Vorschau: FC Bayern München – Borussia Mönchengladbach

Justin Trenner 20.10.2016

Vor dem Duell mit dem Angstgegner haben wir mit Christian Straßburger gesprochen. Er berichtet mit der Ruhe eines typischen Gladbach-Fans von den letzten Jahren und erzählt uns, weshalb Max Eberl der beste Manager der Liga ist.

(Grafik: Michael Böck)
(Grafik: Michael Böck)

Hallo Christian, stell dich zunächst bitte selbst vor. Wer bist Du? Was machst Du? Und warum ist Borussia Mönchengladbach dein Verein?

Servus Justin, ich bin Christian Straßburger, 27 Jahre alt und bin aktuell Leiter Medien und Kommunikation beim Regionalligisten Rot-Weiß Oberhausen. Außerdem bin ich hier Stadionsprecher und Reporter für das Vereins-TV/Vereins-Radio.

Borussia ist mein Verein, seit ich mit 11 Jahren nach Mönchengladbach gezogen bin und zum ersten Mal ein Spiel am Bökelberg geschaut habe. Es war abends, es war saukalt und es ging glaube ich gegen Hannover. Das Spiel haben wir gewonnen und ich habe einen Fußball gefangen, der in der Halbzeit in die Ränge geschossen wurde. Daraufhin habe ich noch einen Beach-Stuhl gewonnen, den ich dann im Shuttlebus nach hause fahren durfte. Legendär und seitdem Fan!

Das dürfte die verrückteste Story bisher sein. Kommen wir aber zum sportlichen: André Schubert ist jetzt seit über einem Jahr Trainer. Wie lautet deine Zwischenbilanz?

Man muss da zufrieden sein. Dieser Spruch – “Wer Bochum nicht mehr fühlt, weiß nicht, was Barcelona bedeutet” – ist einfach in den Köpfen der Borussen-Fans. Wir wissen wo wir herkommen. Wir sind abgestiegen, wir haben immer in den unteren Regionen gespielt, Trainerentlassungen waren an der Tagesordnung, das Präsidium war früher viel zu aktiv öffentlich usw.

Jetzt haben wir ein unglaublich starkes Konstrukt, eine homogene Mannschaft – da müsste man als Trainer schon sehr unqualifiziert sein, um damit keinen “Erfolg” zu haben – überspitzt gesagt. André Schubert macht das scheinbar gut, auch wenn er manchmal sehr stur wirkt. Wenn man den Vergleich zu Favre zieht, hat er natürlich Dinge wie die 3er-Kette eingeführt. Im Großen und Ganzen verwaltet er aber das hervorragend bestellte Feld souverän.

Gladbachs Kader wirkt unglaublich ausgewogen und auf alles vorbereitet. Stimmst Du dem zu? Wo gibt es vielleicht Verbesserungsbedarf?

Max Eberl ist ohne Zweifel der beste Manager der Liga. Weil er immer schneller ist und zwei Schritte im Voraus denkt, weil er mit glänzenden Bedingungen ködern kann und weil er ein überragendes Team um sich herum hat.

Rein von den Qualitäten der einzelnen Spieler ist es vermutlich der beste Kader der Gladbacher Neuzeit. Offensiv Bombenstark! Kramer macht einen guten Job, Elvedi ist einfach für sein Alter schon sehr weit, Christensen hat gezeigt, zu was er im Stande ist und Vestergaard braucht Spiele, Spiele, Spiele. Ich bin kein Freund der 3er-Kette und würde auch sagen, dass wir mit der klassischen 4er-Kette stärker wären. Aber das ist nur die Meinung eines einfachen Arbeiters.

Welche Gründe siehst Du für den holprigen Saisonstart?

Was bedeutet holprig? Es ist natürlich die traditionelle Auswärtsschwäche, die uns momentan auf Platz 9 stehen lässt. Wir haben Leverkusen geschlagen, in Leipzig gepunktet, haben 11 Punkte aus 7 Spielen – das sah auch schon mal schlechter aus. Ich glaube, dass Schubert einfach noch nicht “seine Elf” gefunden hat. Der Ausfall von Raffael tut sein übriges hinzu.

Gladbach wird auch in dieser Saison um die internationalen Plätze spielen und das zum x-ten Mal in Folge seit Bochum. Damit MUSS man zufrieden sein!

Du hast es bereits gesagt: Die Borussia ist jetzt schon länger oben dabei und verfolgt – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesligisten – ein klares Konzept. Welche kurz-, mittel-, und langfristigen Ziele verfolgt der Verein?

Es ist ersichtlich, dass Borussia Mönchengladbach über ein sehr starkes Konstrukt verfügt. Stück für Stück wurde dieses von den Mitarbeitern aller Abteilungen aufgebaut. Hierzu zählt der Nachwuchs, die Medienabteilung, Marketing und natürlich das sportliche.

