Preview: Uli Hesse, „Creating a global Superclub“

Felix Trenner 03.10.2016

Uli, Bücher über den FC Bayern sind ja alles andere als eine Seltenheit. Wie kamst du auf die Idee, eine Chronik über den FCB zu verfassen?

Auf Deutsch sind solche Bücher ganz sicher nicht selten, das stimmt. Aber soweit ich weiß, gab es kein englischsprachiges Buch, das sich ausführlich mit dem FC Bayern beschäftigt. Und das ist schon ungewöhnlich, wenn man bedenkt, wie viele Fans der Klub inzwischen im Ausland hat. Deswegen kam mir in den ersten Monaten des Jahres 2013 die Idee, das mal anzubieten. Schließlich war der deutsche Fußball damals sehr angesagt, weil alle Welt wissen wollte, wie man ohne russische Oligarchen oder stinkreiche Scheichs zwei Teams in Champions-League-Finale bringt.
Jetzt die Pointe: Aus meiner Idee wurde nichts! Dafür habe ich Ende 2013 eine aktualisierte Neuausgabe von „Tor!“ herausgebracht. Einige Monate später, im Sommer 2014, schrieb mich dann aus heiterem Himmel ein Literaturagent an. Er sagte, ein englischer Verlag plane ein FCB-Buch, aber nun sei der Autor abgesprungen. Ob ich aushelfen könnte? Das schien mir wie ein Wink des Schicksals, also habe ich auf der Stelle zugesagt.

Was sind aus deiner Sicht die entscheidenden Elemente/Vorgänge oder Personen in der Geschichte des FC Bayern, die den Verein zu dem gemacht haben, was er heute ist?

Im Buch gehe ich natürlich auf die Gründung des Klubs ein und erwähne, dass schon zur Geburtsstunde des FC Bayern einige Dinge von Bedeutung waren, die sich wie ein roter Faden durch die nächsten 116 Jahre ziehen sollten. Zum Beispiel dass die meisten der Gründerväter kreative, gebildete, liberale Leute waren, die einen fast kosmopolitisch zu nennenden Hintergrund hatten. Gleichzeitig aber waren sie auch auf eine positive Art starrsinnig. Diese Mischung aus Fortschrittlichkeit und Dickköpfigkeit ist bis heute nicht verschwunden.
Auch die Bedeutung von Kurt Landauer wird natürlich gewürdigt und wir alles wissen, dass der FC Bayern ohne Uli Hoeneß ein anderer Klub wäre. Trotzdem liefen die entscheidenden Vorgänge ohne Zweifel in den späten 1950ern und frühen 1960ern ab. An einer Stelle im Buch sage ich, dass die 1950er in der Vereinsgeschichte aus naheliegenden Gründen unterrepräsentiert sind, obwohl man sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass das wichtigste Jahr in der Klubgeschichte 1958 war. Denn da passierten ein paar Dinge, ohne die es die Goldene Generation nicht gegeben hätte.

Gerade um die frühe Vereinsgeschichte gab es zuletzt Diskussionen. Was ist deine Perspektive auf die Geschehnisse beim FC Bayern vor und in der NS-Zeit?

Das ist vor allem deshalb ein fesselndes Thema, weil dem ganz großen Teil meiner Leser – also Bayern-Fans im Ausland – diese ganze Geschichte vermutlich unbekannt ist. Als ich „Tor!“ veröffentlicht habe, das war Anfang 2002, kamen sogar viele deutsche Fans auf mich zu und sagten, dass sie noch nie von Landauer gehört hätten.
Inzwischen ist das natürlich ganz anders, spätestens seit der Choreo von „Club Nr. 12“. Seither wird ständig neues Material zu der Thematik veröffentlich, aber als Nicht-Historiker finde ich, dass nichts davon ein wirklich radikal neues Licht auf die Sache wirft. Wie Christoph Biermann letztens ganz treffend im „11Freunde“ analysierte, ist dieser Historikerstreit „vor allem ein Streit von Historikern, die sich nicht ausstehen können“.

Der Moderne FC Bayern wandelt sich immer mehr zu einem international operierenden Konzern. Wie bewertest du diese Entwicklung, die von einigen als Entfremdung von den eigentlichen Wurzeln wahrgenommen wird?

Ich weiß natürlich, dass viele Fans den Eindruck haben, dass diese Entwicklung sich unter Guardiola radikal beschleunigt hat. Das spreche ich im Buch auch an, denn der Leser – so denke ich jedenfalls – kann den FC Bayern nicht verstehen, solange er nicht begreift, dass es bei diesem Klub wahnsinnig wichtig ist, die richtige Balance zwischen ehrlicher Bodenständigkeit und mit voller Überzeugung gelebtem Größenwahn zu finden. Sobald das ins Ungleichgewicht gerät, gibt es ein Problem.
Trotzdem finde ich – als jemand, der das aus professioneller Distanz betrachten kann –, dass die Bayern diesen Spagat noch immer besser hinbekommen als viele andere, vielleicht wegen ihrer großen Erfahrung damit. In Dortmund wird zum Beispiel im Moment genau dieselbe Diskussion geführt, dort ist die aktive Fanszene äußerst unzufrieden mit der Richtung, in die der Verein steuert.