(L) of Germany and (R) of France compete for the ball during the U18 International Friendly Match match between Germany and France at Stadion an der Lohmuehle on March 5, 2014 in Luebeck, Germany.

Scouting-Report: Kingsley Coman

Steffen Trenner 29.08.2015

Bisherige Karriere

Coman wurde bereits im zarten Alter von acht Jahren von Paris Saint-Germain entdeckt und durchlief für neun Jahre die Jugendakademie des Clubs. Coman spielte ab der U16 für die französische Jugendnationalmannschaft. Am 17. Februar 2013 wurde der gebürtige Pariser der jüngste Spieler, der je für Saint-Germain zum Einsatz kam, als er mit 16 Jahren und acht Monaten gegen Sochaux für Marco Verratti eingewechselt wurde. Mit 17 debütierte er auch für die französische U21. Den Durchbruch schaffte Coman in Paris nicht.

Als sein Vertrag im Sommer 2014 auslief, war die Liste der Interessenten lang. Auch der FC Bayern war damals neben Liverpool, Arsenal, Leverkusen und Bordeaux (mit Comans ehemaligen U21-Coach Willy Sagnol) interessiert, wie Coman selbst der L’Equipe schilderte. Den Zuschlag bekam am Ende Juventus Turin, die Coman mit einem langfristigen fünf Jahresvertrag ausstatteten. Am 30. August 2014 debütierte er für die Turiner und kam in der Saison auf insgesamt 14 Einsätze in der Serie A und zwei in der Champions League. Meist kam der Franzose dabei von der Bank. Auch im Champions League-Finale gegen den FC Barcelona stand Coman im Kader und wurde kurz vor Schluss eingewechselt.

Etwas überraschend ist sein erneuter Vereinswechsel auch deshalb, weil der Offensivspieler in dieser Saison in beiden Pflichtspielen der „Bianconeri“ in der Startelf stand. Jeweils als Sturmpartner von Mario Mandzukic. Mit Paul Pogba und Patrice Evra (den Coman „Onkel Pat“ nennt) hat er zudem zwei Landsmänner in der Mannschaft. Auch in Turin war der junge Franzose nicht immer mit seiner Spielzeit zufrieden. Im Sommer rüstete der amtierende Meister mit Mandzukic (19 Millionen Ablöse), Zaza (18 Millionen), Dybala (32 Millionen) und Cuadrado (Leihe) ordentlich auf. Wohl auch deshalb ist Coman offenbar überhaupt auf dem Markt.

Der entscheidende Mann auf Münchner Seite wird einmal mehr Bayerns technischer Direktor Michael Reschke gewesen sein, der im europäischen Nachwuchsbereich vernetzt und kenntnisreich ist, wie kaum ein anderer. Zuletzt hatten Reschke und sein Team Gelegenheit Coman bei der U19-EM in Griechenland zu beobachten. Er zog mit seiner Mannschaft ins Halbfinale ein und stand dabei bis auf eine Ausnahme immer in der Startelf.

Stärken und Schwächen

Zunächst fällt auf, dass Coman anders als viele gehandelte Kandidaten in diesem Sommer kein reiner Flügeldribbler ist. Der 1.78m große Franzose ist ein Offensivallrounder. Sowohl von seinen Fähigkeiten, als auch von der Positionierung. Er kann auf beiden Flügeln spielen, aber auch im Sturmzentrum als hängende, ergänzende oder ausweichende Spitze. So wie zum Auftakt der Serie A am vergangenen Wochenende gegen Udinese Calcio als Partner von Mandzukic.

Wer Comans Spiel beobachtet, erkennt sofort wie athletisch und durchaus wuchtig der 19-Jährige insbesondere für sein noch junges Alter ist. Der Franzose ist explosiv, kann durch seine Dynamik und Sprungkraft sogar Kopfballduelle im Strafraum gewinnen und arbeitet auch mit dem Rücken zum Tor sehr geschickt und stabil. Er ist ein mutiger, wenn auch nicht besonders extravaganter Dribbler und hat eine enorme Endgeschwindigkeit. Wenn er mit dem Ball am Gegner vorbei kommt, ist er sehr schwer wieder einzuholen. Coman hat durchaus kreative Ideen in Strafraumnähe und scheut den komplizierten Pass in den Strafraum nicht (mit entsprechender Fehlerquote). Der 19-Jährige (stärkerer rechter Fuß) hat einen guten Schuss – auch aus der Distanz und insgesamt einen sehr großen Aktionsradius in der Offensive. Gegen Udinese standen am vergangenen Wochenende bis zu seiner Auswechslung in der 65. Minute drei Torschüsse, drei Torschussvorlagen und drei erzwungene Freistöße in der Statistik. Das unterstreicht ganz gut, wie aktiv Coman in der Regel ist.

