Manchester City – FC Bayern 1:3 (0:1)

Steffen Trenner 03.10.2013

Das holten die weiterhin extrem lauffreudigen Münchener nach der Pause nach. Zunächst fand Dante mit einem langen Diagonal-Ball den einlaufenden Müller, der Hart zum 2:0 umkurvte (56.), dann eroberte der glänzende Kroos den Ball in der Vorwärtsbewegung der Citizens und bediente Robben, der sich im eins gegen eins gegen Nastasic durchsetzte und mit rechts einschoss (60.). Weil Bayern danach trotz mehrerer guter Möglichkeiten nicht erhöhte, fand Manchester in der Schlussviertelstunde zurück in die Partie. Zunächst traf Negredo aus der Drehung (80.), dann sah Boateng zurecht Rot wegen einer Notbremse (86.). Weil Silva den anschließenden Freistoß an die Latte und nicht ins Tor schoss, kam Bayern aber am Ende mit einem blauen Auge davon. Es war nach dem 4:0-Erfolg gegen Schalke das zweite Ausrufezeichen der erneuerten Guardiola-Bayern. Ein deutliches Ausrufezeichen.

3 Dinge, die auffielen:

1. Münchener Dominanz

Es hat gerade in der vergangenen Saison viele dominante Vorstellungen des FC Bayern auch in der Champions League gegeben, aber das Spiel gegen Manchester City setzte zumindest über 75 Minuten noch einen oben drauf. 66 Prozent Ballbesitz. 20 zu 9 Torschüsse. 89 Prozent Passquote. 613 zu 263 erfolgreiche Pässe. 134 zur 48 erfolgreiche Pässe im Schlussdrittel. Dazu 50 Balleroberungen. Vor allem das zentrale Mittelfeld mit Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos drückte dem Spiel seinen Stempel auf. Alle drei spielten mehr als 70 Pässe mit einer Passquote von über 92 Prozent. Toni Kroos spielte bei insgesamt 76 Pässen nur zwei Fehlpässe (97 Prozent Passquote). Diese Ballsicherheit gepaart mit einem aggressiven Gegenpressing, das viele schnelle Ball-Rückeroberungen ermöglichte, waren die Grundlagen für die Münchener Überlegenheit, die Manchester nie wirklich ins Spiel kommen ließ.

Entscheidend war jedoch, dass die Gäste aus dieser Ballsicherheit und Kontrolle auch die notwendige Durchschlagskraft entwickelten. Es besteht bei der neuen Ausrichtung des FC Bayern immer die Gefahr, dass Ballbesitz und die schnelle Ballzirkulation ein Stück weit zum Selbstzweck werden. Zwischen der 25. und 45. Minute konnte man auch gegen Manchester beobachten was das heißt. Spätestens nach der Pause kehrte jedoch auch die Zielstrebigkeit im Kombinationsspiel zurück ins Bayern-Spiel. Insgesamt 7 große Torchancen sind ein Beleg dafür, dass es Bayern gelang die Dominanz auch in gefährliche Situationen in Tornähe umzumünzen. Gerade die Provokation von eins gegen eins-, beziehungsweise zwei gegen zwei-Duellen auf den Flügeln war hier wie so oft eine erfolgsversprechende Option

Zur Schlussphase muss gesagt werden, dass Bayern schon am Wochenende gegen Wolfsburg gewisse Schwierigkeiten hatte, das Ergebnis souverän über die Zeit zu bringen. Pelegrini muss sich angesichts der Schlussphase fragen, warum er einen Spielmacher wie Silva, auch wenn er nicht zu hundert Prozent fit ist, erst in der 70. Minute einwechselte. Mit seiner Ballsicherheit und seinen spielerischen Fähigkeiten wurde das Spiel der Hausherren deutlich variabler und sicherer. So waren das Gegentor und die Rote Karte, die mehr Dante und Kirchhoff, denn Boateng zuzuschreiben ist, aus Bayern-Sicht ein Ärgernis – viel mehr aber auch nicht.

