Newcomer der Saison: Mats Hummels

Justin Trenner 24.06.2017

Für viele Dortmunder war es ein Schock, dass der Innenverteidiger sich im Laufe der letzten Saison dazu entschloss, die Rückkehr in die Heimat anzutreten. Hier habe er Familie und gleichzeitig eine höhere Chance darauf, Titel zu gewinnen, so seine Argumentation.

Ein perfektes Match

Auch aus der Sicht des Rekordmeisters gab es ob der Verletzungsanfälligkeit Boatengs gute Gründe, Hummels zu verpflichten. Fiel Boateng aus, war niemand da, der von hinten das Spiel so gut eröffnen kann wie er. Die letzte Saison unter Pep Guardiola wurde größtenteils mit Kimmich und Alaba als Innenverteidiger beendet.

Mit Mats Hummels wurde diese Problematik endgültig geschlossen. War er zu Beginn noch etwas zurückhaltend mit seinen Fähigkeiten am Ball, so wurde er im Laufe der Zeit immer wichtiger.

Spätestens als der unglückliche Fall einer Boateng-Verletzung tatsächlich eintraf, avancierte er zur Lebensversicherung des FC Bayern. Hummels gewann fast jeden Zweikampf nur mit Auge und Verstand. Seine Antizipation macht ihn zur Defensivmaschine, obwohl er nicht zu den schnellsten zählt.

Auch in der Luft führte kein Weg am 28-Jährigen vorbei. Vorne strahlte er Gefahr aus, wenngleich sein Abschluss oft unglücklich war und hinten köpfte er jede Flanke und jeden langen Ball des Gegners weg.

Nach der Verletzung von Jérôme Boateng wurde Mats Hummels der neue Abwehrchef und setzte auch vermehrt offensive Akzente.
(Foto: Adam Pretty/Bongarts/Getty Images)

Doch die Bayern holten ihn vor allem wegen seiner Dynamik und seines Passspiels. Je länger die Saison dauerte, umso häufiger sah man die typischen Hummels-Dribblings – diagonal wie vertikal. Kaum ein Innenverteidiger auf der Welt kann eine solche Sicherheit mit dem Spielgerät vorweisen.

Doch auch seine flachen Pässe in die Tiefe, die wie Laserstrahlen die gegnerische Formation sezieren, sorgten für viele glückliche Gesichter rund um den FC Bayern. Hummels ist wegen der Konstanz, die ihn seit Jahren auszeichnet, keine Überraschung mehr.

Wie schnell er sich in der bayerischen Landeshauptstadt wieder zurechtgefunden hat, ist dennoch bemerkenswert. Ohne Zweifel zählt der Innenverteidiger zu den besten und wichtigsten Akteuren der Saison.

Mit seinen Pässen, aber auch mit seinen Vorstößen brachte er neue Qualitäten ein. Hummels kompensierte damit das nicht mehr ganz so starke Positionsspiel und fand teilweise Mitspieler, die nichtmal der Fernsehzuschauer sah.

Er gab der Defensive Ruhe, dem Mittelfeld wichtige Zuspiele im richtigen Augenblick und dem Team eine Stabilität, die nötig war, um den nicht unkomplizierten Start unter Ancelotti zu bewältigen.

Hummels schloss eine Lücke im Kader, die vorher fehlte, um die letzten Schritte zu einer der besten Abwehrketten Europas zu gehen. Mit Boateng, Martínez und eben Mats Hummels haben die Bayern nun drei der besten Innenverteidiger ihrer Art im Kader. Hinzukommen wird bald Niklas Süle, der weitere Fähigkeiten einbringen kann.

Mit Juventus und Real Madrid standen zwei Teams im Champions-League-Finale, die herausragend in der Abwehr besetzt sind. Sowohl in der Spitze, als auch in der Breite. Die Verteidigungen gewinnt Meisterschaften, heißt es so schön.

Tackling der Saison und der Kampf gegen Madrid

Will man Hummels‘ insgesamt tolle Saison auf ein paar Szenen reduzieren, fällt einem sofort die Grätsche gegen Eintracht Frankfurt ein.

Hrgota tauchte plötzlich frei vor Manuel Neuer auf. Als der Stürmer seinen Lauf auf das Bayern-Tor ansetzte, erarbeitete er sich einige Meter Vorsprung auf die Abwehr der Münchner.

Den Torwart umkurvte Hrgota locker, doch plötzlich kam von hinten Mats Hummels, der den Ball gefühlvoll vom Fuß des Torjägers spitzelte.

Eine Hommage an alle Grätschen, die jemals angesetzt wurden. Ein Gemälde von einem Tackling und eine absolute Weltklasseleistung, die man gar nicht genug herausstellen kann. Wer jemals in der Verteidigung gespielt hat, egal auf welchem Niveau, der dürfte verstanden haben, wie großartig dieser Moment auch für Hummels selbst gewesen sein muss. Vergleichbar mit einem Tor.

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Doch es gab noch eine weitere Sache, die nicht unerwähnt bleiben soll. Hummels verletzte sich vor den großen Duellen mit Real Madrid. Im Hinspiel konnte er deshalb nicht auflaufen. Die Bayern verloren.

Im Rückspiel war er jedoch wieder dabei und das, obwohl er scheinbar noch nicht bei 100% war. Trotzdem spielte der 28-Jährige herausragend und gewann viele wichtige Zweikämpfe. Zusammen mit Boateng ging er auf dem Zahnfleisch. Für ein Weiterkommen sollte es nicht reichen, doch die individuelle Leistung blieb bemerkenswert.

Etwas Fußballromantik im schnöden Fußballgeschäft

Hummels war jedoch nicht nur aus sportlicher Sicht ein absoluter Volltreffer, sondern auch menschlich. Er übernahm direkt Verantwortung, dirigierte auf dem Platz und stellte sich in vielen Interviews. Selbstkritik zählt ebenso zu seinen Eigenschaften wie die richtige Einordnung nach Siegen und Niederlagen.

Hummels fügte sich auch charakterlich ein, als wäre er nie weg gewesen. 2007 debütierte er beim FC Bayern gegen Mainz 05, danach wurde er nach Dortmund verliehen und später für vergleichsweise wenig Geld verkauft.

Dort entwickelte der Verteidiger sich zu einem der besten überhaupt. Nun kehrte er als Weltmeister zurück nach München. Eine Geschichte, die nicht bei jedem Bayern-Fan romantische Gefühle weckt, aber doch bei einigen, die ihn in seiner Jugendzeit erlebt haben.

Mit Joshua Kimmich feiert Mats Hummels seine erste Deutsche Meisterschaft als Stammspieler beim FC Bayern.
(Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Im Fußballgeschäft, das von Geld, Kälte und Erfolgsdruck dominiert wird, tun solche Geschichten doch auch irgendwie mal gut. Natürlich ist auch an diesem Transfer nicht alles romantisch, was danach aussieht. Aber einen Spieler zurückzuholen, der solch beeindruckende Leistungen in seinem ersten Jahr abliefert, ist eine tolle Sache.

Mats Hummels ist sowohl Newcomer als auch Comebacker der Saison und es ist ob seiner Leistungen kaum vorstellbar, dass er dies bei mehr Konkurrenz nicht geworden wäre. Die Redaktion verneigt sich vor einem großartigen Neustart in München.