15 Thesen zur Bayern-Saison 2015/2016

Steffen Trenner 12.08.2015

Nach einer für Bayern-Verhältnisse nahezu paradiesischen Vorbereitung mit vergleichsweise wenig Verletzungen sind die Erwartungen hoch. Vieles ist anders vor dieser Saison. Bastian Schweinsteiger fehlt. Genau wie Jürgen Klopp, der große Gegenspieler der vergangenen fünf Jahre. Der FC Bayern geht zudem mit einer ungeklärten Zukunft auf der Trainerposition in die neue Spielzeit, die dennoch historisches bereit halten soll. Was also ist von der kommenden Saison zu erwarten? Unsere 15 Thesen zur Bayern-Saison 2015/2016.

1. Der FC Bayern gewinnt die vierte Meisterschaft in Folge

Noch keinem Verein in der Geschichte der Bundesliga ist es gelungen, den Meistertitel vier Mal in Folge zu gewinnen. Die Münchner schafften es bereits vier Mal drei Meisterschaften in Folge zu feiern (72-74, 85-87, 99-01 und 13-15). Borussia Mönchengladbach immerhin einmal (75-77). Während die Fohlen 1978 nur auf Grund des schlechteren Torverhältnisses gegenüber Meister Köln am Viererpack scheiterten, war aus Bayern-Sicht nur die bisweilen unterschätzte, weil europäisch titellose 80er-Generation um Pfaff, Augenthaler, Matthäus und Wohlfarth wirklich nah dran am vierten Triumph in Folge. Vier Punkte fehlten 1988 auf Werder Bremen. Ansonsten folgte in der Vergangenheit nach drei Titeln eher ein deutlicher Leistungsabfall in der Liga, der 1975 sogar zu Platz 10 führte.

Gleiches ist in dieser Saison nicht unbedingt zu erwarten. Die Münchner haben Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt und den Konkurrenzdruck durch qualitativ hochwertige Neuverpflichtungen wie Costa, Vidal und Kimmich wieder vergrößert. Gang runterschalten gilt nicht – auch nicht nach drei so dominanten Jahren in Folge. Die vierte Meisterschaft wäre ein riesiger Erfolg, der nur sehr schwer zu erreichen ist. Es wäre nicht der nächste x-beliebige Rekord von denen die Münchner in den vergangenen drei Jahren so viele aufgestellt haben. Es wäre ein richtig großes, historisches Ding. Zumal wenn man an den Ausgangspunkt dieser Serie mit den Tiefschlägen der Saison 2011/2012 zurückdenkt. Die Verantwortlichen tun gut daran diese historische Chance zu einer Art Überschrift der Saison werden zu lassen. Wenn es gelingt, daraus erneut einen Spirit zu erzeugen, der das Team über eine lange Saison hin trägt, spricht auf Grund der Qualität der Mannschaft wenig gegen die vierte Meisterschaft in Folge.

2. Der größte Konkurrent heißt Dortmund

Vielleicht noch nie hat ein Verein in der Geschichte der Bundesliga so wenig aus den überragenden Qualitäten seines Kaders gemacht wie Borussia Dortmund in der Saison 2014/2015. Der Kader war besser und vor allem breiter, als in den Meisterjahren 2011 und 2012. Die fraglos quälenden Verletzungen können dabei nicht als hinreichende Erklärung für eine halbe Saison Abstiegskampf und eine halbe Saison Mittelmaß dienen. Nicht vergessen werden sollte, dass Dortmund trotz mehrerer unerklärlicher Niederlagen-Serien am Ende der Saison die zweitmeisten Torschüsse (9,9) aller Bundesliga-Mannschaften im Strafraum abgab und die zweitwenigsten (8,6) hinnehmen musste. Jeweils nur knapp hinter dem FC Bayern. Ein deutlicher Indikator, dass die Substanz absolut vorhanden war. Jürgen Klopp fand in seiner letzten Saison in Dortmund einfach zu selten einen Weg, um Spiele für sich zu entscheiden. Dortmund hat sich im Vergleich zur Vorsaison vor allem auf der Trainerposition verstärkt. Thomas Tuchel wird den zuletzt eindimensionalen Spielstil der Mannschaft weiterentwickeln. Trotz der Belastung durch die Europa League hat Dortmund klar den zweitbesten Kader in der Liga und ist deshalb der wichtigste Konkurrent für die Münchner.

