Vorschau: FC Bayern München – PSV Eindhoven

Justin Trenner 17.10.2016

Die Niederländer sind der amtierende Meister in ihrem Land und haben in der jüngeren Vergangenheit auch in der Champions League unter Beweis gestellt, dass sie ein unangenehmer Gegner sein können. Dabei erwies sich die Mannschaft von Phillip Cocu als sehr flexibel. Sie kann ein Spiel sowohl mit Ball als auch gegen den Ball gestalten.

Gegnervorschau

Variabel, gut organisiert und ausgewogen

In der Eredivisie zählt Eindhoven zu den Teams, das ein Spiel selbst gestalten muss. Im Schnitt liegt der Ballbesitz bei knapp über 56%. Die Mannschaft nimmt diese Rolle gut an und ist national in der Lage mit guter Struktur und gutem Kurzpassspiel für Durchbrüche und Abschlüsse zu sorgen.

In einer 4-3-3-Grundausrichtung versuchen sie häufig ihre schnellen Außenspieler in Szene zu setzen oder direkte Verbindungen mit Zielspieler Luuk de Jong zu schaffen. Lange Bälle sind durch den robusten Stürmer auch immer mal wieder eine Option. Der ehemalige Gladbacher kann die Bälle gut festmachen oder auf einen schnellen Nebenmann weiterleiten. Das sorgt für einen schnellen Zugriff im gegnerischen Abwehrdrittel und eigene Entlastung. Darüber hinaus ist der Angreifer einer der besten Torschützen. In der Liga kommt er bereits auf drei Treffer und drei Vorlagen. Auch international konnte de Jong schon ein Tor erzielen und ein weiteres vorbereiten.

Ebenfalls gefährlich sind die technisch begabteren Spieler Davy Pröpper (2 Tore, 2 Assists in der Liga), Gastón Pareiro (3 Tore, 1 Assist) und Andrés Guardado. Letzterer kann auf mehreren Positionen zum Einsatz kommen. Der ehemalige Leverkusener agiert zwar häufig im Sechser- oder Achterraum, ist aber auch auf dem Flügel eine Option. Des Weiteren hat Eindhoven mit Luciano Narsingh und Jürgen Locadia zwei weitere talentierte Fußballer für die offensiven Positionen. Schnelligkeit, technische Fähigkeiten und ein gutes Raumverständnis zeichnet sie alle aus.

Neben den vielen Einzelspielern, die als Kollektiv gut funktionieren, sind sie aber auch nach Standards gefährlich. In der Liga erzielte die PSV schon sechs Treffer nach Standardsituationen. Aus dem Spiel heraus kommen noch 10 dazu. Dabei greift die Mannschaft aber keinesfalls über eine bevorzugte Zone an. 36% aller Angriffe laufen über die linke Seite, 33% über rechts und 31% über das Zentrum. Eine Präferenz wird nicht deutlich.

Der Qualitätsunterschied beider Teams lässt sich auch mit Statistiken unterstreichen.(Grafik: Lukas)
Der Qualitätsunterschied beider Teams lässt sich auch mit Statistiken unterstreichen.
(Grafik: Lukas)

Als das Team von Cocu vor zwei Jahren erstmals seit längerer Zeit wieder Meister wurde, spielten noch Akteure wie Depay, Wijnaldum und Maher dort. Neben der Kompaktheit zeichnete sich Eindhoven vor allem über eine clevere Struktur und die individuelle Klasse dieser Akteure aus. Durch die vielen Abgänge in der letzten Zeit hat sich der Fokus noch mehr auf das System verschoben. Funktioniert mannschaftstaktisch etwas nicht, können sie es nur schwer auffangen, da ein Ausnahmespieler fehlt.

Im 4-3-3 zeichnet die PSV aber vor allem das Zentrum aus. Guardado agiert in haltender Rolle etwas tiefer und versucht den Spielaufbau zu koordinieren. Der Mexikaner ist sehr souverän und abgeklärt in seinen Aktionen. Seine Zweikampfquote von 74% in der Champions League weiß zu überzeugen. Vor ihm besetzen meist Hendrix (wird ausfallen) und Pröpper die Halbräume. Hier hat Eindhoven in den letzten Jahren den größten Qualitätsverlust erlitten. Maher und Wijnaldum sind nur schwer zu ersetzen. Dennoch versuchen die Achter immer wieder in die offensiven Räume einzudringen und Überzahlsituationen zu kreieren. Speziell Pröpper löst das auf einem ordentlichen Niveau.

