Vorschau: Borussia Dortmund – FC Bayern München

Justin Trenner 03.03.2016

Im Vorfeld haben wir wieder die wichtigsten Statistiken gesammelt, den Gegner analysiert und fünf Thesen zum Spiel aufgestellt. Starten wollen wir mit einem Interview. Unser Gast ist Luca (@luc_bvb) vom Yellowwallpod.

Hallo Luca, erzähl uns zu Beginn etwas über dich und deinen Verein. Wie wurdest du Fan von Borussia Dortmund und was fasziniert dich bis heute am BVB?

Fan von Borussia Dortmund zu werden, war mehr oder weniger eine bewusste Entscheidung. So bewusst sie denn mit acht Jahren sein kann. Zu dieser Zeit (2001) fing ich an mich mehr und mehr für den Fußball zu interessieren und ein gewisser Tomáš Rosický spielte für die Borussia. Seinem Zauber konnte ich mich nicht lange entziehen und wenig später übertrug sich dieses Gefühl auf die gesamte Mannschaft.

Am BVB fasziniert mich seit Jürgen Klopp und nun auch unter Thomas Tuchel hauptsächlich der vorgetragene Fußball. Was mich in den fußballerisch eher weniger ansprechenden Jahren beim BVB gehalten hat? Hauptsächlich das beeindruckende Stadion samt der Fans und wohl auch eine gewisse Sturheit bei der ursprünglichen Entscheidung bleiben zu wollen.

Heutzutage ist die Bewunderung für das Westfalenstadion nicht weniger groß, allerdings trat die Bewunderung für die Fans etwas in den Hintergrund, da ich meine, dort eine gewisse Sattheit wahrnehmen zu können. Im Vordergrund steht für mich nun eindeutig der Fußball.

Die Saison könnte ja für euch kaum besser laufen. Hast du vor der Saison mit einer derartigen Leistung gerechnet? Frustriert es dich, dass der FC Bayern noch einen Tick besser ist, oder bist du einfach zufrieden?

Nein, für mich war eine Leistungssteigerung in diesem Ausmaß, und besonders im Spiel mit dem Ball, nicht zu erwarten. Ich hielt viel von Tuchels Arbeit in Mainz und teilte auch nicht die Bedenken, dass Tuchel womöglich charakterlich nicht zu Dortmund passen würde. Hatte man allerdings gesehen, wie hilflos der BVB 2014/15 im Spiel mit dem Ball war, dann war diese Entwicklung so nicht zu erwarten. Die Freude über die Dortmunder Leistung steht definitiv im Vordergrund. Ich hatte vor der Saison auch nicht ansatzweise erwartet, dass man der erste „Verfolger“ der Bayern sein wird, geschweige denn einen „Zweikampf“ mit Bayern führen würde. Natürlich ist es so, dass die Dortmunder Saison in vielen Jahren zu mehr als nur dem zweiten Platz gereicht hätte. Es ist ärgerlich, dass dem nicht so ist, aber man hat dennoch seinen Anteil daran. Gegen Bayern hoch verloren und ein bis zwei unnötige Unentschieden und Niederlagen – das reicht gegen diesen FC Bayern schon.

Frustrierend ist die Übermacht der Bayern zwar durchaus, auch für die Lage der Liga, aber ich bin mir wohl bewusst, wie viele gute Entscheidungen dafür getroffen werden mussten. Für mich macht es das leichter zu akzeptieren und zu respektieren, trotz aller finanziellen Übermacht.

Thomas Tuchel steht für Ballbesitzfußball. Unter Jürgen Klopp hat der BVB nicht nur das Umschaltspiel praktiziert, sondern auch Maßstäbe in Deutschland gesetzt. Welcher Stil gefällt dir persönlich besser und warum?

Ich würde da gar nicht so eine strikte Trennung vornehmen. Es ist wahr, dass Tuchel den Dortmundern einen klaren Plan im Ballbesitz vermittelt hat, allerdings ist er bei Bedarf auch sehr pragmatisch und willens die Mehrheit der Ballkontrolle dem Gegner zu überlassen. Der Weg zu kontrollierterem Ballbesitzspiel und weg von Klopp’schem „Vollgasfußball“ ist natürlich trotzdem klar ersichtlich.