Abzuwarten bleibt, wie Wolfsburg und Mönchengladbach mit der zusätzlichen Belastung durch die Champions League zurecht kommen. Trotz häufig besser zu erreichender Reiseziele und den Terminen am Dienstag und Mittwoch ist die psychische und physische Belastung in der Champions League höher. Die fußballerische Intensität und die mediale Aufmerksamkeit sind eine andere Hausnummer, an die sich viele Spieler und auch die Trainer erst gewöhnen müssen. In Wolfsburg kommt die Belastung durch die ungeklärte Situation um Kevin De Bruyne hinzu. Geht er, ändert sich vieles. Beide stehen deshalb aus meiner Sicht auf einer Stufe mit Bayer Leverkusen etwas hinter Dortmund zurück. Schalke könnte mit einem sehr interessanten Kader als Überraschungskandidat in die Top-5 hineinstoßen.

Auffällig war, dass Dortmund, Leverkusen, Wolfsburg und Mönchengladbach in den direkten Duellen mit dem FC Bayern bereits in den vergangenen Jahren meist auf Augenhöhe agierten. Leverkusen, Wolfsburg und Mönchengladbach gewannen jeweils eines der direkten Aufeinandertreffen im Vorjahr – auch wenn Leverkusens Sieg bereits nach gewonnener Meisterschaft erfolgte. Dortmund setzte sich zudem im Pokal durch. Der Abstand in der Tabelle war in den vergangenen Jahren also nicht so groß, weil Bayerns erste 11 so viel besser war als die der Konkurrenz. Der Unterschied war die Konstanz der Bayern gegen die Hannovers, Berlins und Bremens dieser Welt. Hier hat die direkte Konkurrenz Nachholbedarf. Mit Blick auf die Qualität in der Kaderbreite bleibt deshalb vor allem ein Konkurrent: Dortmund.

3. Xabi Alonso geht in Altersteilzeit

Wir haben es hier schon häufiger geschrieben. Es spricht sehr viel dafür, dass sich Xabi Alonsos Rolle im Vergleich zum Vorjahr deutlich verändert. Der älteste Münchner Feldspieler (33) stand im Vorjahr in seinem 13. Profijahr allein in der Bundesliga fast 2.000 Minuten auf dem Feld. Hinzu kamen über 800 Minuten in der Champions League. Es war schmerzhaft zu beobachten wie seine Leistungskurve nach sehr starkem Start immer weiter in den Keller sackte. Er spielte bis zur gewonnen Meisterschaft fast immer. Auch weil Guardiola nach den langwierigen Verletzungen von Thiago, Lahm, Schweinsteiger, Martínez und Alaba lange Zeit nur wenig Rotationsmöglichkeiten hatte.

Xabi Alonso kann als Takt- und Strukturgeber mit gutem Auge für den Spielaufbau und die defensive Organisation weiter einen wichtigen Beitrag leisten. Es sollte jedoch niemanden überraschen, wenn Alonso in der kommenden Saison höchstens einmal pro Woche in der Startelf steht und von der (ball)dominanten Figur der Vorsaison eher zu einem Rollenspieler wird. Alternativen gibt es auf seiner Position trotz des Abgangs von Schweinsteiger genug. Kimmich, Højbjerg, Vidal, Rode, Lahm und Alaba sind hier zu nennen, die die 6er Rolle alle unterschiedlich interpretieren können. Ob Guardiola in den hoffentlich wichtigen Spielen im kommenden Frühjahr auf Alonso setzt ist offen. Alonso muss hier um seinen Platz kämpfen. Eine neue Situation für den erfahrenen Strategen, für den die Altersteilzeit mit weniger Belastung aber auch eine Chance sein kann.

