Drei Wochen Pep Guardiola beim FC Bayern – Zeit einmal durchzuatmen

Steffen Trenner 12.07.2013

In der Endphase des allgemein als gelungen bewerteten Trainingslagers im Trentino, mischten sich erstmals etwas irritierte Zwischentöne in das mediale Stimmengewirr rund um den deutschen Rekordmeister. Guardiolas offenes Bekenntnis zu einem Transfer von Thiago Alcantara, seine bis jetzt noch ziemlich undurchsichtigen taktischen und formativen Veränderungen lösten plötzlich Fragen aus. Warum will Guardiola einen weiteren Mittelfeldspieler? Warum wird ein Torjäger wie Mario Gomez stattdessen mehr oder weniger vom Hof gejagt? Warum plant Guardiola mit Javi Martínez in der Innenverteidigung? Was soll ein Wechsel zu einer Dreierkette? Warum überhaupt etwas ändern wenn Bayern doch im Vorjahr alle Titel gewann? 

Irgendwie hatte sich die Idee so gut angefühlt. Guardiola kommt, um das erfolgreiche und attraktive System von Heynckes an einigen Stellschrauben zu verbessern. Mit Mario Götze als Top-Transfer für die Zukunft. Hatte der Spanier genau dies nicht auch auf seiner Auftakt-Pressekonferenz angekündigt? Keine Revolution, sondern eine Weiterentwicklung mit Bedacht? Auch ich habe mich in den vergangenen Tagen ein wenig anstecken lassen von der Sorge vor zu viel Veränderung, vom Unverständnis über den plötzlichen Aktionismus, den Guardiola in den vergangenen Tagen zu vermitteln schien.

Ich glaube es ist zum Abschluss des Trainingslagers Zeit, um einmal durchzuatmen.

Wer sich mit der Persönlichkeitsstruktur von Josep Guardiola beschäftigt hat, der weiß, dass Guardiola vieles ist, aber mit Sicherheit kein Verwalter. Er ist Gestalter. Ein Getriebener. Ein Perfektionist und ein fordernder Charakter, der seine Mannschaft vielleicht liebt, wie er es im Trentino mehrfach über den Platz rief, der aber mit Sicherheit auch eines von ihr erwartet: Den Willen zur Entwicklung. Guardiola liebt den Fortschritt. Er wird den Versuch unternehmen mit diesem Verein und diesem Kader die Grenzen dieses Fortschritts auszutesten. Das wusste jeder, als Guardiola verpflichtet wurde. Es ist nicht nur sein Recht, sondern geradezu seine Pflicht in dieser Phase der Vorbereitung Ideen zu verfolgen und Varianten zu erproben und zu testen.

Zur Wahrheit gehört ebenfalls: Wir wissen so gut wie nichts. Der Weg bis zum Saisonstart in der Bundesliga ist noch sehr weit. Javi Martínez, Dante und Luiz Gustavo sind noch nicht einmal ins Training eingestiegen. Mit Bastian Schweinsteiger ist ein Schlüsselspieler zudem verletzt. Gerade mal ein halbwegs ernsthafter Test liegt hinter den Münchenern. Klar scheint lediglich: Guardiola will den breiten Kader nutzen, um variabler zu werden. Er will Varianten einstudieren, um in den unterschiedlichen Wettbewerben und Phasen der Saison 2013/2014 unterschiedliche Handlungsoptionen zu haben. In Anbetracht des wahnsinnigen Programms mit 6 Wettbewerben, das vor den Münchenern liegt, scheint das plausibel.

Fantastereien wie eine fluide 3-7-0-Formation, die zuletzt von Journalisten ins Spiel gebracht wurde, werden wohl ohnehin eher Hirngespinste bleiben. Guardiola weiß, dass sich Strukturen und Kreativität im Fußball nicht ausschließen, sondern einander geradezu bedingen. Vielleicht wird er also letztendlich viel moderatere Veränderungen vornehmen, als viele es jetzt in der frühen Phase der Vorbereitung erwarten.

Guardiola selbst hat vor drei Wochen bei seiner Antritts-Pressekonferenz den entscheidenden Satz gesagt. „Wir werden nichts verändern nur um etwas zu verändern.“ So lange dieser Grundsatz Maßstab seines Handelns bleibt, hat er mich auf seiner Seite. Ohnehin gibt es spätestens mit dem Saisonstart eine Währung, der sich auch der größte Visionär unterwerfen muss. Ergebnisse. Vielleicht kehrt spätestens dann auch die Gelassenheit zurück.