Update: Guardiolas 4-1-4-1 ist in Wahrheit ein 4-1-2-3

Steffen Trenner 20.07.2013

Spielfeld 4-1-2-3 mit Dreiecken KopieIn der Abbildung links wird das sehr gut deutlich. Die vier offensiven Mittelfeldspieler agieren so gut wie nie auf einer Höhe, sondern stehen gestaffelt. Die beiden Flügelstürmer schoben in den Tests bei Ballbesitz Bayern extrem weit nach vorn und agierten praktisch mit dem zentralen Stürmer auf einer Höhe. Die beiden Halbspieler postierten sich eher versetzt im Zentrum und boten sich dem Sechser und den Außenverteidigern immer wieder als Anspielstationen an. Diese Formation hat zwei wesentliche Vorteile, die Guardiolas Spielidee in die Karten spielen. Bayern kann bei Ballbesitz mit insgesamt 5 sehr offensiv ausgerichteten Spielern, die zudem von den Außenverteidigern unterstützt werden ständig Überzahlsituationen im offensiven Zentrum schaffen. Guardiola-Kenner Matias Manna sagt dazu: Bayern war letztes Jahr ein sehr vertikales Team, sie haben viel über die Außen angegriffen. Guardiola will mehr in der Mitte des Platzes spielen.“ Deutlich wird hier auch warum Guardiola offensichtlich auf kleine, wendige Spieler setzt. Er will im offensiven Zentrum im Bereich um den Strafraum herum bewegliche, technisch versierte Spieler, die auf engstem Raum kombinieren und rochieren können. Die Raumaufteilung im 4-1-2-3 erlaubt zudem zusätzliche Möglichkeiten für Dreiecksbildungen (siehe Abbildung) in der Offensive, die der spielerische Idealfall für Guardiola sind.

Die Vorteile einer solchen Formation liegen also auf der Hand. Spannend wird sein, wie Guardiola mit den Schwächen umgeht. Mit nur einem nominellen Sechser fehlt ein Stück Stabilität im defensiven Zentrum. Gerade dieses defensive Zentrum war im Vorjahr mit Martínez und Schweinsteiger das Herzstück des FC Bayern, weil sie durch zahlreiche Ballgewinne und schnelles Umschalten das Rückgrat des Münchener Spiels bildeten. Ein alleiniger Sechser zumal wenn er wie in den bisherigen Testspielen mit Toni Kroos spielerisch besetzt ist, birgt gegen konterstarke Teams gewisse Gefahren. Der 6er muss einen sehr weiten Raum im Zentrum alleine abdecken. Schon in den Tests gegen Brescia oder Rostock, die sicherlich nicht zur Creme de la creme des internationalen Fußballs gehören, wurde dieses Problem sichtbar. Die Innenverteidiger sind, wie Jerome Boateng verriet, aufgerufen ihren Raum im Zentrum proaktiv zu verlassen und einen angreifenden Spieler frühzeitig zu attackieren. So soll der alleinige 6er im Defensivspiel unterstützt werden. Gelingt bei einem Herausrücken des Innenverteidigers der Ballgewinn nicht, entstehen in seinem Rücken plötzlich große Räume für die angreifende Mannschaft. Dass selbst Mannschaften wie Brescia und Rostock in den Vorbereitungsspielen immer wieder diese Räume fanden, muss ein Stück weit nachdenklich machen.

Klar scheint: Wenn Guardiola an dieser Ausrichtung festhält werden wir im kommenden Jahr wieder mehr 1:1-Situationen der Innenverteidiger wie zuletzt unter Louis van Gaal erleben. Heynckes hatte diese Situationen durch seine auf Stabilität aufbauende Ausrichtung beinahe eliminiert, weil alle Spieler aufgefordert waren durch hohe Laufleistung auch in der Defensive Überzahlsituationen in Ballnähe zu schaffen und so Ballgewinne quasi zu erzwingen. Die Innenverteidiger verließen so gut wie nie das Zentrum, weil zwei 6er mit Unterstützung eines Außenverteidigers und/oder eines Flügelspielers immer in der Lage waren Überzahlsituationen im defensiven Zentrum zu erzeugen. Selbst spielstarke Gegner wie der FC Barcelona wurden durch die gute Raumaufteilung und die ständige Überzahl der Münchener beinahe erstickt. Situationen in denen Dante, Boateng oder van Buyten in Tornähe in 1:1-Duelle mussten sind fast an einer Hand abzuzählen. Diese Stabilität durch Überzahl und eine gute Raumaufteilung war der Schlüssel für Bayerns herausragende Defensiv-Leistung im vergangenen Jahr.

Guardiola wird sich dieser Risiken bewusst sein. Wie es gelingen kann, bewies der FC Bayern beim Telekom-Cup am vergangenen Wochenende gegen Hamburg und Mönchengladbach. Bayern gelang es das Risiko mit nur einem Sechser zu minimieren indem man die Passwege durch das Zentrum schon sehr weit vorn konsequent zustellte und viele frühe Ballgewinne provozierte. Der alleinige Sechser, im konkreten Fall Thiago war defensiv kaum gefordert, da das Pressing ein schnelles Umschaltspiel schon im Ansatz verhinderte. Ob der HSV und Mönchengladbach in dieser frühen Saisonphase ernsthafte Maßstäbe sein können, bleibt abzuwarten.

Noch ist die neue 4-1-2-3-Formation in der Testphase. Sie ist Anbetracht des Personals und Guardiolas Philosophie ein konsequenter Ansatz. Trotzdem wird es Anpassungen geben müssen. Mit der Rückkehr von Luiz Gustavo und Javi Martínez gäbe es nun zum Beispiel auch Möglichkeiten den alleinigen Sechser mit einem sehr zweikampfstarken Akteur zu besetzen, um die beschriebenen Risiken abzufedern. All das wird in den kommenden Wochen bis zum Saisonstart zu beobachten sein.