4. Robert Lewandowski wird noch wertvoller, wenn er lernt die einfachen Tore zu erzielen

Fürs Protokoll: Robert Lewandowski hat ein starkes erstes Jahr in München hinter sich. Vor allem deshalb, weil er der Mannschaft jenseits von seiner Kernaufgabe als Abschlusstürmer hilft. Trotzdem zeigte sich im Vorjahr ein Muster, indem Lewandowski häufiger Probleme hatte, vielversprechende Situationen im Strafraum zu nutzen. Kein Spieler schoss im Vorjahr so oft innerhalb des Sechzehners aufs Tor wie der polnische Nationalspieler. 88 Torschüsse zählte whoscored.com in der Saison 2014/2015. Mit großem Abstand Platz eins vor Dortmunds Aubameyang (72). Lewandowski münzte diese 88 Torschüsse im Strafraum in „nur“ 10 Tore um. Hinzu kamen sechs von außerhalb und ein Elfmeter. Lewandowski brauchte also fast 9 Torabschlüsse im Strafraum für einen Treffer. Vergleicht man das mit Mario Gomez‘ herausragender Saison 2010/2011 wird ein gewaltiger Unterschied deutlich. Gomez brauchte bei 89 Torschüssen gerade einmal 3,3 Torschüsse im Strafraum für einen Treffer.

Lewandowski wirkte in seinem ersten Jahr in München in Tornähe manchmal zu umständlich, scheiterte auffällig häufig freistehend vor dem Torwart oder ließ sich im letzten Moment noch blocken. Dagegen traf er bemerkenswert oft aus der Distanz oder mit spektakulären Volley-Schüssen wie gegen Frankfurt. Alles also kein Drama, dennoch eine Nuance in seinem Spiel, die der 26-Jährige noch verbessern kann. Gelingt ihm das, ist die Torjägerkrone in der Bundesliga fast ein Automatismus.

5. Mehr Dreierkette als in der Vorsaison

Die Verletzungen von David Alaba, Javi Martínez, Holger Badstuber und Medhi Benatia haben im Vorjahr dafür gesorgt, dass Pep Guardiola deutlich seltener auf die Dreierkette zurückgreifen konnte als geplant. Bayerns Spiel hat das in Phasen der Rückrunde geschadet. Vor allem Alabas Ausfall ist hier zu nennen. Der 23-Jährige war auf dem besten Wege die Position des linken Halbverteidigers neu zu erfinden. Alaba spielte aus der Dreierkette heraus zum Beispiel beim 7:1 gegen den AS Rom eine Mischung aus Aufbauspieler und stürmendem Flügelläufer, die es auf diesem Niveau noch nicht gegeben hat.

Die Dreierkette ermöglicht den Münchnern (wenn sie richtig gespielt wird) einen intuitiveren Aufbau ohne kompliziertes Abkippen des 6ers und gleichzeitig eine deutlich standfestere Konterverteidigung. Mit der Dreierkette gewinnt die Mannschaft in der Konterabsicherung einen Spieler im Vergleich zur Viererkette. Das mag paradox klingen, doch auf Grund der in der Viererkette weit aufrückenden Außenverteidiger, müssen die beiden verbliebenen Innenverteidiger häufig extrem viel Raum decken. In der Dreierkette können diese Räume durch einen zusätzlichen Verteidiger und möglichen Pendelbewegungen mit den Außenspielern im Mittelfeld leichter gesichert werden. Hervorragend zu sehen war das zum Beispiel im Auswärtsspiel in Dortmund in der Rückrunde, als Guardiola mit seiner Variante der Ochsenabwehr (Benatia, Boateng, Dante) überhaupt nichts zuließ und ein 1:0 erarbeitete. In der anstehenden Saison wird Guardiola deutlich häufiger auf eine Dreierkette zurückgreifen. Vor allem dann, wenn sich Badstuber und Martínez im Verlauf der Saison herankämpfen.