Grundsätzlich ist das 4-3-3 unter Cocu aber keinesfalls in Stein gemeißelt. Durch eine leichte Asymmetrie in der Positionierung der Außenverteidiger entsteht beispielsweise auch gern mal eine Dreierkette im Aufbau. Oft ist es Willems, der im ersten Drittel Unterstützung leistet. Außerdem spielte man in dieser Saison bereits im 4-4-2, 4-1-3-2 und 5-4-1. Eindhoven versteht es gegen viele Gegner Dreiecke zu bilden und sich so in Ballbesitz zu halten. Besonders interessant ist aber, dass die Spielminuten sehr ausgewogen verteilt sind. Der Trainer rotiert viel und kann es sich auch erlauben viel zu rotieren. Der Kader ist gut balanciert und es gibt nicht den einen Schlüsselspieler. Die PSV lebt von ihrer Organisation. Das macht die Vorbereitung für die Gegner umso schwerer.

PSV und Bayern sind in der Champions League zumindest in Sachen Zweikämpfe und Dribblings auf Augenhöhe.(Grafik: Lukas)
PSV und Bayern sind in der Champions League zumindest in Sachen Zweikämpfe und Dribblings auf Augenhöhe.
(Grafik: Lukas)

In der Champions League zählen die Niederländer zu den Teams mit den besten Zweikampfwerten. Gerade im 4-4-2-Mittelfeldpressing oder auch in einem 5-3-2 lassen sie sich nicht so leicht aus der Reserve locken. Doch auch ein offensiveres Pressing können sie an guten Tagen sehr kompakt gestalten. Charakterisiert wird das PSV-Pressing aber vor allem durch einige Mannorientierungen; speziell auf den Außenbahnen. Sie ziehen das Spiel gegen den Ball nicht so gnadenlos effektiv durch, wie es unter anderem Atlético macht, aber je nach Tagesform kann es für den Gegner schon mal unangenehm werden.

In der vergangenen Saison schaffte es der nächste Bayern-Gegner ins Achtelfinale. Nach zwei torlosen Partien musste im Vicente Calderón das Elfmeterschießen entscheiden. Ein bitteres Ausscheiden für die Niederländer, das aber die defensive Stabilität dieser Mannschaft unterstreichen dürfte.

Andere Spielweise auf hohem Niveau

Eindhoven würde in der Liga, aber auch in der Champions League, ganz woanders stehen, wenn sie ihre Fähigkeiten in jedem Spiel auf den Platz bringen könnten. Speziell auf höherem Niveau gelingt das aber nicht immer. Gegen Atlético Madrid war man in dieser Spielzeit mit permanentem Druck maximal überfordert. Die Spanier nutzten verschiedene Pressing-Formationen und kreierten viele verschiedene Fallen, aus denen sich die PSV nicht mehr befreien konnte.

Mit Gegnern, die das Tempo ständig variieren können, kam Cocus Elf zuletzt nicht klar. Wettbewerbsübergreifend hat Eindhoven in dieser Saison sechs Mal nicht gewonnen. Darunter beide Spiele in der Champions League, Feyenoord (Tabellenführer) und Heerenveen (3.). Wenn es also drauf ankam, konnte das Team all seine Qualitäten nicht zeigen. Der Unterschied zwischen den Statistiken in Liga und Champions League ist zudem enorm.

Gerade bei Eindhoven ist ein großer Unterschied zwischen Liga und Champions League zu beobachten.(Grafik: Lukas)
Gerade bei Eindhoven ist ein großer Unterschied zwischen Liga und Champions League zu beobachten.
(Grafik: Lukas)

Die sonst so stabile Organisation funktioniert dann nur über Phasen eines Spiels. Cocu sieht sich deshalb auch häufig gezwungen seine Ausrichtung zu verändern. In beiden Champions-League-Auftritten setzte er auf ein 5-3-2, das in Ballbesitz zu einem 3-5-2 wurde. Er opferte dafür die offensive Durchschlagskraft über die schnellen Flügelspieler und fokussierte noch mehr lange Bälle. Im Schnitt sind es in der Königsklasse zehn mehr als in der Liga. Luuk de Jong spielt deshalb im internationalen Wettbewerb eine noch größere Rolle für die PSV. Doch auch gegen den Ball verändert sich mit der Grundausrichtung einiges.

Vor allem die Mannorientierungen und das Zentrum sind ein großes Problem, wenn Eindhoven sein Glück mit einer Viererkette versucht. Gegen Atlético ließen sich die äußeren Mittelfeldspieler immer wieder in die letzte Linie ziehen und öffneten so Räume zwischen den Linien. Die Simeone-Elf bekam über hohen Druck schnell die Kontrolle in der Zentrale und konnte so immer wieder lange Bälle oder Ballverluste provozieren. Cocu reagierte bereits nach 20 Minuten und stellte auf ein 5-4-1 um. Damit nahm er dem Team zwar offensive Entlastung, aber die Defensive wurde etwas stabilisiert.