Dieser Verein hat es verdient mal wieder etwas in die Luft zu heben und damit meine ich nicht den “Jacobs Krönung Hallenpokal Zwickau”. Am realistischsten ist da der DFB-Pokal, aber hier ist natürlich auch Glück bei der Auslosung gefragt. Die Heimspiele im Borussia-Park kann man in dem Wettbewerb an einer Hand abzählen. Einmal waren wir nah dran und scheiterten im Halbfinale gegen Bayern, weil Dante (der daraufhin zu Bayern wechselte) verschoss. Bis heute für mich unerklärlich warum man ihn überhaupt in diese Schwulitäten gebracht hat…aber man kann die Zeit nicht zurückdrehen.

André Schubert war auch in Glasgow erfolgreich.(Foto: Mark Runnacles / Getty Images)
André Schubert war auch in Glasgow erfolgreich.
(Foto: Mark Runnacles / Getty Images)

Bei der jüngeren Vergangenheit ist Gladbach ja fast schon Favorit am Wochenende. Wie erwartest Du die Fohlen?

(Lacht) Ja wir werden dieses Spiel gewohnt mutig und diszipliniert angehen. Manuel Neuer wird patzen und wir 1:0 gewinnen.

Wenn Du dir einen Spieler vom FC Bayern für den Kader der Borussia klauen dürftest: Wer wäre es und wieso?

Jérôme Boateng. Ein wunderbarer Verteidiger und Mensch. Alles selbst hart erarbeitet und immer bei 100%. Man kann sich auf Ihn verlassen. Für mich eindeutig der aktuell beste Bayern-Akteur.

Der FC Bayern hatte zuletzt viele Probleme mit der Spielweise der Gladbacher. Das veränderte eigene System könnte diese sogar noch verschlimmern.

Gegnervorschau

Schubert und der Wandel zur Dreierkette

Borussia Mönchengladbach war schon unter Lucien Favre ein äußerst unangenehmer Gegner. Der Ex-Trainer optimierte das 4-4-2-System der Fohlen und fand über Jahre einen Rhythmus, der für einen riesigen Erfolg sorgte. Gladbach war nicht nur zurück im internationalen Geschäft, sondern entwickelte eine Konstanz, die sie dauerhaft in die obere Hälfte der Liga katapultierte.

Nachdem Favre die Borussia erst vorm Abstieg bewahrte, erzielte er mit den Plätzen 4, 8 , 6 und 3 hervorragende Ergebnisse. Darauf folgte vergangene Saison eine schwierige Anfangsphase mit vielen Komplikationen und einem Trainerwechsel. André Schubert übernahm den Trainerstuhl.

Warum ich diese Geschichte noch mal anschneide? Weil es bemerkenswert ist, wie sehr sich Gladbach unter Schubert gewandelt hat. Die Ergebnisse sind zwar noch nicht endgültig mit Favre zu vergleichen, aber dass der 45-Jährige die Mannschaft nicht nur wiederbelebt, sondern taktisch auch flexibler gemacht hat, dürfte außer Frage stehen. Schubert veränderte sukzessive die 4-4-2-Grundausrichtung in eine variable Formation mit Dreierkette; meist ein 3-4-1-2. Darauf ist die Mannschaft aber nicht festgenagelt.

In Glasgow hat Schubert beispielsweise wieder mit Viererkette agieren lassen, um noch kompakter hinten zu stehen. Er behielt vor allem das vertikale Spiel seines Vorgängers in Ballbesitz bei, ergänzte es aber um etwas mehr Struktur. Die Gladbacher haben sich zu einem Team entwickelt, das auch in Ballbesitz gute Lösungen kreieren kann und stets bemüht ist, Dreiecke über das Feld zu spannen. Das war auch unter Favre größtenteils der Fall, hat sich mit Schubert aber nochmals verbessert. Das Spiel der Borussia ist sehr risikoreich. In der Liga spielen sie die zweitmeisten erfolgreichen Vorwärtspässe; fast so viele wie die Bayern und das obwohl sie rund 74 Pässe weniger pro Partie spielen.

Wenn man das Passspiel beider Teams anschaut, dürfte es am Wochenende sehr vertikal zur Sache gehen.(Grafik: Lukas)
Wenn man das Passspiel beider Teams anschaut, dürfte es am Wochenende sehr vertikal zur Sache gehen.
(Grafik: Lukas)

Bemerkenswert ist aber auch die Breite des Gladbach-Kaders. Speziell in der Offensive sind sie so gut besetzt, dass sie zwei nahezu gleichstarke Besetzungen aufbieten können. Auf den Flügeln hat Schubert mit Johnson, Hahn, Herrmann, Wendt und Traoré viele verschiedene Spielertypen. Mit Oscar Wendt, der gelernter Außenverteidiger ist, hat er im Mittelfeld die Option die Formation zu jeder Zeit flexibel zu gestalten. Je nach Positionierung kann er aus der Dreier- eine Viererkette machen oder aus einer Vierer- eine Fünferkette. Wendt fühlt sich unter Schubert sehr wohl und hat eine gute Balance auf der Flügelverteidiger-Position gefunden.

