Der, der nicht in der zweiten Reihe stehen kann

Jan Trenner 25.11.2016

Im Gerichtssaal, vor den Augen der Öffentlichkeit und Journalisten, war die „Abteilung Attacke“ ungewohnt still. Nach der Bekanntgabe des für viele unerwarteten Urteils, dem Verzicht auf Revision und nach der boulevardesken Aufbereitung des Haftantrittes, setzte sich diese Ruhe um Uli Hoeneß fort.

Der oftmals lospolternde Ex-Präsident verbüßte 21 Monate lang seine Haftstrafe als Privatperson. Abgeschottet, im Anschluss als Freigänger, nach Haftentlassung ohne Öffentlichkeit und weitestgehend nur in seinem engsten Kreis. Der Verein kam zur Ruhe.

Nun kehrt Hoeneß ins Rampenlicht zurück.

In einer Zeit, in der sportliche Schwierigkeiten die Sehnsucht nach ihm nähren. Notwendig für eine Wiederwahl wäre die aktuelle Negativserie nicht. Eine überwältigende Mehrheit hätte ihn sowieso gewählt.

Einen ernsthaften Gegenkandidaten hat es nie gegeben. Wer wäre auch so vermessen, sich überhaupt gegen ihn aufstellen zu lassen?

Ebenso hat – in der Rückschau betrachtet – der Versuch sich vom alten Präsidenten zu emanzipieren, nie stattgefunden.

Aus einer Chance wurde die Rückkehr zum Bekannten

»Die Zeit des Übergangs sollte dann genutzt werden, um einen starken Nachfolger aufzubauen.« schrieb Steffen im März 2014 nachdem bekannt wurde, dass Hoeneß seine Ämter als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender niederlegt.

Karl Hopfner wurde als Übergangslösung vorgestellt und installiert. Er agierte als Platzwärmer für den nächsten Präsidenten, führte fort, was funktionierte und ließ Rummenigge in der Öffentlichkeit sprechen. Er selbst hielt sich stets zurück.

Dass Hoeneß zurückkehrt, war in dem Moment klar, als Hopfner ganz klar als Platzhalter das Präsidentenamt übernommen hat.@Ojweh

Vorstandschef und Bald-Wieder-Präsident danken ihm bereits jetzt für seine Verdienste und natürlich war von Anfang an klar, dass man mit Hopfner nicht in die Zukunft gehen wird. Der Verein machte aber auch nie den Anschein, dass er ernsthaft an einer anderen, langfristigen Lösung interessiert sei. Der scheidende Präsident kündigte seine Rückkehr mit »das war’s noch nicht« selbst an und versperrte anderen Kandidaten automatisch den Weg.

Gleichwohl hatte ich mir erhofft, dass der FC Bayern sich in der Zwischenzeit von seinem langjährigen Übervater emanzipiert hat. Hoeneß mag die Seele des Vereins sein und ihn familiär machen, aber er steht auch für konservative Strukturen, die Fortschritte beim FC Bayern verlangsamen, und manchmal für einen Populismus, der nicht zu einem Weltklub passt.Alex Feuerherdt

Hoeneß hat den Verein über 30 Jahre lang zusammengehalten. Die letzten drei haben gezeigt, dass es ohne ihn geht. Dennoch dreht man sich nun um und wieder zu ihm zurück.

Zurück zu jemandem, der seine Haftstrafe verbüßt und Steuerschulden beglichen hat. Aber auch zu einer Person, die sich jahrelang als moralische Instanz aufgeschwungen hat, um tiefer zu fallen als jemand zuvor.

Die Funktionäre im deutschen Fußball scheinen sich einstimmig auf Hoeneß Rückkehr zu freuen. Sie können sich auch darauf freuen, künftig ein Argument vorzubringen, dass jedem mahnend an der Säbener Straße erhobenem Zeigefinger entgegensteht. Der juristischen Verfehlung, die mit Haft bestraft und bereinigt wurde, steht eine nicht zu vergessende moralische gegenüber. Letztere wird als Argument herhalten, wann immer es passt und bequem ist.

