Valais Women's Cup FC Bayern München Frauen - Olympique Lyonnais

Valais Women’s Cup 2015: Olympique Lyonnais – FCB Frauen 1:3 (0:1)

Jolle Trenner 17.08.2015

Trotz dieser Achtungserfolge in den Freundschaftsspielen wartet noch viel Arbeit auf Trainer Tom Wörle und sein Team.

Falls Ihr es verpasst habt:

Lyon hätte angetreten in erstklassiger Besetzung und mit zahlreichen Großchancen auf dem Fuß bereits in der ersten Halbzeit klar in Führung gehen und den Sack zu machen müssen. Doch Ersatztorhüterin Manuela Zinsberger zeigte sich hervorragend aufgelegt und hielt die Null zur Pause fest. Beschenkt durch ein Eigentor von Aurélie Kaci (40.) — erzwungen durch Lisa Evans’ scharfe Flanke von rechts auf die lauernde Lewandowski — gingen die Bayern sogar etwas glücklich mit einer 0:1-Führung in die Kabine.

Zwar glich Louisa Nécib kurz nach Wiederanpfiff mit einem direkten Freistoßtor der Sorte „fieser Aufsetzer“ aus, doch wechselte Bayern-Coach Wörle nach und nach immer mehr erfahrene Stammkräfte ein. Die Routiniers schafften den Umschwung, befreiten sich aus der Umklammerung der druckvoll auftretenden Französinnen und ließen die eiskalte niederländische Stürmerin Vivianne Miedema zur Matchwinnerin werden.

20 Minuten vor Abpfiff schloss diese einen Konter cool mit einem Dribbling gegen die japanische Innenverteidigerin Kumagai im Strafraum per sattem Linksschuss zur erneuten Führung ab. Behringer hatte Le Sommer im Mittelfeld um den Ball erleichtert und den Hollandsturm auf die Reise geschickt. In der Nachspielzeit behauptete Miedema trotz Gegnerdrucks ein herausforderndes, vertikales Anspiel von Stengel nahe der linken Eckfahne, brachte die Kugel flach auf die im linken Halbraum zum Sechzehner vorstoßende Rolser, die trocken mit nur einem Kontakt einnetzen konnte.

Wie schon in Halbzeit 1 spielte sich Lyon auch im zweiten Durchgang die gefährlicheren Tormöglichkeiten heraus, scheiterte aber an sich selbst, der Bayern-Defensive oder ein ums andere Mal an Manuela Zinsberger. Die hatte das Pflücken von Flanken und das Abfangen von flachen Querpässen im Fünfmeterraum ebenso im Repertoire wie die blitzschnelle Fußabwehr und den bockstarken Reflex auf der Linie bei Schüssen aus nächster Distanz.

Wörle rotiert großzügig

Im Vergleich zur Partie gegen PSG standen gleich zehn Neue in der Anfangsformation der Bayern. Wörle verteilte so nicht nur die Last im Kader, sondern belohnte auch die Trainingsarbeit der Ersatzkräfte mit Spielminuten gegen einen renommierten Gegner. Zwischen den Pfosten stand wie bereits angeklungen die Österreicherin Zinsberger anstelle von Tinja-Riikka Korpela.

Für Leonie Maier, Nora Holstad und Caro Abbé rückten Gina Lewandowski, Raffaella Manieri und Carina Wenninger in die erste Elf. Schnaderbeck stand erneut von Beginn an auf dem Feld, jedoch nicht auf der rechten Außenbahn, wo sie gegen PSG begann und wo diesmal Laura Feiersinger startete, sondern als Hybrid zwischen abkippender Sechserin und zentraler Verteidigerin.

Formationen Olympique Lyonnais - FC Bayern München Frauen, Valais Women's Cup 2015Grundformationen: Olympique Lyon im 4-1-4-1/4-3-3, FC Bayern München in einer Art 3-4-3 mit Mittelfeldraute

Auch das Trio im zentralen Mittelfeld war neu. Statt Behringer, Leupolz und Däbritz, von denen die zwei Letzteren angeschlagen nicht im Kader auftauchten, durften sich Nachwuchsspielerin Jenny Gaugigl als zweite Sechs und Mana Iwabuchi etwas zurückgezogen vor Schnaderbeck beweisen. Gaugigl wurde allerdings noch in der ersten Hälfte durch Ricarda Walkling ersetzt, die ihrerseits eine Viertelstunde vor Schluss für Katie Stengel Platz machte.