6. Kimmich knackt 25 Pflichtspiele

Joshua Kimmich hat alle Möglichkeiten, sich seinen Platz in der Rotation des FC Bayern zu erkämpfen. Sehr stark hängt das mit These 3 zusammen, aber auch unabhängig von Xabi Alonsos Form spricht sehr viel für Einsatzzeit für den 20-Jährigen. Kimmich versteckt sich nicht auf dem Platz und hat eine tolle Präsenz. Er ist in der Lage sich auch aus hohem Pressingdruck zu befreien und schwierige Situationen konstruktiv ohne Ballverlust zu lösen. Defizite hat er manchmal in der Entscheidungsfindung, wenn es darum geht durch den richtigen Pass in den richtigen Bereich eine gefährliche Situation zu kreieren. Insgesamt sicher viel Vorschusslorbeeren für einen, der noch keine Minute in der Bundesliga gespielt hat. Aber Kimmich hat etwas besonderes. Wenn Guardiola das Gleiche in ihm sieht, gibt es keinen Grund, dass er nicht schon in diesem Jahr mit 25-30 Pflichtspieleinsätzen an die Mannschaft heran geführt wird.

7. Mindestens zwei Spieler werden im Verlauf der Saison abgegeben

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der FC Bayern bis zum Ende der Transferperiode Ende August noch einmal nachlegt auf dem Transfermarkt. Möglich ist dabei die Verpflichtung eines Außenverteidigers oder eines weiteren offensiven Flügelspielers. Deutlich wahrscheinlicher ist jedoch, dass mindestens zwei Spieler den Verein noch verlassen werden. Entweder jetzt oder in der Winterpause. Pierre-Emile Højbjerg ist dabei weiter ein sehr ernsthafter Kandidat für eine Leihe. Der Däne wirkte schon im vergangenen Jahr sehr ungeduldig und hat offenbar die Sorge, in München Zeit zu verlieren. Von allen zentralen Mittelfeldspielern ist seine Rolle vielleicht am unklarsten. Eine weitere Leihe nach Augsburg mit Option auf internationale Einsätze wäre eigentlich der Optimalfall gewesen.

Spekuliert wurde auch über Gedankenspiele bezüglich der local-player-Regelung der DFL, die dafür sprechen könnte, dass Højbjerg mindestens noch ein halbes Jahr in München bleibt. Demnach muss jeder Verein mindestens 8 Spieler im Kader haben, die zwischen dem 15. und 21. Lebensjahr mindestens drei Jahre im Verein oder im Verband ausgebildet wurde. Højbjerg ist gerade 20 geworden und war durch die Ausleihe nach Augsburg 2 1/2 Jahre im Club. Ihm fehlt also ein halbes Jahr, um für den Rest der Karriere als local player zu gelten. Auch das könnte durchaus ein Faktor sein ihn mindestens noch bis zur Winterpause zu halten – auch wenn der Verein diesen Gedankengang bisher nicht offiziell bestätigt hat. Eine weitere Ausleihe ist aber so oder so nicht ausgeschlossen – vor allem dann, wenn Højbjerg und Berater Lerby die Spielzeit nicht ausreicht. Weitere Kandidaten für einen Weggang: Jan Kirchhoff, Dante, Sinan Kurt und auch Mario Götze.

