No Robben – no problem?

Steffen Trenner 10.09.2015

630 Einsatz-Minuten sind für einen Robben-Ersatz zu vergeben. Dass die Münchner in den Top-Spielen gegen Wolfsburg, Dortmund und beim komplizierten Auswärtsspiel in Piräus auf den 31-Jährigen verzichten müssen, schmerzt dabei besonders. Der FC Bayern hat in den vergangen fünf Jahren signifikant weniger Punkte geholt, Tore erzielt und Großchancen herausgespielt, wenn weder Arjen Robben noch Franck Ribéry auf dem Platz standen. Das holprige Ende der Saison 2014/2015 mit dem Ausscheiden in Pokal und Champions League sowie zahlreichen Niederlagen in der Liga war eng damit verknüpft. Müssen sich die Münchner mit Blick auf die kommenden Wochen also Sorgen machen? Ja und Nein.

Was kann Douglas Costa wirklich?

Bayerns Verantwortliche haben Konsequenzen gezogen aus den Erfahrungen der Vorsaison und den Kader in der Offensive verbreitert. Die erste Alternative für die rechte Außenbahn heißt nun nicht mehr Mitchell Weiser, sondern Douglas Costa, der die Liga in den vergangenen Wochen mit dem vielleicht explosivsten Antritt der Bundesliga-Geschichte gehörig aufgemischt hat. Costa zeigte nach Robbens Auswechslungen gegen den HSV und Hoffenheim, dass er sich auf der rechten Seite durchaus wohlfühlt. Er kann dort mit seinem stärkeren linken Fuß nach innen ziehen, aber (sogar besser als Robben) auch in hohem Tempo die Linie hinunter gehen und mit seinem rechten Fuß agieren.

Costa hat die Erwartungen bisher übertroffen. Er hat Robben in den ersten drei Saisonspielen sogar in den Schatten gestellt. Dem Brasilianer kam in den Spielen gegen Hoffenheim und Leverkusen allerdings auch die sehr mutige Spielweise der Gegner entgegen, die auf Grund des hohen Pressings mehr Eins-gegen-Eins Duelle auf den Flügeln zuließen, als es im Normalfall gegen den FC Bayern üblich ist. In beiden Spielen kreierte Costa gegen hoffnungslos unterlegene Gegenspieler (Kaderabek, Hilbert) im Schnitt fast sechs Torchancen pro Spiel. Vor allem dann, wenn er mit Anlauf auf einen Gegenspieler zugehen konnte, fiel es ihm leicht mit seinem herausragenden Antritt vorbei zu kommen. Häufig reichte ihm dabei der älteste Trick der Fußball-Geschichte: Ball vorbeilegen und den Gegner überlaufen.

Costa profitierte dabei auch von der Aufmerksamkeit, die die gegnerische Defensive seinem Flügelpartner Robben beimessen musste. Gerade gegen Leverkusen zogen die Münchner die gegnerische Abwehrreihe durch extrem breit positionierte Flügelstürmer auseinander. Costa wurde auch deshalb verhältnismäßig wenig gedoppelt weil Bayern den gegnerischen 6ern durch schnelle Seitenverlagerungen und Diagonalbälle wenig Zeit gab aus dem Zentrum herauszurücken und Costa zu zweit zu attackieren. Gegen weniger intensiv pressende Teams wie Darmstadt, Wolfsburg, Piräus und Zagreb wird das deutlich schwerer.

Verteidigt der Gegner gestaffelt mit einem zweiten oder gar dritten Spieler als Unterstützung im Deckungsschatten des Primärverteidigers kann ein Dribbling leicht verhindert werden. Für Robben und Ribéry war diese Sonderbehandlung seit Jahren Standard. Costa wird in den kommenden Wochen auch daran arbeiten müssen die richtige Balance zwischen Dribbling, Passkombinationen und schnellen Spielverlagerungen zu finden. In der ersten Halbzeit gegen den HSV zum Auftakt der Bundesliga-Saison war zu erkennen, dass Costa noch Probleme damit hatte konstruktive Lösungen in engen Räumen zu finden, wenn ihm die Dribbling-Option genommen wurde. Für den Neuzugang werden die kommenden vier Wochen so auch zu einem sehr ernsthaften Test seiner wahren Leistungsfähigkeit.