Alle genannten Spieler zeichnen eine gute Geschwindigkeit und das nötige Spielverständnis aus. Eine Idealbesetzung für die Bayern festzumachen ist schwierig. Spielen Johnson und Wendt, kann man von einem Mix aus Dreier- und Fünferkette und somit von einem 5-3-2 ausgehen. Eine offensivere Lösung wäre Traoré, der mit seinen Dribblings vermutlich der kreativste Flügelspieler im Kader ist.

Die gefährlichsten Spieler beider Teams in einer Grafik.(Grafik: Lukas)
Die gefährlichsten Spieler beider Teams in einer Grafik.
(Grafik: Lukas)

Stotternder Offensivmotor, Mannorientierungen gegen den Ball

Wichtig für die Außenspieler ist aber die Besetzung der Zentrale. Auch hier ist Gladbach mit Kramer, Dahoud und Stindl außerordentlich gut besetzt. Die Rollenverteilung ist sehr klar. Kramer ist eine Art Box-to-Box-Spieler, der hinten die wichtigsten Zweikämpfe führt, das Spiel aufbaut, aber auch mit dynamischen Offensivläufen Gefahr ausstrahlen kann. Der Weltmeister hat eine Passquote von 86%, gewinnt 53% seiner Zweikämpfe und ist pro Spiel rund 90 Mal am Ball.

Dahoud ist der Verbindungsspieler zwischen Defensive und Offensive. Nach Ballgewinnen ist er oft die wichtigste Anspielstation. Er positioniert sich gerne zwischen den Linien des Gegners, aber auch in engen Räumen, um sie zu überladen und Unterzahlsituationen aufzulösen. Der erst 20-Jährige hat ein riesiges Talent und zählt jetzt schon zu den wichtigsten Akteuren bei der Borussia. Spielt er nicht, fällt das sofort auf.

Lars Stindl ist für den Zehner-Raum verantwortlich. Der ehemalige Hannoveraner bereitet vor, lässt sich ins Mittelfeld fallen, kreiert Dreiecke und versucht die beiden Stürmer in Szene zu setzen. Es ist aber nicht gesagt, dass alle drei in genau dieser Konstellation zusammenspielen werden. Schubert hat viel Rotationspotential und könnte dieses auch gegen die Bayern nutzen.

In der letzten Linie befinden sich zumeist Raffael und Hazard. Beide sind technisch stark, schnell und normalerweise eiskalt vor dem Tor. Zusammen haben sie in der Liga fünf Tore erzielt. Die vielen ähnlichen Spielertypen in der Offensive machen es möglich, dass die Positionen häufig rotiert werden können. Die meisten Chancen der Schubert-Elf entstehen aus dem Halbraum, also genau dort, wo die Bayern zuletzt ihre Probleme hatten.

Im Moment scheint das Abschlussglück aber nicht auf Gladbachs Seite zu sein. Gegen Hamburg konnten sie aus 22 Schüssen (darunter 2 Elfmeter) keinen Treffer erzielen und auch bei der 0:4-Niederlage auf Schalke reichten 12 Abschlüsse nicht für ein Tor. Es ist noch fraglich wer am Samstag überhaupt spielen kann, denn mit Hazard, Raffael und Johnson fehlten gleich drei Offensivakteure gegen Celtic unter der Woche.

Die Gladbacher kreieren die meisten Möglichkeiten in den Halben oder im Zentrum.(Grafik: Lukas)
Die Gladbacher kreieren die meisten Möglichkeiten in den Halben oder im Zentrum.
(Grafik: Lukas)

Gegen den Ball ist das Gladbacher Spiel zwischen Genie und Wahnsinn. Die vielen Mannorientierungen, die Schubert seit Amtsantritt eingeführt hat, sorgen zwar für viele Zweikämpfe und einen schnellen Zugriff auf den Gegner, erzeugen aber auch Räume. So gab es immer wieder Spiele, in denen die Borussia richtig unter die Räder geriet. Dennoch hatten die Bayern genau damit zuletzt immer ihre Schwierigkeiten. In beiden Spielen gegen Schubert bekam das Team keine dauerhafte Kontrolle ins Spiel. Unter Ancelotti hat sich in den letzten Wochen der Eindruck verfestigt, dass die Münchner unter Druck ihre Probleme haben. Laut Kicker läuft die Ancelotti-Elf 4 km weniger pro Spiel als in der vergangenen Saison. Darüber hinaus stehen 9 Sprints weniger auf dem Konto der aktuellen Mannschaft. Das ist sicher keine große Sache, aber verwundert doch. Die Bayern müssten eigentlich mehr laufen, da sie weniger Ballbesitz haben. Auch die mangelhafte Struktur sorgt für weitere Wege zum Gegner und müsste so eigentlich mehr Kilometer produzieren. Es lohnt sich in jedem Fall, diese Statistik weiter zu beobachten.