8. Ohne Robben und Ribéry geht es (noch) nicht

Es gibt kaum einen Neuzugang in den vergangenen Jahren, der von der ersten Minute der Vorbereitung bis zum Saisonstart so viele Pluspunkte sammelte wie Douglas Costa. Kritisch beäugt wurde der Transfer von Vielen. Eine 1c-Lösung für 1b-Geld – so der allgemeine Tenor. Der Brasilianer hat schon jetzt Einige überrascht. Sein Antritt ist überragend, sein Dribbling gewitzt und seine Intensität erfrischend. Ob er dies auch in der nun beginnenden Saison so auf den Platz bringt bleibt jedoch abzuwarten. Die Gegner werden schnell versuchen seine Lieblingslösungen im Dribbling wegzunehmen. Sei es durch Doppeln oder durch Abdrängen auf seinen schwächeren rechten Fuß. Erst dann wird ernsthaft zu überprüfen sein, wie viel der Neuzugang wirklich wert ist. Klar ist aber schon jetzt: Ohne Robben und auch Ribéry geht es dauerhaft auf allerhöchstem Niveau noch nicht.

Beide sind seit Jahren Top-10 Offensivspieler in Europa. Phasenweise waren sie die beste Flügelzange im europäischen Vereinsfußball. Robben spielte im Vorjahr seine individuell vielleicht beste Saison überhaupt, ehe sie von zwei Verletzungen jäh beendet wurde. Ribéry spielte wenig. Aber wenn er spielte, war er gefährlich und involviert wie immer. 12 Torbeteiligungen bei 15 Einsätzen in der Bundesliga (9x Startelf). 3 Torbeteiligungen bei sechs Einsätzen in der Champions League (5x Startelf). Dazu eine Torbeteiligung bei zwei Einsätzen im Pokal. Pro 90 Minuten tauchten Ribéry und Robben auch im Vorjahr in allen wesentlichen Offensivstatistiken in den vordersten Plätzen auf. Der FC Bayern kam in den vergangenen Jahren meist so weit wie ihn Robben und Ribéry tragen konnten. Das wird wohl auch in dieser Saison so bleiben – auch wenn unklar ist, wann und in welcher Verfassung Ribéry von seiner Verletzung zurück kommen wird. Beide zusammen sind über einen längeren Zeitraum nicht zu ersetzen. Dass mit Douglas Costa endlich eine sehr ernsthafte Alternative bereit steht, hilft allen. Der Mannschaft und auch den beiden alternden Flügelspielern, die sich so mehr Regenerationszeit erlauben können.

9. Rode bleibt der Joker-König

Sebastian Rode war so etwas wie die Überraschung der Saison 2014/2015. Mit seiner forschen, unbekümmerten Art erarbeitete er sich schnell den Respekt von Fans und Mitspielern. In 20 seiner 30 Einsätze in Bundesliga und Champions League wurde er eingewechselt. Absoluter Top-Wert aller Bayern-Spieler. Rode könnte auch im kommenden Jahr zum Joker-Spezialisten werden. Im Moment ist der 24-Jährige für den FC Bayern von der Bank wertvoller als in der Startelf. Rode kann bei eine Führung helfen abzusichern. Er kann – wenn die Mannschaft droht die Linie zu verlieren – mit einigen Ballgewinnen und giftigen Zweikämpfem neues Leben in die Partie bringen und er kann als starker Pressingspieler auch bei einem Rückstand sehr wertvoll als Einwechselspieler sein. Zu hoffen bleibt, dass Rode erkennt, welche Chance in dieser Rolle für ihn steckt. Schon jetzt hat Bundestrainer Joachim Löw ihn lobend erwähnt. Rode wird wahrscheinlich nie ein Champions League-Finale entscheiden, aber er ist als „Wasserträger“ und Spezialist für bestimmte Momente ein vollwertiges Mitglied der Mannschaft. Das ist mehr als viele vor einem Jahr erwartet haben.