Ich finde es schwer, einen der beiden Stile zu wählen. Ich mag sowohl guten Umschaltfußball, als auch guten Ballbesitzfußball. Nur gut sollte er sein. Ich versuche trotzdem mal die Frage bestmöglich zu beantworten. Die absoluten Höhen gab es unter Klopp und seiner Idee von Fußball. Beispielsweise das 5-2 gegen Bayern, 4-1 gegen Madrid oder das 2-0 gegen Madrid mit Manuel Friedrich, Milos Jojic und Oliver Kirch. Diese Spiele sind von Tuchel (noch?) unerreicht, dafür ist seine Spielidee allerdings passender für die jetzige Bundesliga. In dieser so von Pressing und Umschaltspiel besessenen Liga hilft es einen klaren Plan im Ballbesitz zu haben. Man könnte zusammenfassend sagen, dass mir der Fußball unter Tuchel durchschnittlich besser gefällt, aber die Klopp’schen Spitzen noch unerreicht sind.

Tuchels Spielstil ist dem von Guardiola sehr ähnlich. Wo siehst du Unterschiede zwischen den beiden Philosophien?

Schwierig. Vielleicht ist Tuchel pragmatischer und eher bereit die Kontrolle über Ballbesitz abzugeben, allerdings hat auch Guardiola selbiges schon praktiziert – sogar gegen Dortmund. Außerdem wirkt es durchaus so, als hätte sich Guardiola teilweise den „deutschen Tugenden“ angepasst. Der Unterschied ist hier womöglich kleiner als man denkt. Es ist durchaus naheliegend, dass Tuchel sich in einigen Aspekten von Guardiola hat inspirieren lassen. Die Unterschiede scheinen marginal und auch vom Spielermaterial abhängig. So präferiert Tuchel Außenverteidiger die dem Spiel Breite geben und inverse Flügelspieler und bei Guardiolas Bayern sieht es eher andersherum aus. Guardiolas größten Vorsprung gegenüber Tuchel sehe ich in den Anpassungen während des Spiels. Allerdings dürfte das keine Frage der Philosophie sondern schlicht Qualität und womöglich auch Erfahrung sein.

Wahrscheinlich ist die Defensive die größte Schwachstelle des BVB. Tuchel hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Guardiola in seinen ersten beiden Jahren bei den Bayern. Liegt die manchmal mangelhafte Konterabsicherung an der individuellen Qualität, oder siehst du Mannschaftstaktische Probleme?

Für die Hinrunde war das eindeutig zutreffend, in der Rückrunde sieht es allerdings etwas anders aus. In sieben von zehn Spielen blieb man gar ohne Gegentor. Dafür hakt es neuerdings etwas in der Offensive. Der Grund für diese Entwicklung ist gleichzeitig ein Teil der Antwort auf deine Frage: Tuchel hat etwas am System gebastelt. Das größte Problem in der Hinrunde war, dass beide Außenverteidiger außerordentlich hoch und breit aufrückten und bei Ballverlust so enorm große Räume auf den Flügeln entstanden. Schon im Laufe der Hinrunde positionierten sich beide Außenverteidiger immer tiefer, aber nun gibt es immer wieder eine neue Lösung zu sehen. In Ballbesitz bleibt der Rechtsverteidiger (Piszczek) recht tief stehen und formiert mit den Innenverteidigern eine Dreierkette. Der linke Innenverteidiger (meist Hummels) schiebt hierbei weit auf die linke Seite heraus. Durch diese Maßnahme hat die Konteranfälligkeit über die Flügel abgenommen, allerdings sind die Abstände im Offensivspiel nicht mehr so sauber und die Flügelspieler leichter zu isolieren. Besonders der nicht übermäßig pressingresistente Piszczek hat darunter zu leiden und wurde speziell von Hoffenheim stark „bloßgestellt“.

Es dürfte also so sein, dass die Hauptgründe für die defensive Anfälligkeit taktisch begründet waren. Wobei natürlich auch die schlechte Form von Hummels keine Hilfe war. Diese Probleme scheinen nun der Vergangenheit anzugehören, leider auf Kosten der offensiven Feuerkraft, die insbesondere auch über die Außenverteidiger ausgespielt wurde.