Im Angriff rochierten Eunice Beckmann, Lisa Evans und Vivianne Miedema miteinander die Positionen, die für Bürki, Rolser und Stengel in die Startelf rotiert waren. Beckmann und Evans tauschten häufiger die Flügel, wobei Evans eher die Breite an den Außenlinien hielt und Beckmann viele Wege in den Halbräumen machte. Miedema hielt wie von ihr gewohnt häufig sehr hoch ihre Position in der Spitze, pendelte aber gelegentlich auch auf den Flügel und wurde dann vorn von Beckmann ersetzt.

Lyon in voller Pracht

Während die Bayern in der ersten Halbzeit also einiges an Stammpersonal draußen ließen und eine Reihe Nationalspielerinnen schonten, ging Lyon fast mit der ersten Elf in diesen Test — immerhin ein Finale. Das Tor hütete Méline Gerard. Die defensive Viererkette des 4-1-4-1 davor wurde außen von Ada Hegerberg und Aurélie Kaci sowie innen von der Kapitänin des französischen Nationalteams Wendie Renard und Saki Kumagai gebildet. Als tiefste zentrale Mittelfeldspielerin lief Amandine Henry auf der Sechs auf. Die offensiveren Achterpositionen übernahmen das feine Füßchen Louisa Nécib halblinks und die Box-to-Box-Strategin Camille Abily halbrechts. Im Angriff spielten die Schwedin Lotta Schelin in der Spitze, Eugéne Le Sommer rechts und gegenüber Amel Majri.

Hegerberg und Majri bespielten die linke Außenbahn auffällig vertikal und tauschten phasenweise die Positionen, so dass Hegerberg im Angriff auftauchte und Majri weiter hinten verteidigte. Als die Norwegerin zur zweiten Halbzeit ausgewechselt wurde, rotierte Majri dauerhaft nach hinten, Le Sommer griff vom linken Flügel aus an und die neu gekommene Explosivsprinterin Élodie Thomis marschierte über die rechte Offensivseite. Zwanzig Minuten vor dem Ende durfte sich Ex-Potsdamerin Pauline Bremer, die im Halbfinalspiel gegen den FC Zürich dreimal getroffen hatte, an Stelle von Le Sommer auf der linken Außenbahn beweisen.

Staffellauf zum Sieg

Diese durch und durch von Weltklasse durchzogene Mannschaft war spielerisch zwei Nummern zu groß für den deutschen Überraschungsmeister. Das kollektive Mittelfeldpressing, in dem Lyon nicht primär dem Ball nachjagte, sondern sich wie ein Netz um die ballführende Münchnerin zog, diese außen isolierte und sämtliche Passoptionen zustellte, wirkte routiniert und souverän. Befreiungsschläge Bayerns konnte die Verteidigung locker an der Grenze ins zweite Drittel einsammeln, während Bayern in die eigene Hälfte gesperrt wurde. Gelang Lyon dort ein Ballgewinn, kamen sie schnell gefährlich vors Tor. Für die Roten waren umgekehrt die Wege für ein effektives Pressing zu lang. Auch die Qualität der Kombinationen, die Fähigkeit, das Spiel zu gestalten und sich Chancen herauszuarbeiten war auf Seiten Olympiques wesentlich höher. Aber die Bayern hielten dagegen.

Wie beim Staffelschwimmen, wo häufig die langsameren Schwimmer starten und alles geben, um die Lücke nach vorne nicht zu weit aufklaffen zu lassen, damit die starken Schlusssprinter das Ding noch nach Hause holen können, war auch die so genannte B-Elf des FC Bayern in Halbzeit 1 nicht untergegangen, sondern hatte trotz des Pressings und der drückenden Überlegenheit des Gegners nicht aufgesteckt, Passwege aus der Bedrängung gesucht und auch immer wieder gefunden. Bayern hatte hier nichts zu verlieren — sie waren weder der Favorit noch ging es um was — und spielten ihre wenigen Konterchancen effektiv zu Ende.

Die Führungstreffer sorgten jeweils für Oberwasser und gesteigertes Selbstbewusstsein, während der Favorit zunächst sichtlich genervt war und später in Zeitnot zunehmend hektisch wurde. Als dann Nora Holstad die Abwehr anführte, Kapitänin Melanie Behringer im Mittelfeld das Heft in die Hand nahm und Leonie Maier alle Löcher zulief, die es auf der rechten Seite zu finden gab, war die Chance, den Außenseitersieg bis zum Abpfiff durchzudrücken, zum Greifen nah. Miedema, Stengel und Rolser machten dann in den entscheidenden Momenten in der Offensive alles richtig und erkämpften den Sieg.