10. Benatia wird die Konstante neben Boateng

Medhi Benatia ist im Bewusstsein vieler Bayern-Fans und Beobachter immer noch nicht so richtig angekommen. Das lag sicher an seinen vielen kleinen Verletzungen, die ihn immer wieder zurückwarfen, aber vielleicht auch an seinem insgesamt sehr soliden und deshalb unauffälligem Spiel. Benatia hat sich in seinem ersten Jahr in München kaum echte Schwächen erlaubt. Gegen Barcelona wurde ihm der ein oder andere Treffer angekreidet, bei dem er das letzte Glied einer Fehlerkette war. Er foult etwas zu oft, arbeitet manchmal zu auffällig mit dem Ellenbogen. Ansonsten hat er eigentlich eine prima Saison hinter sich in der er durch gutes Aufbauspiel, resolute Zweikampfführung und Torgefahr nach Ecken überzeugte. Dass er Gegenstand von Wechselspekulationen im Sommer war überraschte. Benatia wird sich in der kommenden Saison als Konstante neben Jerome Boateng etablieren.

Noch im Vorjahr spielte Dante wettbewerbsübergreifend fast 600 Minuten mehr als Benatia. Es muss viel passieren, damit dies auch im Jahr 2015/2016 so sein wird. Benatia hat das Zeug dazu, zusammen mit Jerome Boateng ein für jeden Gegner recht furchterregendes Duo zu bilden. Boateng, der nun seit drei Jahren fast ohne Pause auf einem unfassbaren Niveau spielt, braucht einen starken Partner, der ihn entlasten kann. Durch die Verletzungshistorie von Badstuber und Martínez wird das umso wichtiger. Benatia ist der Mann, auf den es in der Innenverteidigung ankommen wird. Dante bleibt so eher eine Rolle als Rotationsspieler.

11. Das 4-1-4-1 kommt zurück

Als Guardiola nach München kam, schaffte er zuerst die seit Hitzfeld praktizierte Doppelsechs ab und formierte sein Team häufig in einem 4-1-4-1 mit nur einem defensiven Mittelfeldspieler. In der Vorsaison spielten die Münchner alle möglichen Formationen, aber das 4-1-4-1 in seiner radikalen Form verschwand ein wenig vom Radar. Das könnte sich ändern. Der große Vorteil dieser Ausrichtung ist die hohe Positionierung der fünf Offensivspieler, die so alle Halb- und Flügelräume rund um den Strafraum besetzen können. Vor allem dann, wenn Thiago nicht spielt, könnte eine Formation mit einem Sechser plus einem offensivstarken Quintett um Müller, Lewandowski, Robben, Vidal plus Costa, Ribéry oder Götze sehr viel Sinn machen. Gegen tiefstehende Gegner taten sich die Münchner immer dann schwer, wenn sich die gegnerische Defensive auf Bayerns Neun konzentrieren und die besten Offensivspieler auf dem Flügel weit vom Tor weggehalten werden konnten. Im 4-1-4-1 mit fluiden Positionswechseln und einem Übergewicht in hohen 8er-Räumen wird das für jeden Gegner schwer.

In der Vorbereitung waren 4-1-4-1-ähnliche Staffelungen mit fünf pendelnden Offensivspielern bereits zu sehen. Auch im Gegenpressing zahlt sich die höhere Positionierung aus. Was bleibt ist das Risiko in der Konterverteidigung durch die weiten Räume neben dem einzigen 6er. Spielintelligente Außenverteidiger wie Alaba und Lahm, die bei Gefahr einrücken, könnten dies abfedern.

12. Bastian Schweinsteiger spielt in der Saison 2015/2016 in der Allianz Arena

Alle, die daran zweifeln, schauen noch nicht lange genug Fußball. Es muss einfach passieren. So etwas passiert immer. Wenn nicht in der kommenden, dann in der übernächsten Saison. Manchester United trifft in den Playoffs zur Champions League auf den FC Brügge und wird sich durchsetzen. Es wird irgendeinen Weg geben, der dafür sorgt, dass der FC Bayern und Manchester United im Viertel- oder Halbfinale der Champions League aufeinandertreffen. Schweinsteiger im United-Trikot löst bei mir übrigens so eine Mischung aus Freude und Traurigkeit aus, die ich nicht recht beschreiben kann.