Das Hinspiel ging ziemlich deutlich an den FC Bayern. Wie groß und vor allem in welchen Bereichen siehst du den Abstand beider Teams auf rein sportlicher Ebene und bist du guter Dinge, dass man diesen in naher Zukunft weiter verkürzen kann?

Ausgehend von beiden Mannschaften in Topform und einem unverletzten Kader, sehe ich die Bayern mit der ersten Elf knapp vorne und was die Kaderbreite angeht etwas deutlicher. Die fünf Punkte Abstand entsprechen da in etwa meiner Einschätzung. Ein Problem bei dem „Kampf“ gegen die Bayern ist, dass dort nicht nur der beste Kader versammelt ist, sondern dass sie auch noch mit dem besten Trainer arbeiten. Somit ist es schwierig, da in irgendeiner Kategorie etwas rauszuholen. Es bleibt die Hoffnung, dass sich unter Ancelotti vielleicht ein kleines Fenster öffnet, allerdings wirkt der Qualitätsverlust von Guardiola zu Ancelotti so gering wie möglich. Viel hängt in Dortmund von der Zukunft einiger Spieler ab.

Pierre-Emerick Aubameyang beim Spiel gegen Hertha BSC. (Bild: ODD ANDERSEN / AFP / Getty Images)

Du sprichst es selbst schon an. Aubameyang, Hummels, Mkhitaryan und Gündogan sind derzeit die vier wichtigsten Spieler beim BVB. Würdest du mir da zustimmen? Beschreib doch bitte kurz was diese vier Spieler jeweils so besonders macht und wie zuversichtlich bist du, dass sie auch nächste Saison beim BVB spielen?

Ich würde da wohl zustimmen, wobei ich die Rangfolge genau umdrehen würde. Auf eine ähnliche Stufe würde ich außerdem auch Schmelzer stellen, der im Hinspiel leider verletzt fehlte.

Aubameyang zeichnen eine unglaubliche Athletik und kluge Laufwege aus und seit er den Lupfer für sich entdeckt hat, steigt auch seine Effizienz vor dem Tor. Er ist kein so kompletter Stürmer wie es ein Lewandowski für Dortmund war, aber seine großen Stärken machen ihn sehr schwer zu verteidigen. Er hat einen Vertrag bis 2020 und wird mit großer Sicherheit weiter für Dortmund spielen.

Hummels ist zur Rückrunde endlich wieder in Form und gibt der Mannschaft sehr viel Stabilität. Offensiv wie defensiv. Defensiv zeichnet ihn ein sehr risikoreiches Spiel aus, was durchaus auch mal auf ihn zurückfällt, wenn er nicht in Form ist. Momentan ist es allerdings ein Vergnügen ihm dabei zuzusehen wie er Ball für Ball früh abfängt und sofort die Folgeaktion nach vorn sucht. Er ist Dortmunds erster Aufbauspieler und einer der kreativsten Innenverteidiger überhaupt. Hummels’ Vertrag läuft 2017 aus. Sollte er nicht verlängern, steht wohl ein Verkauf ins Haus. Hummels steht vor einer Grundsatzentscheidung: Karriereende in Dortmund oder noch eine Auslandserfahrung. Er würde gerne noch acht Jahre in Dortmund spielen, aber auch noch vier Jahre im Ausland, sagte er kürzlich. Eine Entscheidung sollte bald fallen und ich habe ein gutes Gefühl bezüglich einer Vertragsverlängerung.

Meiner Meinung nach der zweitwichtigste Spieler der Mannschaft ist Mkhitaryan. Der Armene verbindet Athletik, Spielverständnis und Technik wie nur sehr wenige Spieler. Er versteht es immer wieder Verbindungen auf dem Platz zu schaffen und seine diagonalen Läufe mit Ball sind kaum zu stoppen. Mkhitaryan äußerte sich zuletzt recht offensiv zum Thema Vertragsverlängerung. Er hoffe Tuchel könne ihn von einem Verbleib überzeugen und man sei in vertrauensvollen Gesprächen. Hier deutet vieles auf eine Vertragsverlängerung und langfristigen Verbleib hin.

