Vorschau: Besiktas Istanbul – FC Bayern München

Justin Trenner 12.03.2018

Es hätte aber alles anders laufen können. Zehn Minuten waren im Hinspiel gespielt und Miasanrot-Leser dürften den Eindruck bekommen haben, dass da genau der Gegner auf dem Platz stand, vor dem wir in unserer Vorschau warnten.

Besiktas war bissig, zweikampfstark und setzte durch Konter immer wieder kleine Nadelstiche. Doch dann kam wenige Minuten später der Platzverweis. Eine Unaufmerksamkeit und ein vollkommen unnötiges Tackling schmissen das komplette Konzept der Gäste über den Haufen.

Für die Münchner bedeutete dies, dass es nur Geduld brauchte. Die Hektik aus der Anfangsphase verschwand sukzessive und der fünfmalige Champions-League-Sieger kam immer besser in die Partie. Spätestens im zweiten Durchgang wussten die Bayern durch Willenskraft, Einstellung, aber auch durch spielerische Klasse zu überzeugen. Sie hörten nicht auf und erspielten sich so einen wichtigen Fünf-Tore-Vorsprung.

Was ist im Rückspiel noch zu erwarten?

Obwohl der Deckel drauf war, drückten die Bayern immer weiter auf das nächste Tor. Eine Einstellung, die es in der Bundesliga nicht braucht. Trotzdem ist Woche für Woche zu erkennen, dass das gesamte Team an einem Ziel arbeitet.

Auch im Rückspiel wird es diese besondere Mentalität wieder brauchen. Denn das Hinspiel-Ergebnis täuscht über vieles hinweg. Gerade zu Hause werden die Türken nochmal zeigen wollen, dass sie besser sind, als sie mit zehn Mann zeigen konnten.

Mit ihrem Publikum im Rücken und dem Wissen, dass es für ein Weiterkommen auf keinen Fall reichen wird, ist auch das Visier eventuell etwas offener als zu Beginn des Hinspiels. Besiktas wird vermutlich höher anlaufen und gerade in der Anfangsphase ein schnelles Tor erzwingen wollen.

Die Bayern hingegen können diese Partie als Test wahrnehmen. Eine Generalprobe für die nächsten Runden. Kann das Team sich aus gut organisiertem Druck befreien? Wie geht es mit hitzigen Spielphasen um? Gerade Auswärtsspiele in der Champions League bieten da einige Gelegenheiten, um den Status Quo der Mannschaft zu sehen.

Hamburg konnte hier nicht als Maßstab dienen. Selten hat ein Gast in der Arena so wenig Selbstvertrauen und so wenig Willen gezeigt, sich irgendwie aus der unangenehmen Situation zu befreien. Gegen Besiktas hingegen werden die Bayern wieder richtig gefordert.

Gerade was die Balance aus Offensive und Defensive betrifft, wird man in München einige Erkenntnisse gewinnen können. Diese Baustelle bleibt das größte taktische Thema beim Rekordmeister. Auch gegen schwache Hamburger kam es gelegentlich zu einfachen Ballverlusten, die den Gegner zum Kontern einluden. Ein gegen den HSV stark verbesserter Ribéry muss sich hier durchaus auch wieder angesprochen fühlen.

Seine Offensivaktionen wären deutlich mehr wert, wenn er nicht zwischendurch immer wieder leichte Fehler machen würde. Sechs Offensivduelle hat er verloren, vier gewonnen. Von den vieren gleich drei bei seinem sehenswerten Tor. Heynckes muss es schaffen, den Fokus im Spiel vom Franzosen wegzuhalten.

Im Idealfall kombinieren sich die Bayern im rechten Halbraum frei und suchen dann die Verlagerung auf Ribéry. Mit genügend Platz ist er immer noch bärenstark. Nicht mehr so gut ist der 34-Jährige hingegen, wenn er selbst auf die gut gestaffelte Kette des Gegners zulaufen muss. Dann kommt es immer häufiger zu Unachtsamkeiten oder schlecht abgesicherten Dribblings. In der Königsklasse können diese kleinen Dinge schon den K.O. bedeuten.

Wenn James in Istanbul wieder spielen kann, wäre das schon ein großer Vorteil. Der Kolumbianer zieht gewöhnlich nicht nur Gegenspieler auf sich, sondern entlastet auch mit eigenen Aktionen die Flügelspieler etwas. Das könnte Ribéry, sollte er denn auflaufen, sehr helfen.

Sonst ist aus taktischer Perspektive wieder Müller zu nennen. Man wird als Bayern-Fan nicht satt daran, seine herausragenden Läufe und seine ganze Präsenz lobend zu erwähnen. Er ist ein weiterer Schlüssel, um die gut gestaffelten Türken zu knacken. Kimmich, James, Lewandowski und alle anderen Spieler auf der rechten Spielfeldseite profitieren derzeit enorm vom Kapitän.

Doch die Frage ist auch, wen Heynckes am Mittwochabend überhaupt aufstellen möchte. Lewandowski und Kimmich drohen mit einer weiteren gelben Karte Sperren. Andere Spieler – wie eben James Rodríguez – brauchen zwar Spielpraxis, kamen aber auch erst aus einer Verletzung. Heynckes wird entweder stark rotieren und andere Spieler auf sehr hohem Niveau testen, oder er gibt seiner vermeintlichen Stammelf wichtige Minuten, um den Rhythmus weiter zu finden. Beide Varianten haben gute Argumente.

Selbstvertrauen holen und weiter geht’s!

Unabhängig von der Formation wird aber gerade die Anfangsphase in Istanbul sehr spannend. Gehen die Bayern sofort das Tempo mit und schaffen sie es, Besiktas einen Strich durch die Rechnung zu machen? Oder lassen sie die Partie ähnlich anlaufen wie im Hinspiel? Dann wird es sehr schwer für die Münchner.

Besiktas ist weiterhin eine sehr erfahrene und starke Mannschaft. Auch wenn das Ergebnis nicht mehr so wichtig ist, so können die Bayern sich wichtiges Selbstvertrauen holen. Ein Auswärtssieg wäre für den Kopf sicher gut. Aber auch die Art und Weise des Auftritts kann eine Signalwirkung haben. Nach innen und nach außen.

Die Zeit für Korrekturen läuft den Münchnern davon. Schon Anfang April beginnen die Hinspiele des Viertelfinals. Spätestens dann muss die Heynckes-Elf kreativer im offensiven Zentrum sein, weniger Bälle in sinnlosen Dribblings verlieren und geordneter im Gegenpressing agieren. Vor allem aber muss sie stärker, kompakter und sicherer sein, wenn sie bei Ballverlusten in die Defensive umschaltet. Istanbul könnte ein wichtiger Fingerzeig für diese Entwicklung sein.

Hinweis: Aufgrund der Zeitverschiebung findet das Spiel bereits um 18:00 Uhr deutscher Zeit statt.