“Journalisten verpassten die Chance, eine engere Beziehung zu Pep aufzubauen”

Alex Trenner 27.09.2016

Alex Truica: Hallo Isaac, in unserem ersten Interview über Pep Guardiola sprachen wir über seine Probleme mit den deutschen Medien, über kulturelle Unterschiede und über seinen Wechsel nach England. Inzwischen hat sich Guardiola bei Manchester City eingelebt, wie siehst du seine Arbeit bisher?

Isaac Lluch: Ich glaube, dass Pep Guardiola sehr glücklich darüber ist, genau das gefunden zu haben, was er sich von England erhofft hat – eine Balance zwischen der analytischen, ruhigen Arbeit unter der Woche und den stimmungsgeladenen Spieltagen mit einer hohen Leistungsdichte. Es ist zwar noch früh in der Saison, aber die bisher positiven Ergebnisse inklusive der überstandenen Champions League-Qualifikation haben der Mannschaft viel Selbstvertrauen eingeflößt. Pep scheint motiviert, seine Spielphilosophie auch in die Premier League zu importieren, und seine Spieler scheinen diese auch sehr schnell zu verinnerlichen. Soweit ich weiß, ist der Verein in Guardiola verliebt. Die Sprechchöre und positiven Reaktionen der Fans auf gelungene Kombinationen deuten den Beginn einer harmonischen Zeit an.

Könnte Peps entspannteres und glücklicheres Auftreten darauf hinweisen, dass der Abschied von Bayern in gewisser Weise eine Erleichterung für ihn war?

Ich denke nicht, dass der Abschied für Pep eine Erleichterung darstellte, denn er war keineswegs erschöpft oder ausgebrannt. Guardiola hat die Bayern einfach nur verlassen, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Ich würde sagen, dass es für ihn ein großes Verlangen ist, neue Dinge kennenzulernen, sich in einer anderen Liga zu beweisen, die besonders für Physis und Spieltempo bekannt ist. Sein Hauptgedanke war nicht die Bayern zu verlassen, sondern in der Premier League zu arbeiten. Guardiola und seine Assistenten konnten München mit einem reinen Gewissen verlassen, wie auch deren gute Laune bei der Rückkehr in die Allianz Arena im Juli gezeigt hat. Am nächsten Tag besuchten sie mit großer Freude das FCB-Vereinsgelände, von schlechten Erinnerungen keine Spur. Guardiola wird sich in München immer unter Freunden fühlen. Vielleicht besucht er sogar das Oktoberfest.

Für einige deutsche Fans und Journalisten ist es geradezu seltsam, ihn so glücklich zu sehen, sogar bei Pressekonferenzen zeigte er sich gut gelaunt. Dann gibt es noch „Pep’s Taxi“, eine kleine Video-Serie, in der er mit Fans in einem Taxi sitzt und lockere Gespräche führt. Es scheint alles etwas anders und entspannter zu sein im Vergleich zu seiner letzter Saison in München. Hat Guardiola sein Auftreten gegenüber den Medien geändert, oder warum ist er jetzt so viel aufgeschlossener?

Meiner Meinung nach ist Peps Verhältnis zu Journalisten unverändert. Ich erinnere mich an seine ersten Wochen bei Bayern, als er noch versuchte, sämtliche Fragen der Journalisten detailliert zu beantworten. Einmal erzählte er sogar ausführlich über die Gegend, in der er wohnte – während seiner Zeit in Barcelona wäre das niemals passiert.

Der Aspekt der Sprache sollte auch nicht außen vor gelassen werden. Nun beim Beginn seiner Aufgabe in Manchester ist er auf Englisch viel bewanderter als er es bei seiner Ankunft in München auf Deutsch war. Das gibt ihm jetzt ein Stück weit mehr Sicherheit und einen flüssigeren Umgang mit der Sprache. Ich erinnere mich, wie er bei den Bayern in seiner Anfangszeit einen kleinen Zettel bei der Hand hatte, auf dem Kernsätze und ein fachliches Lexikon standen – damit er sicher gehen konnte, er würde genau das sagen, was er auch jeweils meinte.

Erkennst du Unterschiede zwischen der Berichterstattung in England beziehungsweise Manchester und der in Deutschland respektive München? Könnte es sein, dass die englischen Journalisten zu Guardiolas Offenheit und Entspanntheit in irgendeiner Weise beitragen?

Wir befinden uns immer noch in der Anfangsphase, es ist zu früh für detaillierte Vergleiche zwischen englischen und deutschen Medien. In Manchester werden die Journalisten ihr wahres Gesicht in schlechten Zeiten zeigen, wenn schmerzhafte Niederlagen verkraftet werden müssen. Grundsätzlich würde ich sagen, dass schlechte Journalisten überall die gleichen Schwächen haben und gute Journalisten überall die gleiche Glaubwürdigkeit. Pep muss sich erst seit drei Monaten mit den englischen Medien auseinandersetzen, während wir in Deutschland schon auf ganze drei Jahre zurückblicken können.

Es gibt natürlich einige Unterschiede zwischen Deutschland und England, die erwähnenswert sind. Bei seiner Ankunft im Jahr 2013 wurde Guardiola von vielen deutschen Medien als eine Art Messias gefeiert, was ihm sehr unangenehm war. Ich erlebte sogar Presserunden, wo es völlig absurde Fragen gab wie „Sind Sie in irgendetwas nicht großartig, zum Beispiel im Kochen oder Wäsche bügeln?“.