3 Dinge, die auffielen:

1. Viererkette: gewollt oder erzwungenermaßen?

Nicht ganz klar (von mir) zu beantworten ist die Frage, ob Wörle absichtlich das Spiel mit der Viererkette testete oder ob diese sich permanent situationsbedingt ergab. Lyon presste von Beginn an und über weite Strecken der Partie hoch, wodurch Bayern nur wenig vom Ball sah und das Spiel kaum selbst gestalten durfte — ein ungewohnter Anblick.

Gegen den hohen Druck sank Schnaderbeck ein ums andere Mal in die Abwehrreihe ab, um den Spielaufbau anzukurbeln. Dies geschah also nicht nur wie sonst bei der Fünferkette gegen den Ball, wenn Angriffe der Gegnerinnen verteidigt werden mussten, sondern auch bei eigenem Ballbesitz. Phasenweise schob die anfangs zentrale Verteidigerin Manieri dann auf ihre gewohnte Halbposition links und Lewandowski weiter raus auf den linken Flügel, während Schnaderbeck das Spiel aus der Mitte der Abwehr ankurbelte.

2. Asymmetrie mit Fokus auf rechts

Während es mit Laura Feiersinger auf der rechten Seite hinter der offensiven Flügelspielerin — meist Lisa Evans — zusätzlich eine Flügelverteidigerin gab, fehlte eine solche Figur auf links. Zum Teil agierten Feiersinger und Beckmann auf einer Höhe. Vor allem dann, wenn Schnaderbeck vor der Dreierkette spielte und Lewandowski den Part der Flügelverteidigerin links nicht übernahm. Bereits im Spiel gegen PSG war ein Rechtsdrall der Wörle-Elf auffällig geworden.

Die Spielerinnen links hatten so häufig größere Räume abzudecken, aber auch Platz für dynamische Vorstöße, wie sie Lewandowski einige Male zeigte, und kippten bei eigenem Ballbesitz auf rechts weit in die Mitte des Spielfelds, um die Ballseite zu überladen. So erklärt sich auch, dass Lisa Evans häufig an der Außenlinie zu finden war, während Beckmann vermehrt die Zentrale beackerte. Allerdings zeigte Evens diese Geradlinigkeit auch auf der linken Seite.

3. Stengel im Mittelfeldband

In der Meistersaison lief die US-Amerikanerin Katie Stengel meist als eine Spitze im Doppelsturm auf und konnte dort besonders durch a) Tore und b) das Behaupten und Abschirmen des Balles überzeugen. Gegen Lyon wurde sie von Wörle an die Seite der Sechserin Behringer gestellt, um die Druckwellen des französischen Meisters zu brechen, Bälle zu behaupten und in den Angriff umzuschalten. Das funktionierte hervorragend. So war es zwar nicht Stengel selbst, die den Schlusstreffer markierte, der Pass unter großer Bedrängnis raus auf Miedema war aber entscheidend. Druck oder große Namen scheinen Stengel nicht sonderlich zu beeindrucken. Die Gelassenheit tut dem Team in großen Spielen gut.

So konnten sich die Bayern-Frauen viel Selbstvertrauen aus der Trainingsreise abholen, aber auch Erkenntnisse darüber, was zum Anschluss an die europäische Spitze noch fehlt. Bis die Bayern ein internationales Topteam so dominieren wie Gegner aus der Bundesliga, wird es noch viel Zeit und Mühen brauchen. In der Liga dagegen werden sie es sein, die bei Rückständen die Unverzagtheit des Underdogs beibehalten müssen, statt nervös zu werden.

Olympique Lyonnais – FC Bayern München Frauen
Olympique Lyonnais Gerard – Hegerberg (46. Thomis), Renard, Kumagai, Kaci – Henry, Nécib, Abily (86. Cascarino) – Majri, Le Sommer (71. Bremer), Schelin
Bank Perrault, Franco, Lavogez, Tarrieu, Mbock
FC Bayern München Zinsberger – Lewandowski, Manieri (46. Behringer), Wenninger – Feiersinger (62. Maier), Schnaderbeck (62. Holstad), Gaugigl (27. Walkling, 73. Stengel), Iwabuchi – Beckmann (62. Rolser), Evans, Miedema
Bank Weber, Korpela, Abbé, Bürki
Tore 1:1 Nécib / 1:0 Kaci (40., Eigentor), 1:2 Miedema (68.), 1:3 Rolser (92.)
Karten Gelb: – / Iwabuchi (63.), Zinsberger (82.)
Schiedsrichter Simona Ghisletta