Eine auf den ersten Blick unterschätzte Fähigkeit ist seine Arbeit gegen den Ball. Coman ist kein Schönspieler, der sich seine Momente sucht, sondern einer der Vollgas geht. In beide Richtungen. Er agiert dabei durch seinen robusten Körper gut im Zweikampf und erinnert in seinen Pressingbewegungen ein wenig an Karim Bellarabi. Ohnehin ist Bellarabi ein ganz guter Vergleich, weil auch Coman durch eher ungeschliffene Bewegungen und Aktionen auffällt, die nicht immer schulbuchmäßig aussehen, aber durchschlagkräftig sind.

Comans Schwächen sind ebenfalls deutlich zu erkennen. Einiges ist typisch für einen so jungen Spieler: Seine Entscheidungsfindung ist nicht immer optimal. Manchmal denkt er zu kompliziert oder sein großes Engagement schwappt in die ein oder andere überhastete, manchmal kopflose Aktion über. Verbessern muss er generell seine Genauigkeit. Das gilt offensiv wie defensiv. Coman löst sehr viel über Tempo und Dynamik und lässt sich hier von erfahreneren Gegenspielern durchaus mal abkochen. Seine schwächsten Momente hat der 19-Jährige dann, wenn er ungeduldig wird und gegen eine gut gestaffelte Defensive nicht den logischen Pass spielt, um den Gegner in Bewegung zu bringen, sondern versucht etwas zu erzwingen.

Verbesserungswürdig ist auch sein Kombinationsspiel, das nicht immer direkt und schnell genug ist. Insgesamt macht Coman auch noch zu wenig aus seinen Aktionen in Tornähe. Lediglich 2 Scorer-Punkte sammelte er in seinen Spielen für Turin trotz einer Reihe vielversprechender Szenen.

Mögliche Rolle bei Bayern

Die Verpflichtung Comans spricht dafür, dass die Bauchschmerzen beim FC Bayern im Bezug auf die langwierige Verletzung von Franck Ribéry nicht kleiner geworden sind. Der Franzose bekommt durch die Leihe eine Chance sich zu beweisen und sich endgültig bei einem Top-Club festzuspielen. Er wird dabei anders als Douglas Costa nicht unbedingt von Beginn an in die Startelf drängen, aber er wäre gerade durch sein sehr aktives und energiegeladenes Spiel eine geradezu ideale Option von der Bank. Auch im Falle einer erneuten Robben-Verletzung wäre er ein zusätzliches Backup auf einer der Außenpositionen oder ergänzender Angreifer zu Müller oder Lewandowski. Götze könnte so endgültig als Alternative auf die zentraleren Positionen rücken. Coman war sowohl in Paris als auch in Turin unglücklich mit seinen Einsatzzeiten. Ob sich die nun in München ob der auch hier großen Konkurrenz signifikant ändern, bleibt abzuwarten.

Coman ist sicher auch eine Wette auf die Zukunft. Er soll langfristig zu einem der Nachfolger von Robben und Ribéry, die dominanten Offensivspieler der vergangenen fast zehn Jahre, aufgebaut werden. Das unterstreicht die hohe Ablöse, die Bayern durch die vereinbarte Kaufoption offenbar bereit ist zu zahlen. Durch die Leihe ist das Risiko insgesamt gering. Sollte Coman den Ansprüchen im täglichen Training und im Wettkampf nicht genügen, gibt es im übernächsten Sommer noch ein Rückzugsszenario.

Deutlich wird auch, dass der FC Bayern die Diskussionen um einen angeblich zu großen Kader nicht scheut und weiter Qualität hinzu holt. Das ist auch ein klares Signal an die Mannschaft. Jeder wird sich an die verstärkte Rotation gewöhnen müssen. Wenn einer nicht mitzieht, gibt es fast auf jeder Position genügend Alternativen. Coman wäre eine weitere. Wenn er in München die gleiche Energie an den Tag legt, wie bei seinen Einsätzen in den vergangenen Monaten, kann das auch den etablierteren Kräften nur gut tun.