Lahm als Sportvorstand?

Steffen Trenner 16.11.2016

Die Signale wurden in den letzten Tagen immer deutlicher. Während Philipp Lahm in mehreren Interviews offen in Frage stellte, ob er seinen Vertrag bis 2018 überhaupt erfüllen wird, betonte Karl-Heinz Rummenigge ebenfalls in dieser Woche mehrfach den Wunsch der aktuellen Bayern-Führung Lahm langfristig in den Vorstand einzubinden.

Anders als bei ähnlichen Absichtserklärungen zu Kahn, Scholl, Effenberg oder Jeremies in der Vergangenheit wirkt dies bei Philipp Lahm absolut realistisch und sinnvoll. Lahm ist seit 20 Jahren im Verein. Er ist einer der fünf wichtigsten Spieler der Vereinsgeschichte. Er hat als Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft fast alle wichtigen Titel gewonnen. Er hat sich schon jetzt einen respektablen Ruf als Unternehmer und Investor aufgebaut. Er treibt diese Karriere weiter voran. Erst in der vergangenen Woche tauschte er sich auf einer Tagung mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern zum Thema Führung aus. Schon mit Mitte 20 fiel Lahm als reflektierter Beobachter des Fußballspiels und vor allem der Strukturen dahinter auf. Lahm stehen alle Karrierewege offen.

Genau das ist es, was den aufmerksamen Beobachter etwas zögern lassen sollte wenn es um den Posten des Sportvorstands geht, den Rummenigge am Mittwoch erneut in Aussicht stellte. Matthias Sammer hatte diese Rolle in der Vergangenheit als eine Art Supervisor interpretiert, der in alle Entscheidungen eingebunden war. Seine sichtbarste Aufgabe war die Kommunikation nach außen. Ähnlich wie es Rudi Völler in Leverkusen praktiziert. Die Position des Sportvorstands wurde erst 2012 für Sammer geschaffen. Sie ist von der Machtfülle her nicht vergleichbar mit der Rolle von Eberl (Geschäftsführer) in Mönchengladbach, Schmadtke (Geschäftsführer) in Köln oder Heidel (Sportvorstand) auf Schalke. Seit Uli Hoeneß 2009 als stellvertretender Vorstandsvorsitzender aus dem Vorstand austrat wurde dieser verbreitert und die Aufgaben anders organisiert.

Passt die „Völler-Rolle“?

Wirtschaftliche Aspekte, Finanzen, Marketing, Internationalisierung werden von den anderen Vorständen abgedeckt. Die Kaderplanung, Vertragsverhandlungen, der Aufbau eines nachhaltigen Scouting-Systems, selbst einige Strukturen in der Jugendarbeit werden inzwischen vor allem vom technischen Direktor Michael Reschke organisiert. Er steht noch bis 2018 unter Vertrag und ist de facto Sportdirektor des Vereins. Soll es diese Zweiteilung dauerhaft geben? Reicht Lahm die „Völler-Rolle“ im sportlichen Bereich? Passt sie zu seinen Ansprüchen und seinen Fähigkeiten? Wäre er der Richtige für einen „echten Sportvorstand“, der bei Minusgraden U17-Länderspiele besucht, um den nächsten Kingsley Coman zu entdecken? Was wird aus seinen unternehmerischen Ambitionen? Werden Kompetenzen vielleicht neu zugeschnitten?

Der FC Bayern muss dieses Fragen so oder so im Vorfeld klären. Nichts wäre schlimmer als enttäuschte Erwartungen, die vor einigen Jahren zum schnellen Ende von Jörg Butt als Nachwuchskoordinator in München führten.

Ohnehin stellt sich aber die Frage, ob Lahm nicht schon bald ein Kandidat für noch höhere Aufgaben beim FC Bayern wäre. Rummenigge ist jetzt 61. Er ist seit 2002 Vorstandsvorsitzender des FC Bayern. Zuvor war er 10 Jahre Vizepräsident. Seine Nachfolge dürfte zu den schwierigsten und wichtigsten Personalentscheidungen der kommenden 5-10 Jahre zählen. Die Konstanz in der Führungsebene ist ein Garant für den Erfolg des FC Bayern. Im Idealfall findet sich wieder eine Person, die den Verein in den nächsten 20 Jahren umfassend prägen kann. Als Entscheider. Aber vor allem auch als Gesicht des Vereins. Wer wäre dafür geeigneter als Philipp Lahm?