen lassen.

Das größte Problem im Hecking-System waren eigentlich die Lösungen in Ballbesitz. Wolfsburg verteidigte ordentlich und hatte aufgrund der hohen individuellen Qualität, aber auch wegen einer passablen Struktur im Aufbau, häufig den Ball.

Im letzten Drittel wich man oft auf die Flügel aus und kam so eigentlich ausschließlich über Flanken zum Erfolg. Die Abhängigkeit von einem wuchtigen, kopfballstarken Angreifer nahm zu. Das reichte dann manchmal, aber nicht mehr so häufig wie in den Jahren mit Perisic und de Bruyne.

Überdies kam jedoch auch eine Schwäche in der Defensive hinzu, die vor allem dadurch verursacht wurde, dass das Herzstück (Naldo) verkauft wurde. Doch die fast schon chronische Formschwäche von Rodriguez sowie ein Luiz Gustavo, der schon lange nicht mehr den Sechser-Raum gegen den Ball dominieren kann, wie er es vor einigen Monaten noch tat, spielen eine große Rolle.

Ismael erkannte dies und stellte auf ein 5-2-3 gegen den Ball um. Im Ansatz keine schlechte Idee, die Abstände zwischen den Linien und in den Mannschaftsteilen sind jedoch zu groß. Hinzu kommt dann noch die angesprochene mentale Schwäche sowie eine Formlosigkeit von Spielern, die zufälligerweise bereits mehrfach mit anderen Vereinen in Verbindung gebracht wurden oder einen Wechselwunsch äußerten.

Die Wölfe treten nicht geschlossen auf, haben Probleme damit das Spielgerät gefährlich in das letzte Drittel zu bekommen und spielen die meisten langen Bälle der Liga (79,6 pro Spiel). Didavi und Draxler, die prädestiniert dafür sind, eine variable und druckvolle Offensive zu lenken, sind entweder immer wieder mal verletzt oder schlicht nicht in Form.

Der VfL tut sich mit Ballbesitz schwer und kommt so zu wenig guten Chancen.(Grafik: Lukas)
Der VfL tut sich mit Ballbesitz schwer und kommt so zu wenig guten Chancen.
(Grafik: Lukas)

Egal wie lange man sucht, man wird keinen Grund finden, wieso dieser VfL Wolfsburg in München nicht unter die Räder geraten sollte. Theoretisch wäre mit dieser Mannschaft alles möglich, praktisch eher nicht.

Schafft es der VfL irgendwie, endlich Mario Gomez ins Spiel einzubinden, die katastrophalen individuellen Fehler abzustellen und Druck in der Vorwärtsverteidigung aufzubauen, ist vielleicht … kommen wir lieber zu den Bayern.

Die haben zuletzt nämlich wieder angefangen schönen Kombinationsfußball zu spielen. Ancelotti veränderte Kleinigkeiten und ließ zunächst Müller, im letzten Spiel dann Thiago bewusst das Zentrum hinter Lewandowski bearbeiten. Beide Male entstand eine Passmap, die mit dem sonst so gefürchteten U absolut nichts zu tun hatte. Beispielhaft dafür ist die vom Dienstagabend.

Ancelotti scheint also nun endgültig verstanden zu haben, dass auch Robert Lewandowski deutlich besser funktioniert, wenn um ihn herum ein weiterer Spieler arbeitet. Sein 4-3-3, auf dessen Bezeichnung er weiterhin besteht, wandelt sich so eher zu einem 4-2-3-1. Bayern kombiniert sich so häufiger durch die Halbräume, ist weniger abhängig von Flanken (nur 13 in Mainz) und hat eine deutlich bessere Ballzirkulation.

Für das Wolfsburg-Spiel lässt sich deshalb nur eine Aufgabe formulieren: Der Zehner-Raum muss wieder so gut besetzt werden, der Ball weiter so laufen und dann darf gegen diesen VfL nichts anbrennen. Aber in einem Punkt hat Allofs, der hier sehr viel berechtigte Kritik erhalten hat, auch recht: „Für uns spricht am ehesten, dass alles gegen uns spricht.“

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Die Bayern schießen mindestens drei Tore.
  2. Müller erzielt mindestens einen Treffer.
  3. Wolfsburg wird nicht treffen.
  4. In der ersten halben Stunde fällt ein Tor.
  5. Es wird einen Elfmeter geben.

Der positive Trend meiner Thesen hat sich bestätigt. Nach drei richtigen aus der Mainz-Vorschau stehe ich nun bei 46/90.