Man merkt in solchen Duellen trotzdem, dass die Liga in den Niederlanden ein zu geringes Niveau hat. Dort wird Eindhoven nicht so gefordert, wenngleich sie auch nicht mit Leichtigkeit durch den Alltag spazieren. Dennoch ist die grundlegende Qualität für mehr vorhanden. Mit noch mehr Konkurrenz (gerade im mittleren und unteren Drittel der Eredivisie) würde vielleicht in der Hinsicht auch eine Weiterentwicklung stattfinden. Die PSV hat zudem mit einem Durchschnittsalter von 24,1 Jahren den zweitjüngsten Kader der Champions League. Die fehlende Erfahrung ist also wahrscheinlich auch ein Grund für die schwankenden Leistungen.

So könnte Eindhoven spielen

Es ist zu erwarten, dass die Niederländer in München auf eine 5-3-2-Grundordnung setzen werden. Auf ballnaher Seite wird man dann versuchen die Flügelspieler des FC Bayern zu isolieren. Eine in dieser Saison bewährte Methode gegen den deutschen Rekordmeister. Die Dreierreihe im Mittelfeld wird vermutlich sehr kompakt verschieben, um die Achter der Münchner im Halbraum zuzustellen. Die Fünferkette gibt dem System die Breite, um bei Seitenverlagerungen abzusichern und das Zentrum muss einiges an Laufarbeit verrichten, um in Ballnähe die Kompaktheit zu wahren. Auch die Flügelverteidiger werden hier eine wichtige Rolle spielen.

Nachdem Luuk de Jong und sein Sturmpartner (wahrscheinlich Narsingh) den Aufbau der Bayern auf die Außenbahn gelenkt haben, müssen sie aus der Kette schieben und im richtigen Augenblick attackieren.

Der ballnahe Flügelverteidiger schiebt heraus und macht aus dem 5-3-2 ein situatives 4-4-2. Hier muss Bayern Anspielstationen kreieren.
Der ballnahe Flügelverteidiger schiebt heraus und macht aus dem 5-3-2 ein situatives 4-4-2. Hier muss Bayern Anspielstationen kreieren oder die Seite schnell verlagern.

Nach Ballgewinn ergeben sich natürlich Räume, die über die Schnelligkeit der Offensivkräfte genutzt werden sollen. Auch Eindhoven wird mitbekommen haben, dass Bayern zuletzt Schwierigkeiten hatte in den Halbräumen Zugriff zu bekommen. Frankfurt erspielte sich über diese Zone gleich mehrere große Chancen. Die Außenbahn war bei den Münchnern ebenfalls immer wieder anfällig. Alaba gewann lediglich 44% seiner Zweikämpfe in Frankfurt und auch über Lahms Seite brach die SGE immer wieder durch. Im Vergleich zu Samstag muss der FC Bayern alles anders machen. Will man am Mitwochabend siegen, muss man bei Ballverlusten schneller in die Zweikämpfe kommen, strukturierter anlaufen und aufmerksamer sein. Das oben visualisierte (mögliche) Pressing der Gäste muss entweder durch mehr Unterstützung im Mittelfeld oder über schnelle Seitenverlagerungen aufgelöst werden.

Letzteres gilt vor allem für das Spiel mit dem Ball. Das Mittelfeld spielte am Wochenende gleich mehrfach katastrophale Fehlpässe und das, obwohl das Pressing der Frankfurter nicht allzu aggressiv und hoch war. Der spielerische Rückschritt zur vergangenen Saison ist derzeit zu hoch. Am ehesten ist die negative Veränderung an den Fragezeichen zu sehen, die sich sehr oft über dem Kopf des ballführenden Bayern-Spielers bilden. In den letzten drei Jahren war es nur selten der Fall, dass der Rekordmeister keine Anspielstationen kreieren konnte. Es war, auch wenn es schlecht lief, immer ein Matchplan zu erkennen. Aktuell wirkt die Mannschaft kopf- und planlos. Ancelottis Struktur greift nicht und es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Der Italiener kündigte für Mittwoch Wechsel an, aber ob diese nur die personelle Besetzung betreffen oder auch das System, ließ er offen. Für die Bayern geht es jetzt in die vermutlich wichtigsten Wochen der Hinrunde.

In der Vergangenheit war man in der Lage, einzelne Formschwächen mannschaftstaktisch aufzufangen. Gegner wurden trotz schwächerer Einzelleistungen über die Taktik und den Matchplan Guardiolas besiegt. Auch während des Spiels wurde regelmäßig angepasst. Das alles bricht nun weg. Ancelottis Bayern ist, wie es auch vor Guardiola war, wieder mehr auf die individuelle Klasse der Spieler angewiesen. Kommen einige Spieler dann nicht an ihr Maximum, wird es noch schwerer zu gewinnen. Die Mannschaft steht ebenso in der Verantwortung wie der Trainer. Es ist zu einfach alles am Italiener festzumachen. Die Spieler müssen nun eine Reaktion zeigen und beweisen, dass jeder Einzelne es besser lösen kann, als in Frankfurt.