Zu guter Letzt Gündogan, der wohl wichtigste Spieler im Dortmunder Kader. Gündogan verbindet grandiose Qualität auf engen Räumen, mit guten defensiven Instinkten und herausragenden strategischen Fähigkeiten. Spieler wie ihn kann man wohl an einer Hand abzählen und das halte ich für eine großzügige Schätzung. Bei Gündogan stehen die Chancen für eine Vertragsverlängerung wohl am schlechtesten. Da der Vertrag in 2017 ausläuft, wird man ihn wohl oder übel im Sommer ziehen lassen müssen. Eine Vertragsverlängerung wäre eine Überraschung.

Gerade Mkhitaryan hat einen großen Sprung unter Tuchel gemacht. Liegt ihm das Ballbesitzspiel einfach mehr, als das Umschaltspiel von Klopp? Wo siehst du die Gründe?

Ich sehe Mkhitaryans Sprung hauptsächlich in den Scorerwerten. Spielerisch war er auch schon unter Klopp ähnlich stark, bis auf eine Schwächeperiode in der letzten Saison. Zum Ende der letzten Saison (ab dem DFB-Pokal Halbfinale) wurde Mkhitaryan schon unter Klopp immer stärker und stärker. Unter Tuchel muss er nun nicht mehr so viele Aufgaben erledigen und kann sich mehr auf seine Stärken im letzten Drittel konzentrieren, während er, als es unter Klopp nicht lief, teilweise versuchte Abwehr und Mittelfeld, sowie Mittelfeld und Sturm zu verbinden und abschließend noch das Tor selbst zu erzielen. Damit und mit dem nun höheren Selbstvertrauen ist diese Entwicklung wohl hauptsächlich zu erklären.

Wie geht das Spiel aus und wo siehst du die großen Chancen für den BVB? Können die Dortmunder am Ende der Saison einen, oder sogar mehrere Titel feiern? Wo siehst du deine Mannschaft am Ende der Saison in den einzelnen Wettbewerben?

Der BVB hat nach der überraschenden Niederlage der Münchner gegen Mainz und dem eigenen Sieg in Darmstadt nun natürlich Rückenwind und es wird vermutlich seit langem mal wieder eine elektrisierende Stimmung im Westfalenstadion herrschen. Ein Spitzenspiel bei dem es wirklich um etwas geht. Unglaublich!

Im Hinspiel brachten Guardiolas Umstellungen und eine enorme Effektivität den Sieg für Bayern und sollte Bayern eine Leistung abrufen wie in den ersten 60 Minuten gegen Juventus, dann wird es für Dortmund sehr schwer. Ich sehe eine Chance darin, dass pünktlich zu dem Spiel wohl alle Leistungsträger zur Verfügung stehen werden und man mit Sahin einen weiteren ballsicheren Aufbauspieler dazu gewonnen hat. Sollte Dortmund es schaffen sich beständig aus dem Münchner Pressing zu befreien und Mkhitaryan und Co. in gefährlichen Räumen ins Spiel zu bringen, dann wird es selbst für Bayern schwierig. Allerdings fehlt mir für dieses Szenario ein wenig die Phantasie, deswegen tippe ich auf ein 2-1 für Bayern.

Die größte Titelchance besteht wohl in der Europa League, wo man nun gegen Mitfavorit Tottenham antritt. Sollte man diese Paarung gewinnen und bis dahin komplett klar sein, dass Bayern die Meisterschaft gewinnt, sehe ich dort gute Chancen auf den Titel. Ein wenig pessimistischer bin ich bezüglich eines Pokalsieges. Erstens tat man sich in den letzten Jahren in Berlin und gegen die Hertha enorm schwer und zweitens müsste man wohl auf dem Weg zum Pokal die Bayern schlagen. Ich prophezeie also höchstens einen Titel und der ist am ehesten die Europa League zu holen.

Auf der zweiten Seite folgen eine Vorschau, die wichtigsten Statistiken und fünf Thesen zum Spiel.