Louis van Gaal plant offenbar mit Daley Blind in der Innenverteidigung. Carrick heißt so der größte Konkurrent Schweinsteigers für die Rolle auf der spielgestaltenden Sechs. Der ist nochmal drei Jahre älter. Der Schlüssel für den Nationalmannschaftskapitän, um sich bei Manchester durchzusetzen heißt Fitness. Wenn er fit wird und bleibt (aktuell ist er es nicht – das war bei seinem Debüt gegen Tottenham deutlich zu sehen) wird er spielen. Also auch in München wenn die beiden Teams gegeneinander gelost werden. Louis zurück in München. Schweini zurück in München. Das hätte was – auch wenn ich ahne, wie die Geschichte ausgeht…

13. Keine Chance für ein Nachwuchsquartett

Joshua Kimmich (20) einmal ausgenommen, wird die Saison 2015/2016 kein gutes Jahr für die jungen Wilden. Julian Green (20), Sinan Kurt (19), Gianluca Gaudino (18), Fabian Benko (17) und, wie beschrieben auch Pierre-Emile Højbjerg (20), werden es sehr schwer haben, sich ins Rampenlicht zu spielen. Zu gut, zu breit, zu ausgeglichen ist der Kader der Münchner. Zu hoch inzwischen die Ansprüche. Højbjerg und Kimmich stehen in der Rangordnung deutlich über den vier anderen. Benko können von diesen noch die größten Chancen auf Einsatzzeit zugeschrieben werden. Der Allrounder ist körperlich deutlich weiter als Gaudino und Kurt, hat ein schnörkelloses Spiel und könnte erste Einsatzminuten sammeln. Den Durchbruch wird in dieser Saison keiner des Nachwuchsquartetts schaffen.

14. Pep Guardiola verlängert seinen Vertrag

Ich gebe zu: Im Verlauf der letzten Tage stand in dieser These auch mehrfach ein „nicht“ hinter „Vertrag“. Es scheint wirklich eine 50/50-Entscheidung zu sein. Es ist absolut glaubwürdig, dass Guardiola sagt, er habe sich noch nicht entschieden. Von Personen, die direkt mit ihm sprechen ist zu hören, dass er sich sehr wohlfühlt in München und die Arbeit mit Spielern und Verantwortlichen schätzt. Der starke Gegenwind der letzten beiden Jahre und die vor allem medial vorgetragene scharfe Kritik an seiner Person hat ihn allerdings auch überrascht. Guardiola wird in sich hinein hören und sich fragen, ob er genug Feuer und Kraft für die Aufgabe in München hat. Der Verein muss dabei entscheiden, wie lange er auf diese Entscheidung warten will.

Klar ist: Es gibt wenig logische Alternativen zu Guardiola. Weder aus den Trainerstäben der eigenen Jugend noch aus der Bundesliga. Jürgen Klopp ist hier sicher zu nennen – auch wenn dieser erst einmal beweisen muss, dass er seine Spielphilosophie an die Anforderungen eines absoluten Spitzenteams, das in beinahe jedem Spiel haushoher Favorit ist, anpassen kann. Guardiolas Nachfolge dürfte zu den schwierigsten Aufgaben des vergangenen Jahrzehnts gehören. Ob sich Champions League-Sieger und Weltmeister wie Thomas Müller von international unerfahrenen Trainern wie Favre oder Weinzierl erklären lassen wie es zu laufen hat, scheint fraglich. Auch international wird es aktuell sehr schnell sehr dünn wenn es um freie, hochqualifizierte Trainer geht. Ancelotti, Bielsa? Alles irgendwie schwer vorstellbar. Mein Bauchgefühl sagt mit aber ohnehin, dass dies eine theoretische Diskussion bleibt. Guardiola wird verlängern. Einmalig und um zwei Jahre. 2018 endet auch der Vertrag von Philipp Lahm. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, um eine neue Ära zu beginnen.

15. Thomas Müller wird in wichtigen Spielen nicht mehr ausgewechselt

Punkt.