Am Wochenende dürfen die Bayern sich im Mittelfeld nicht so die Dominanz nehmen lassen wie in Frankfurt. Ein probates Mittel können natürlich auch wieder die langen Bälle von Mats Hummels und Jérôme Boateng sein, aber vor allem sollte es der Anspruch des Rekordmeisters sein, gegen die Mannorientierungen der Fohlen spielerische Lösungen zu finden.

Gegen Eindhoven haben die Münchner es deutlich besser gelöst, aber auch dieses Spiel offenbarte große Schwierigkeiten gegen den Ball. Die Borussia wird den amtierenden Meister da deutlich konstanter und aktiver fordern. Die Ancelotti-Elf muss Lösungen vom ersten ins zweite Drittel kreieren und dann mit einer ähnlich guten Offensivrotation agieren, wie am Mittwochabend. Gerade Robben, Müller und Lewandowski, aber auch der aufrückende Kimmich, zeigten eine strukturierte Leistung und besetzten den Zehner-Raum in einigen Phasen viel konsequenter. Müller zeigte sich hier, wie erwartet, als Idealbesetzung. Die Eins-gegen-Eins-Duelle, die durch die Mannorientierungen der Gladbacher provoziert werden und die Frage danach, wie viele Überzahlsituationen der FC Bayern kreieren kann, werden das Spiel entscheiden.

Müller besetzte gegen Eindhoven häufig die von uns viel diskutierte Zehner-Position und machte sein vielleicht bestes Spiel.
Eine Szene aus dem Eindhoven-Spiel. Müller besetzte häufig die von uns viel diskutierte Zehner-Position und machte sein vielleicht bestes Spiel in dieser Saison. Er könnte die Lösung für viele Probleme sein.

Statistiken zum Spiel

Die letzten fünf Spiele gegen

Bilanz

  • 103 Pflichtspiele – 49 Bayern-Siege, 32 Unentschieden, 22 Niederlagen
  • 193 Bayern-Tore, 127 für Gladbach
  • Aktuelle Serie: Bayern ist seit 4 Spielen ohne Sieg gegen die Fohlen (2 Unentschieden, 2 Niederlagen).

Fun Facts

  • Seit dem 24.04.2010 haben die Bayern in der Liga nur vier Siege gegen Gladbach geholt. Neben vier Niederlagen gab es noch fünf Unentschieden. Ein Duell gab es darüber hinaus noch im Pokal. Der aktuelle Tabellenführer gewann dieses knapp im Elfmeterschießen.
  • Beide Teams haben ihre letzten beiden Bundesliga-Spiele nicht gewonnen. Die Borussia war unter Schubert noch nie drei Spiele in Serie ohne Sieg.
  • Die Münchner verspielten zuletzt zwei Mal in Folge eine Führung. Das gab es zuletzt im März 2010.
  • Da Schubert in der vergangenen Saison nicht gegen den Rekordmeister verlor, ist er noch ungeschlagen gegen die Bayern.
  • Thomas Müller ist erstmals in seiner Karriere nach sieben Spieltagen torlos. Sein letztes Bundesliga-Tor erzielte er aber gegen Gladbach.
  • Joshua Kimmich ist der torgefährlichste Mittelfeldspieler in dieser Bundesliga-Saison.
  • Bei allen fünf Siegen in der Liga stand Ribéry auf dem Platz. Zuletzt fehlte er zwei Mal und der FCB ließ Punkte liegen.
  • Auswärts gewann Mönchengladbach nur eins der jüngsten 14 Bundesliga-Spiele.

Fünf Thesen zum Spiel

  1. Bayern gewinnt gegen den Angstgegner. (Ich weiß nur noch nicht wie…)
  2. Gladbach schießt mindestens ein Tor.
  3. Ein Verteidiger wird treffen.
  4. Die Münchner werden maximal 60% Ballbesitz haben.
  5. Gladbach wird am Ende auf mindestens 10 Abschlüsse kommen.

Drei richtige Thesen aus der Eindhoven-Vorschau sind angesichts der letzten Spiele eine gute Bilanz. Insgesamt stehe ich damit bei 27/55.