Dieser Makel wird an ihm und damit auch dem Verein haften. Es ist bezeichnend, dass ein Großteil der Fans und Mitglieder von reiner Emotionalität getrieben werden und diesen Aspekt außer Acht lassen. Der alte und neue Präsident akzeptiert dies ebenfalls.

Uli Hoeneß mit Franz Beckenbauer bei einer Ehrenpräsentation in der Allianz Arena.(Foto: Matthias Hangst / Bongarts / Getty Images)
Uli Hoeneß mit Franz Beckenbauer bei einer Ehrenpräsentation in der Allianz Arena im Mai 2016.
(Foto: Matthias Hangst / Bongarts / Getty Images)

Bayern braucht keinen Patriarchen

Dabei wäre die Chance für neue Strukturen so groß gewesen wie nie zuvor. Hoeneß hätte im Hintergrund die Fäden ziehen und sein Erbe dirigieren können. Präsent, wie er eben ist, aber nicht im Rampenlicht.

»Wenn der FC Bayern sich weiter in der europäischen Spitze halten will, geht das nicht als etwas zu groß geratenes Familienunternehmen, dem ein Patriarch vorsteht […] mit seiner übermächtigen Persönlichkeit blockiert er auch notwendige Weiterentwicklungen.«, so Alex über das, was den Widerspruch zwischen Anspruch als Verein und nun zurückkehrender Person definiert.

Fakt ist: Fast drei Jahre lang verpasste man es, ernsthaft einen neuen Weg einzuschlagen und den Verein unabhängig von seiner ehemals prägenden Figur zu machen.

Ein Ohne-Hoeneß-Strategie wurde nicht entwickelt. Allem Anschein nach weder intern noch in der Öffentlichkeit. Im Gegenteil: Für Letzteres wird Uli Hoeneß, wenn man kritisch-besorgten Fans zuhört, stärker denn je als Gegenentwurf zu Karl-Heinz Rummenigge gesucht:

… er ist der einzige, der Rummenigge in seinem zuletzt immer weiter ausufernden Größenwahn rund um Qatar oder die Reform der Champions League bremsen kann. […] Die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Internationalisierung und Bewahrung der Identität ist seine wichtigste Aufgabe in der nächsten Amtszeit.

Vielleicht sieht Uli Hoeneß sich in der Pflicht zurückzukehren. Dass der FC Bayern größer als sein Präsident ist, geriet in Vergangenheit oftmals in Vergessenheit.

Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

Gewaltenteilung

Dabei wäre ein alternativer Weg einfach zu bestreiten. Mit Matthias Sammer ging der Verein bereits einen Schritt in diese Richtung. Nur nie weit genug. Gewaltenteilung statt -konzentration. Sinnvolle Rollenverteilung statt Spotlight in eine Richtung. Es wirkt wie eine Kehrtwende, die noch immer vakante Position des Sportvorstands brach liegen zu lassen.

Rummenigge und Sammer bildeten ein Sprachrohr. Anscheinend ist nun neben Hoeneß und Rummenigge kein Dritter notwendig – man könnte folgern: erwünscht. Die alte Führungsriege teilt die Aufgaben wieder unter sich auf und bestimmt im engen Kreis die Geschicke des Vereins. Ein Modell für die Ewigkeit ist dies nicht.

Wer sich als Klub von Welt präsentiert, sollte sich eine ebensolche Struktur geben.

Uli Hoeneß hat einen Verein geschaffen, der nicht auf Andere schauen muss. Sich nicht wie ein Fähnchen im Wind der Großen bewegt, sondern selbst definiert. Ein Klub, der für eine Identität und Historie steht.

Hoeneß hat es jedoch nicht geschafft, sein Erbe in eine selbstständige Zukunft zu entlassen. Stattdessen steht die Vergangenheit nun wieder für die Zukunft.

Er selbst steht in der ersten Reihe, weil er es in der zweiten nicht auszuhalten scheint.