Wer stößt in die Lücke?

Sollte Costa tatsächlich nach rechts rücken, stellt sich auch die Frage wer seinen Part auf der linken Seite übernimmt. Mario Götze hat hier nach den Eindrücken der Länderspielpause und einem couragierten Startelf-Auftritt gegen Hoffenheim sicher einen Vorsprung. Götze fehlte jedoch in der Vergangenheit gerade gegen tiefstehende Gegner die Durchschlagskraft, wenn er auf dem Flügel agierte. Guardiola wird sich schwer tun die in den vergangenen Spielen gut funktionierende Breite aufzugeben und Götze gewissermaßen als „falschen Flügelspieler“ immer wieder frühzeitig nach innen driften zu lassen, um dort seine Stärken besser zur Geltung zu bringen. Müller wäre hier ein passender Partner, der Götze durch zahlreiche Rochaden den Weg in die Mitte öffnen könnte. Dem zuletzt glänzend aufgelegten Allrounder fehlt jedoch noch stärker als Götze die Qualität im Eins gegen Eins, um auf dem Flügel für Gefahr zu sorgen. Auch Müller ist vor allem dann gefährlich wenn er ohne Ball in die Mitte zieht und dort die sich bietenden Räume besetzt. Theoretisch könnte auch der dribbelstärkere Bernat die Rolle auf dem linken Flügel ausfüllen.

Spätestens hier wird deutlich, wie schwer es trotz der Neuverpflichtungen wird die besondere Qualität von Arjen Robben in der Offensive zu ersetzen. Es spricht viel dafür, dass Götze in Robbens Abwesenheit erneut eine längere Bewährungschance bekommt. Es ist dann auch Guardiolas Aufgabe den 23-Jährigen besser als in der Rückrunde des Vorjahrs einzubinden, als Götze nach der Verletzung von Robben über Monate beinahe wirkungslos blieb. Dass mit Costa ein zusätzlicher Fixpunkt auf dem gegenüberliegenden Flügel hinzu gekommen ist, kann Götze in seinem Spiel helfen. Egal, ob er zentral oder auf dem Flügel beginnt.

Wie schnell Kingsley Coman, der erst nach der Länderspielpause ins Mannschaftstraining eingestiegen ist zu einer Option wird, bleibt abzuwarten. Er fühlt sich auf der linken Seite sehr wohl und wäre rein vom fußballerischen Profil her eine logische Wahl als Partner des gesetzten Douglas Costa. Coman wird sicher in den kommenden vier Wochen Bewährungschancen bekommen. Durch sein energiegeladenes Spiel kann er als Joker und Change-Of-Pace-Option von der Bank schon in den kommenden Partien wertvoll werden.

Dortmund als Höhepunkt der Hinrunde

Es ist eine spannende Saisonphase, die vor dem FC Bayern liegt. In einem Monat werden wir deutlich besser wissen, wie gut die personell aufgerüstete Offensive ohne Robben und Ribéry funktioniert. Die Spiele gegen Wolfsburg und Dortmund (jeweils zu Hause) als Höhepunkte der Hinrunde werden ein echter Gradmesser der Leistungsfähigkeit des Rekordmeisters im Jahr 2015/2016 und wohl auch darüber hinaus. Denn wie lange die beiden prägenden Offensivspieler der letzten fünf Jahre überhaupt noch auf internationalem Top-Niveau spielen können ist auf Grund der nicht enden wollenden Verletzungsgeschichte und der Altersstruktur der beiden Ü30er fraglich.

Was für den Moment bleibt ist die Erkenntnis, dass die Bauchschmerzen ob der Robben-Verletzung auf Grund der starken Leistungen von Douglas Costa in den letzten Wochen ein wenig geringer geworden sind. Komplett verschwunden sind sie jedoch absolut noch nicht.