2. Müller als kompletter Angreifer

Am Montag schrieb ich hier im Blog in einem kritischen Stück über die fehlende Effektivität Müllers auf der 8 folgendes: „Allerdings ist da ja noch eine weitere Position, die einem Spielertypen wie ihm liegen müsste. Die 9. Ob nun falsch oder nicht. Einen ernsthaften Versuch mit Müller in vorderster Front wäre es alle Mal wert.“ Dass es so schnell zu diesem Experiment kommen würde, habe ich nicht erwartet. Müller begann wie schon zuletzt im Audi-Cup gegen Manchester City vor wenigen Wochen in vorderster Front und zeigte eine herausragende Partie. Auch wenn ihm nicht alles gelang, war seine Gesamtleistung brillant. Ich habe selten einen Mittelstürmer gesehen, der so weite Wege gegangen ist und sich so geschickt und vor allem effektiv bewegt. Guardiola sagte nach dem Spiel: “Ich wollte in diesem Spiel für diesen Gegner mehr Bewegung vorne drin, darum spielte Thomas Müller” – und genau diese Aufgabe erfüllte der 23-Jährige.

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Müller schuf durch zahlreiche Diagonalläufe Räume für Robben und Ribéry. er tänzelte ständig in der gesamten Horizontale der Viererkette hin und her. Er ließ sich fallen, er suchte den Rücken der Abwehr. Diese Spielweise als falsche 9 zu verkürzen, ist fachlich falsch und wird seinem Spiel nicht gerecht. Er war gegen Manchester ein kompletter Angreifer, der auch als Zielspieler im Zentrum agierte, in Kopfballduelle ging und dazu einen riesigen Aktionsradius hatte. Er bediente die komplette Klaviatur eines Offensivspielers und spielte diese Rolle glänzend. Dass es trotzdem noch Anpassungsprobleme gab, wurde in einigen Situationen deutlich in denen Müller zwar den richtigen Laufweg wählte, aber vergeblich auf den Pass in die Nahtstelle wartete. Erst Dante wagte diesen Risikoball, den Müller prompt zum 2:0 verwertete. Man darf gespannt sein, ob Müller im Sturmzentrum ein situatives Experiment gegen ausgewählte Gegner bleiben wird oder ob Guardiola häufiger zu dieser Variante greift.

3. Eine Lanze für Rafinha

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um nach dem Spiel gegen Manchester City mal eine Lanze für Rafinha zu brechen. Nein – auch mir ist nicht ganz wohl mit ihm auf der rechten Abwehrseite. Rafinha hat nicht die Ballsicherheit eines Philipp Lahm. Er hat nicht die Dynamik eines David Alaba. Aber er spielt nun seit Wochen einen kreuzsoliden Part, der nur selten echten Grund zur Kritik bietet. Gegen City interpretierte Rafinha seine Rolle auf Rechts sehr zurückhaltend und konservativ. Er hinterlief Robben äußerst selten und war stets um Sicherung bemüht. Das machte gegen die gefährliche linke Seite mit Nasri durchaus Sinn. Auch wenn sich sein Einfluss auf das Offensivspiel in Grenzen hielt, enttäuschte Rafinha auch gegen Manchester nicht, weil er wenig Fehler machte und Nasris Wirkungskreis effektiv einschränkte. Seine soliden Leistungen in den letzten Wochen sind der Grund dafür, dass Guardiola weiter das zur Zeit wohl dominanteste und spielstärkste Mittelfeldzentrum der Welt aufbieten kann. Rafinha ist gerade deshalb in dieser Form durchaus ein Gewinn für den FC Bayern.

Manchester City Hart – Richards, Kompany, Nastasic, Clichy – Touré, Fernandinho – Navas, Agüero (70. Silva), Nasri (70. Milner) – Dzeko (57. Negredo)
Ersatz Pantilimon, Zabaleta, Lescott, Javi Garcia
FC Bayern Neuer – Rafinha, Boateng, Dante, Alaba – Lahm – Robben (78. Shaqiri), Schweinsteiger (76. Kirchhoff), Kroos, Ribéry (85. Götze) – Müller
Ersatz Starke, Van Buyten, Mandzukic, Contento
Schiedsrichter Björn Kuipers (Niederlande)
Tore 0:1 Ribéry (7.), 0:2 Müller (56.), 0:3 Robben (60.), 1:3 Negredo (80.)
Gelbe Karten Agüero, Nasri, Milner / Kroos
Rote Karten Boateng (86./Notbremse)