Du siehst: Wer eine gute Antwort will, der muss auch eine gute Frage stellen. Man kann fragen, warum Joe Hart nur auf der Bank sitzt – man könnte aber auch fragen, ob sich seine Einsatzchancen verbessern würden, wenn er an seinen Fähigkeiten mit dem Ball arbeitet. Man kann fragen, warum Thomas Müller nicht in einem wichtigen Spiel beginnt – man könnte aber fragen, was die taktischen Gründe für die Entscheidung sind, oder inwiefern die Defensivtaktik des Gegners einen dazu brachte, Müller aus der Startelf zu nehmen.

Versteh’ mich nicht falsch: Ich behaupte nicht, dass englische Journalisten bessere Fragen stellen können als deutsche. Ich sage nur, dass die Prioritäten teils andere sind. Ich glaube, es gab in Deutschland einen bestimmten und sehr einflussreichen Teil der Medien, der weniger am Trainer als an der öffentlichen Person Guardiola interessiert war. Diesem Teil ging es mehr um den Prominenten als um den Taktikfuchs. Das Problem für diesen Teil der Presse entstand, als Guardiola ihnen keine Interviews einräumte – dann verloren sie erst recht das Interesse, den Trainer mittels seiner Art des Fußballspiels zu verstehen.

„Ich glaube, es gab in Deutschland einen bestimmten und sehr einflussreichen Teil der Medien, der weniger am Trainer als an der öffentlichen Person Guardiola interessiert war.“
– Isaac Lluch über die Arbeitsweise einiger Medien

Das heikelste Thema für diese Kollegen war seine Gewohnheit, Einzelinterviews grundsätzlich abzulehnen. Dies tat Pep bereits in Barcelona, wo es überhaupt kein Problem darstellte. In München kam dies jedoch nicht so gut an und führte zu Missmut. Die Kollegen kamen durch Spieler, Mitarbeiter und insbesondere das Ärzteteam weiterhin an einen gewissen Grad an Informationen und Aussagen – nie jedoch direkt durch Guardiola selbst. Die deutschen Journalisten schützten diejenigen, die Informationen weitergaben, während man mit dem Trainer immer schonungsloser umging – was nicht so sehr an den Ergebnissen auf dem Platz lag, sondern an der aufgekommenen Entfremdung.

Pep unternahm einige Versuche, die Beziehung mit den Medien zu verbessern. Beispielsweise stimmte er einem Plan von Markus Hörwick zu, kleine Presserunden mit höchstens zwölf Journalisten einzuführen. Dort verpassten die anwesenden Journalisten jedoch die Chance, eine engere Beziehung zu ihm aufzubauen. Ähnlich verhielt es sich mit den Pressekonferenzen nach Spielen. Einige Male wurde Guardiola hier nicht eine einzige Frage gestellt, kein Journalist wollte die Möglichkeit nutzen. Pep verließ manchmal die Pressekonferenz, ohne eine einzige Frage gestellt bekommen zu haben – abgesehen von Hörwicks Fragen zu Beginn. So etwas gab es in Barcelona nie, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass wir das in Manchester je erleben werden.

Guardiolas Zeit beim FC Bayern war von großem Druck geprägt, insbesondere von Seiten der Medien wurde der Gewinn der Champions League erwartet. In Manchester hat er nun die Gelegenheit, etwas von Anfang an aufzubauen. Hat er in Manchester weniger Druck, kann er da ruhiger arbeiten als es in München der Fall war?

Von Guardiola wird stets das Optimum erwartet, unabhängig von der Ausgangsstellung. Früher oder später werden auch englische Medien vom Triple sprechen. Druck gibt es bei jedem Spitzenverein. Der Vorstand wird ihm aber die benötigte Zeit gewähren.

Pep Guardiola mit Uli Hoeneß, dessen schützende Hand dem Trainer in einigen Situationen hätte helfen können. (Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)
Pep Guardiola mit Uli Hoeneß, dessen schützende Hand dem Trainer in einigen Situationen hätte helfen können.
(Foto: Alexander Hassenstein / Bongarts / Getty Images)

Apropos Vorstand bei City: Guardiola arbeitet nun wieder mit seinen Freunden Txiki Begiristain und Ferran Soriano zusammen. Man hat das Gefühl, dass er von ihnen und dem gesamten Verein große Unterstützung erfährt. Er genießt Freiheiten bei der Kadergestaltung, die er bei den Bayern so nicht hatte, zum Beispiel als man Götze statt Neymar verpflichtete oder Toni Kroos gegen seinen Willen verkaufte.

Pep sagt gerne, dass er ein Glückspilz ist, weil er bisher überall mit offenen Armen empfangen wurde. Seine Beziehung zu Begiristain und Soriano ist natürlich besonders eng, aber mit Karl-Heinz Rummenigge und Matthias Sammer konnte er genauso gut zusammenarbeiten, auch wenn ihre fußballerischen Ansichten nicht immer die gleichen waren. Meiner Meinung nach war es ein Fehler, dass Pep zum Beispiel im Fall Kroos seine Forderungen nicht stärker vertrat.

Es war für den Verein sehr schade, dass Pep Guardiola und Uli Hoeneß kaum die Möglichkeit zur Zusammenarbeit hatten. Vor kurzem verteidigte Hoeneß in der Öffentlichkeit ja die Arbeit Guardiolas – ich glaube, Hoeneß’ Aussagen beschreiben das Verhalten einiger deutscher Medien sehr genau. Hoeneß wäre wohl der ideale Begleiter für Guardiola in München gewesen.

Auszug aus dem Interview von Alex Truica mit Isaac Lluch. Das volle Interview könnt ihr auf Englisch auf Grup14 lesen. Lluch spricht hierbei über das spannende Projekt Manchester City, was er City sportlich in Liga und Champions League zutraut, wie er Peps Rivalität zu Mourinho sieht und warum er sich auf Guardiola in der Premier League so freut.