Die Bayern haben zu Hause noch nie gegen eine Mannschaft aus den Niederlanden verloren. Bleibt das auch gegen PSV Eindhoven so?

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele gegen PSV Eindhoven

  • PSV Eindhoven 2:1 FC Bayern München (Champions League, Vorrunde 1999/2000)
  • FC Bayern München 2:1 PSV Eindhoven (Champions League, Vorrunde 1999/2000)
  • PSV Eindhoven 0:1 FC Bayern München (Champions League, Viertelfinale 1989/90)
  • FC Bayern München 2:1 PSV Eindhoven (Champions League, Viertelfinale 1989/90)
  • FC Bayern München 0:0 PSV Eindhoven (Champions League, 1. Runde 1986/87)

Bilanz

  • 6 Spiele – 4 Bayern-Siege, 1 Unentschieden, 1 Niederlage
  • Das letzte Duell gewann Eindhoven.
  • 12 Tore, 8 für den FCB, 4 für die PSV
PSV-Trainer Cocu feierte national große Erfolge mit seiner Mannschaft. (Foto: Christof Koepsel / Getty Images)
PSV-Trainer Cocu feierte national große Erfolge mit seiner Mannschaft.
(Foto: Christof Koepsel / Getty Images)

Fun Facts

  • Bayern ist zu Hause in der Champions League seit über zwei Jahren ungeschlagen. 13 Siege in Folge gab es für die Münchner (CL-Rekord) und auch das Torverhältnis von 48:7 ist beeindruckend.
  • Letzte Saison war Eindhoven mit dem VfL Wolfsburg, ZSKA Moskau und Manchester United in einer Gruppe. Auswärts holten sie nur einen Punkt. Auch in Rostov reichte es diese Saison nur zu einem 2:2.
  • Den letzten Auswärtssieg in der Königsklasse gab es für die PSV beim ZSKA Moskau 2007 (0:1).
  • Gegen niederländische Klubs hat Bayern zu Hause noch nie verloren. Sieben Siege und zwei Unentschieden gab es bisher, eines davon allerdings gegen Eindhoven.
  • In Deutschland hat die PSV 13 von 18 Spielen verloren. Bei vier Unentschieden sprang nur ein einziger Sieg bei Eintracht Braunschweig im Jahr 1977 heraus.
  • Als Trainer des AC Milan schlug Carlo Ancelotti die PSV mit Cocu im Halbfinale der UEFA Champions League 2004/05. Cocu traf doppelt beim 3:1-Rückspielsieg der PSV. Milan kam aber weiter.
  • Cocu stand auch in der PSV-Mannschaft, die in der folgenden Saison Ancelottis Milan ein 0:0 in der Gruppenphase in San Siro am 19. Oktober abtrotzte. Die PSV gewann dann das Heimspiel mit 1:0.
  • In derselben Gruppe gab Rafinha sein Champions-League-Debüt für Schalke 04, als er mit 0:1 bei Eindhoven verlor.
  • Als Spieler des FC Barcelona unterlag Cocu in der Gruppenphase 1998/99 zweimal gegen die Bayern (0:1 auswärts, 1:2 zu Hause).
  • Von 2001 bis 2004 spielte Arjen Robben für die PSV. Zwei komplette Spielzeiten absolvierte er für die Profis. In 56 Ligaspielen kam er auf 17 Tore.
  • 2004 spielte Robben mit Cocu zusammen bei der Europameisterschaft. 2010 war letzterer Co-Trainer der niederländischen Nationalmannschaft. Sie erreichten gemeinsam das Finale bei der WM.
  • PSV ist seit 22 Pflichtspielen in der Fremde ungeschlagen (17 Siege, 5 Remis). Die letzte Niederlage gab es vergangene Saison beim VfL Wolfsburg.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Bayern schießt mindestens zwei Tore.
  2. Eindhoven wird nicht treffen.
  3. Thiago wird auf der Sechs beginnen. (Für Alonso)
  4. Arjen Robben wird an einem Tor direkt beteiligt sein.
  5. Bayern erzielt einen der Treffer nach einem Standard.

Zwei der Fünf Thesen aus der Frankfurt-Vorschau waren richtig. Insgesamt stehe ich damit bei 24/50.

Steffen wird sich am Spieltag etwa eine halbe Stunde vor Anpfiff mit einer kurzen Einschätzung Live über unsere Facebookseite zu Wort melden und Eure Fragen beantworten.